Parteitag der Grünen:Rückkehrer, Neulinge und Platzhirsche

Beim Bundesparteitag der Grünen in Erfurt deutet sich ein vorsichtiger Generationswechsel an.

Daniel Brössler und Felix Berth

Das Wort der Woche bei den Grünen lautet Weichenstellung. An diesem Freitag beginnt in Erfurt der Parteitag der Grünen und der wird, wie Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagt, "die personellen Weichen für das Wahljahr 2009 stellen".

Parteitag der Grünen: Der Neue und der Alte: Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer (r.) und sein designierter Nachfolger Cem Özdemir (l.).

Der Neue und der Alte: Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer (r.) und sein designierter Nachfolger Cem Özdemir (l.).

(Foto: Foto: dpa)

Und weil die Grünen immer noch ein bisschen anders ticken als andere Parteien, sind es eine Menge Weichen, die da zu stellen sind. Nicht ein oder zwei Spitzenleute werden gewählt, sondern gleich zwei neue Vorsitzende und zwei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

Den einst von Joschka Fischer allein besorgten Job des Frontmanns für die Wahl wollen sich die Ex-Minister Renate Künast und Jürgen Trittin teilen. Claudia Roth vom linken Parteiflügel wiederum möchte als Vorsitzende bestätigt werden, Cem Özdemir will dem Reformer Reinhard Bütikofer an der Doppelspitze der Partei nachfolgen.

Name mit Neuigkeitswert

Der einzige Name mit Neuigkeitswert in der Riege gehört Özdemir. Er ist kein Neuling, aber doch ein Rückkehrer auf der bundespolitischen Bühne, von der er sich 2002 wegen der Affäre um Bonusmeilen und einen problematischen Kredit zurückgezogen hatte. Eigentlich wäre Özdemir auch gern in den Bundestag zurückgekehrt, bei der Listenaufstellung in Baden-Württemberg aber haben ihm die Delegierten eine Abfuhr erteilt. Das muss für den anatolischen Schwaben kein schlechtes Omen sein.

Der Parteitag könnte vielmehr versucht sein, dem Neuen demonstrativ den Rücken zu stärken. Abhängen wird das, den Gesetzen grüner Flügelarithmetik folgend, aber vom Ergebnis Claudia Roths, deren Kandidatur vor der Özdemirs zur Abstimmung steht. Für ein schlechtes Resultat Roths würden sich die Linken an den Reformern rächen. Der Sündenbock hieße Özdemir. Gerade dieses Gleichgewicht des Schreckens aber könnte Claudia Roth ein passables Ergebnis bescheren.

Wirkliche Sorgen machen muss sich ein anderer: Fritz Kuhn, der Reformer und Routinier an der Spitze der Bundestagsfraktion, will wieder Mitglied des 16-köpfigen Parteirats werden. Keineswegs sicher aber ist, dass die Delegierten ihm diesen Wunsch erfüllen. Schon bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl in seiner baden-württembergischen Heimat musste Kuhn erleben, dass ihm in der Partei rauer Wind entgegenschlägt.

Mit dürftigen 63,3 Prozent der Simmen wurde er auf Platz zwei der Landesliste gewählt. Seine Unterstützung für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan, aber auch unpopuläre wirtschaftspolitische Positionen haben ihn Sympathie gekostet. Hinzu kommen Vorwürfe, er sei mitverantwortlich für die Niederlage Özdemirs bei der Listenaufstellung.

Sollte Kuhn bei der Parteiratswahl scheitern, könnte ein aufstrebender Abgeordneter aus Baden-Württemberg der Profiteur sein. Zu den mindestens acht Bewerbern um die nach grünen Regeln sechs zu vergebenden männlichen Plätze gehört Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion.

Kampfkandidatur um Posten des Schatzmeisters

Der 36-Jährige wird der Parteilinken zugerechnet und begründet seine Kandidatur mit einer notwendigen "Erneuerung der Partei". Bislang gebe es zu wenige neue Gesichter in Vorstand und Parteirat. "Nicht alle fühlen sich von Leuten, die schon 20 Jahre in diesen Gremien sind, perfekt vertreten", sagt er. Seine Bewerbung richte sich "konkret gegen niemanden", versichert er, räumt aber ein, sie bringe Bewegung in die Wahl.

Für die dürfte auch eine andere Personalie sorgen: Um den Posten des Schatzmeisters kündigt sich eine spektakuläre Kampfkandidatur an. Gegen den seit zwölf Jahren amtierenden Dietmar Strehl tritt der hessische Schatzmeister Jochen Ruoff an, der seine Kandidatur mit schweren Vorwürfen verbindet. Unterstützt wird er dabei vom Bundesfinanzrat, in dem unter anderen die Schatzmeister der Länder vertreten sind. Dem Parteitag liegt ein Antrag vor, den Bundesvorstand zu beauftragen, den Haushaltsplan der Partei für das Jahr 2009 "politisch neu zu bewerten".

Die Kritiker warnen davor, dass nach dem Entwurf des Parteihaushalts bis Ende 2009 "unabsehbare Finanzlöcher" entstehen könnten. Die Einnahmen der Bundespartei seien an vielen Stellen zu hoch prognostiziert. So dürfte "die Spendenbereitschaft aufgrund der Finanzkrise deutlich zurückgehen". Auch die staatlichen Zuschüsse seien zu optimistisch kalkuliert. Jochen Ruoff hält "ein Defizit von mehreren hunderttausend Euro am Ende des Wahljahres 2009" für möglich.

Einige Landesverbände kritisieren seit längerem, dass die Bundespartei sorglos mit Geld umgeht. So habe die Partei in den vergangenen zehn Jahren zusätzliche Unterstützung in Höhe von fünf Millionen Euro aus Landes- und Kreisverbänden erhalten, doch "diese immense Finanzspritze verpuffte weitgehend wirkungslos", moniert der Finanzrat. Der Bundesverband der Grünen habe überdies höhere Kredite aufgenommen als genehmigt. Strehl beteuert, die Finanzen seien solide. Abenteuerlich sei es, kurz vor dem Wahljahr "eine Debatte um den Haushalt anzuzetteln".

Ebenfalls von den Hessen musste der designierte Spitzenkandidat Trittin Schelte hören. Sie sind verärgert darüber, dass Trittin eine Koalition mit dem CDU-Mann Roland Koch von Berlin aus kategorisch ausschließt. Dennoch sind Trittin und Künast als Spitzenkandidaten unangefochten. Beide treten in einer gemeinsamen Abstimmung an. Wer mehr und wer weniger Unterstützer hat, soll also nicht ersichtlich sein. Sicher ist sicher.

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