Parteitag der AfD in Köln:Viel Einigkeit, wenig Randale

Proteste gegen Bundesparteitag der AfD

In Köln demonstrierten Zehntausende gegen den Bundesparteitag der AfD.

(Foto: dpa)
  • Über zehntausend Menschen demonstrierten gegen den Bundesparteitag der AfD in Köln, das waren weniger als erwartet. Die Proteste blieben weitgehend friedlich, nur vereinzelt gab es Ausschreitungen.
  • An den Demonstrationen beteiligten sich auch Musiker, Politiker und Kirchenvertreter. Sie kritisierten die Politik der AfD teils mit scharfen Worten.

Von Jan Bielicki, Köln

Nur wenige Fenster durchbrechen die steinerne Nordfassade des Kölner Hotels Maritim. Vom Heumarkt aus gesehen gleicht der Bau einer Festung, und an diesem Samstagmorgen kommt ihm tatsächlich kein Unbefugter nahe. Gleich mehrere Sperrringe hat Kölns Polizei um den Tagungsort des AfD gelegt, vor den Absperrungen versuchen meist junge Gegendemonstranten, Delegierte daran zu hindern, ins Hotel zu kommen. Es gelingt ihnen nicht. Sobald sie sich einem Ankommenden in den Weg stellen, kommen Polizisten angerannt, nehmen den Angegriffenen in die Mitte, und rempeln die Blockierer robust zur Seite. Es ist eine Sache von Sekunden, nichts, was den Beginn des Parteitags stören könnte. Den verhinderten Blockierern bleibt nur, den Ankommenden beleidigende Parolen hinterherzurufen: "AfD, Faschistenpack..."

4000 Beamte, zum Teil sogar aus Mecklenburg-Vorpommern herbeigefahren, hat die Kölner Polizei aufgeboten. Vor allem um zu verhindern, dass die Proteste gegen die Rechtspopulisten in Gewalt umschlagen. Tatsächlich bleibt es am Samstagmorgen friedlicher, als von den Behörden zunächst befürchtet. Im Nieselregen beteiligen sich nur wenige hundert Protestler an den Blockadeversuchen, zu denen das linke "Antifaschistische Aktionsbündnis Köln gegen Rechts" aufgerufen hat. Nur vereinzelt wird die Stimmung aggressiv, unten am Rhein zündet jemand ein Bengalo, an der Zufahrt zur Deutzer Brücke fliegen Kaffeebecher, die Polizei wird später auch von einigen Flaschen und Steinen berichten. Ein Beamter wird nach Polizeiangaben verletzt, als er einen Angreifer abwehrt, der mit einer Holzlatte auf einen AfD-Delegierten losgeht. Später ziehen einige tausend Demonstranten des Linksbündnisses unter lauten Punk-Rhythmen durch die Innenstadt. Am Rand des Zuges gehen die Drehtür einer Bank und eine Fensterscheibe einer Imbissfiliale zu Bruch.

Unter dem "Stätz vom Pääd", dem Pferdeschwanz des Reiterdenkmals des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm, versammeln sich inzwischen die Anhänger des anderen, deutlich breiteren Anti-AfD-Bündnisses "Köln stellt sich quer". Als die Sonne zwischen den Wolken herauskommt, sind es mehr als zehntausend. Nicht ganz so viele wie erwartet, der Großmonitor auf dem benachbarten Alter Markt wird nicht gebraucht. Aber der Protest zeigt seine Vielfalt: Inmitten von Gewerkschaftsfahnen halten auch CDU-Mitglieder ihre Plakate "für Demokratie, Toleranz, Vielfalt" in die Höhe. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir ist ebenso da wie Linken-Chefin Katja Kipping. Vorne auf der Bühne entrollen hohe Vertreter der christlichen Kirchen ein Transparent: "Unser Kreuz hat keine Haken". Der katholische Stadtdechant Robert Kleine empfiehlt den AfD-Anhängern "besser in die Bibel zu sehen: Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan".

Deutliche Worte von der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Besonders scharf aber greifen die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) an. "Wir setzen einen Kontrapunkt zur AfD da drüben", ruft Reker. "Erst gehen die Parolen spazieren, und dann die Messer! Ich weiß, was das heißt." Die Oberbürgermeisterin hatte kurz vor ihrem Amtsantritt das Messerattentat eines Rechtsextremisten schwer verletzt überlebt. Sie sei da, weil "drüben welche zusammenkommen", die den Grundgesetzartikel zur Würde des Menschen "nicht achten und sogar mit den Füßen treten", ruft Ministerpräsidentin Kraft in die Menge. "Hetzer, Ausgrenzer, Rassisten" nennt sie die im Hotel versammelten AfD-Delegierten: "Mit eurer Haltung seid ihr nicht willkommen in unserer Gesellschaft, in Köln, in Nordrhein-Westfalen". Und wie so oft bei solchen Anlässen singen die Stars der örtlichen Musikszene mit der Menge eine dieser Hymnen, mit denen sich Köln gern selbst feiert. "Unser Stammbaum" von den Bläck Fööss ist es diesmal. In dem Lied geht es darum, dass Kölner eine Mischung aus "ne stolze Römer", "ne Franzus" und "ne Pimock", kölsch für Flüchtling, seien.

Einer allerdings stellt sich der allzu großen Selbstzufriedenheit des guten Köln entgegen: "Ein Nazi unter uns? Ein Rassist? Nein?", fragt der Kölner Kabarettist Fatih Çevikkollu. Dann seien "wir ja alle einer Meinung. Das ist Selbstbefriedigung: Wir sind die Geilsten". Und von der Fassade des Brauhauses gegenüber des Tagungshotels hängt ein großes, rotes Banner: "Kein Kölsch für Nazis!"

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