Parteitag der Linken in Dresden: Unbedingter Wille zum Jubel

Bundesparteitag - Die Linke

 Die Parteivorsitzenden der Linken, Kaja Kipping und Bernd Riexinger beim Bundesparteitag in Dresden

(Foto: dpa)

Diszipliniertes Klatschen, hüpfende Männer in roten Anzügen, fliegende Ballons: Der Parteitag in Dresden soll zeigen, dass Streit und Chaos bei der Linken Geschichte sind. Um mittelfristig mitregieren zu können, setzt die Führung auf orchestrierte Langeweile.

Von Daniel Brössler, Dresden

Es muss eine Menge Wasser die Elbe hinunterfließen, bis die Stunde des Vorsitzenden schlägt beim Parteitag der Linken in Dresden. Im Kongresszentrum direkt am Flussufer hat Bernd Riexinger zwar schon am Vortag eine Rede gehalten, in der die SPD schlecht weggekommen ist. Die Delegierten haben darauf erwartungsgemäß gut angesprochen. Erst jetzt aber, anderthalb Tage und viele Änderungsanträge am 100-Prozent-Sozial-Wahlprogramm später, horchen die Linken wirklich auf. Er brauche jetzt mal drei Minuten, um etwas zu erklären, verlangt Riexinger.

Aufgerufen ist ein Antrag zum Euro. Es geht um die Frage, "ob die gemeinsame Währung aufrechterhalten werden kann". Es ist eine Frage, die vor einigen Wochen Oskar Lafontaine aufgeworfen hat, indem er über eine Rückkehr zu einem Europäischen Währungssystem mit nationalen Währungen sinnierte. Der Parteivorstand habe "lange darüber gerungen", erklärt Riexinger den Delegierten, und entschieden, nicht für ein Ende des Euro einzutreten. Lafontaine hat den Parteitag da bereits verlassen.

Man wolle den Erhalt des Euro nicht um jeden Preis, führt Riexinger aus, aber man müsse sich schon klarmachen, was die Rückkehr zu nationalen Währungen bedeute. Deutschland etwa werde seine Währung um 30 bis 40 Prozent aufwerten müssen. Und "dann bin ich gespannt, wie wir höhere Löhne durchsetzen". Als der schwäbische Gewerkschafter Riexinger vor einem Jahr beim chaotischen Göttinger Parteitag zusammen mit Katja Kipping an die Spitze gewählt wurde, galt er in der Nachfolge des bayerischen Gewerkschafters Klaus Ernst als Mann Lafontaines. In Dresden steht er nun seinen eigenen Mann. Der Änderungsantrag, der Planungen für einen möglichen Austritt einzelner Länder aus dem Euro fordert, wird mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Auch ansonsten läuft der Parteitag nach Plan. Den Laden zusammenhalten, lautet der schlicht, und gegen die rot-grüne Konkurrenz mobilisieren. Katja Kipping fällt dabei die Aufgabe zu, sich die Grünen vorzuknöpfen. Die Zeichen, sagt sie, stünden auf Schwarz-Grün. "Wer grün wählt, hält am Ende die CDU an der Macht", lautet ihre Parole.

Einst seien die Grünen Teil der Friedensbewegung gewesen, heute hingegen "besonders eifrig beim Begründen von Kriegseinsätzen". Während der FDP-Außenminister Guido Westerwelle im Libyen-Konflikt besonnen agiert habe, hätten die Grünen einen Militäreinsatz in Libyen gefordert. "Beim politischen Farbwechsel der Grünen von grün zu olivgrün kann man wirklich froh sein, dass keiner von denen den Außenminister stellt", wettert Kipping. Der Saal tobt. Gegen die Grünen und gegen Krieg - besser geht es nicht.

Die Delegierten quälen sich

Überhaupt ist während dieses Parteitages ziemlich viel davon die Rede, wie SPD und Grüne sind und wie sie eigentlich sein müssten. "Bei einer Regierung, die Nein zu Krieg sagt, die für Mindestlöhne, Mindestsicherung sorgt, die sich für gute Arbeit, gute Rente einsetzt und das alles durch die Besteuerung der Millionäre finanziert, wären wir sofort dabei", beteuert Kipping. Allein: SPD und Grüne hätten ja "jegliche Zusammenarbeit mit uns ausgeschlossen".

Das ist der rote Faden. Auch Gregor Gysi nimmt ihn auf. "Ich frage", klagt er an, "die SPD und die Grünen: Wann seid ihr in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Bevölkerung endlich bereit, euch für die Agenda 2010 zu entschuldigen?" Der Saal tobt. Gysi fügt noch eine Reihe von Klagepunkten hinzu, um dann unerwartet die Richtung zu wechseln. Die Menschen erwarteten, dass die Linke "hier und heute" für Veränderungen streite: "Die Linke, wir alle zusammen, müssen uns auf die nächste Etappe begeben." Die nächste Etappe? Stille im Kongresszentrum. In Klartext übersetzt, hat Gysi gerade gesagt, dass seine Partei noch einmal vier Jahre Opposition will und dann endlich regieren. Nur wie? Gysi verrät lediglich, dass dieser "Weg nicht leichter wird als der bisherige".

Hastig leiert der Fraktionsvorsitzende noch die wichtigsten Wahlkampfanliegen herunter von erstens "Stopp sämtlicher Kampfeinsätze der Bundeswehr" bis zwanzigstens "ein Mehr an Kultur". Danach bricht sich der unbedingte Wille der 550 Delegierten zum Jubel Bahn. Sie erheben sich, beklatschen den Mann, der noch vor einem Jahr beim Parteitag in Göttingen das gehalten hat, was er selbst eine "Gewitterrede" nennt. Chaos und drohende Spaltung sind in Dresden der Disziplin gewichen und einer zwar aufgesetzten, aber doch ihren Zweck erfüllenden Harmonie. In den Umfragen pendelt die Linke weit entfernt vom 11,9-Prozent-Resultat der vorigen Bundestagswahl bei sechs bis acht Prozent. Das soll nicht schlechter werden.

Es ist 15 Minuten nach Mitternacht, als mit fast vierstündiger Verspätung das Wahlprogramm verabschiedet ist. Durch Hunderte Anträge haben sich die Linken gequält, am Ende aber ist das Programm im Kern so geblieben, wie die Führung es wollte. Über die Bühne hüpfen Tänzer in roten Gummianzügen. Rote Ballons fliegen durch den Saal, die orchestrierte Langeweile kulminiert. Ganz nach Plan.

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