Parteitag:CDU düpiert Merkel

Gegen den Willen der Führung beschließt der Parteitag, die doppelte Staatsbürgerschaft kippen zu wollen. Die Kanzlerin sagt, sie halte das für falsch und werde ihr "Regierungshandeln" nicht ändern.

Von Robert Roßmann, Essen

Die Delegierten des CDU-Bundesparteitags in Essen haben ihre Partei programmatisch nach rechts gerückt. Sie verabschiedeten am Mittwoch einen Leitantrag, in dem sie eine erhebliche Verschärfung der Flüchtlingspolitik verlangen. Unter anderem sollen Abschiebungen deutlich erleichtert werden. Die Delegierten forderten außerdem, die erst seit 2014 geltende Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft rückgängig zu machen. Der Parteitag stimmte für einen entsprechenden Antrag der Jungen Union. Demnach sollen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig wieder für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen.

Damit stellten sich die Delegierten gegen ihre Parteispitze, die für eine Ablehnung des Antrages eingetreten war. In der Debatte sprachen sich auch Innenminister Thomas de Maizière und Generalsekretär Peter Tauber eindringlich gegen den Antrag aus, aber die Delegierten folgten ihnen nicht. 51,5 Prozent stimmten für den Antrag der Jungen Union.

Damit desavouierte der Parteitag CDU-Chefin Angela Merkel. Diese hatte erst am Dienstag an die Delegierten appelliert: "Ihr müsst mir helfen." Nur einen Tag später sprachen sich die Delegierten in einem wichtigen Punkt gegen ihren Kurs aus. Nach Abschluss des Parteitages sagte Merkel dem Sender Phoenix, es komme vor, "dass Parteitage ihren eigenen Weg gehen". Sie halte den Beschluss zum Doppelpass aber persönlich für falsch und werde deshalb am "Regierungshandeln" nichts ändern. Die CDU sollte mit dem Thema auch nicht Wahlkampf machen, wie sie es früher einmal gemacht habe. Für Finanzstaatssekretär Jens Spahn war die Abstimmung dagegen ein Erfolg. Er hatte in der Debatte, obwohl er selbst Mitglied des Präsidiums ist, für den Antrag gesprochen und ihm damit vermutlich zu der knappen Mehrheit verholfen. Spahn gilt bereits seit Längerem als wichtigster Kritiker des moderaten Merkel-Kurses. Auf dem Bundesparteitag 2014 hatte er sich gegen den Willen der Parteispitze in einer Kampfkandidatur einen Platz im Präsidium erstritten.

Während die CSU die Beschlüsse des CDU-Parteitags erwartungsgemäß begrüßte, kam vom Koalitionspartner SPD heftige Kritik. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft wäre "ein riesiger Rückschritt für die Integration". Der Doppelpass helfe Menschen, die in Deutschland aufgewachsen und voll integriert seien. Menschen, deren Leben in Deutschland geprägt wurde, würden nicht länger gezwungen, "sich gegen die Wurzeln ihrer Familie zu entscheiden".

SPD-Chef Sigmar Gabriel und Heiko Maas machten klar, dass es mit ihrer Partei keine Änderung des geltenden Gesetzes geben werde. Der Justizminister sagte, die einzige Partei, mit der die Union "die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft umsetzen könnte, wäre die AfD". Auch die Opposition kritisierte den Parteitagsbeschluss heftig. Die CDU verlasse "gerade aus Angst vor der AfD den Kurs der Vernunft und des Anstands", sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter.

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