Parteitag:Appelle der Mäßigung

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Die AfD vermeidet in Riesa zu harte Attacken gegen die EU. Viele Delegierte sind froh über den Rückzug des Rechtsaußen Poggenburg.

Von Jens Schneider, Berlin

Ausgerechnet beim Thema EU sah sich Alexander Gauland schließlich gezwungen, zur Mäßigung aufzurufen. Am Sonntagvormittag hatte der Partei- und Fraktionschef der AfD auf dem Parteitag in Riesa die Debatte über das Programm für die Europawahl eröffnet. "Wir wollen bürgerliche Politik machen", sagte er, "vernünftige Politik mit Augenmaß." Gauland machte sich zwar den Zorn seiner Parteifreunde auf die Europäische Union zu eigen, nannte die EU "krank an Kopf und Gliedern". Aber er warnte vor "Eskapismus", die Partei dürfe keine unrealistischen Forderungen stellen: "Wir müssen die EU nicht abschaffen, sondern auf ihren sinnvollen Kern zurückführen." Er endete mit den Worten: "Begeben wir uns nicht auf einen Weg der Ungewissheit."

Gauland sollte nicht der Einzige bleiben, der von einer besonders drastischen Formulierung abriet. Im Entwurf der Programmkommission stand, dass man einen Austritt aus der EU wolle, wenn sie nicht innerhalb einer Legislaturperiode reformiert werden könne. Eine Forderung, die der bisherigen Linie widerspricht: "Wir treten nicht an, um die EU kaputtzumachen", hatte AfD-Spitzenkandidat und Parteichef Jörg Meuthen bei seiner Nominierung noch gesagt. Von einem Austritt als "letzter Option" sprach er nicht. Nun wollte es die Basis anders, am Ende einigte man sich auf eine abgeschwächte Formulierung: Sollte die EU nicht in "angemessener Zeit" umgebaut werden, sei der Austritt eine Option.

Die Delegierten hatten bereits seit Freitagmittag zusammengesessen. Doch inhaltliche Fragen hatten sie immer weiter aufschieben müssen, weil so viele Bewerber in das Europäische Parlament wollten. Zugleich forderte die Partei, das EU-Parlament abzuschaffen.

Die geplante neue Rechtspartei könnte die AfD in Ostdeutschland Stimmen kosten

Unterdessen hat der frühere Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, nach seinem Parteiaustritt seine Pläne für die Gründung einer neuen Partei deutlicher gemacht. Er will mit seiner Gruppierung "Aufbruch deutscher Patrioten" Wähler in Ostdeutschland ansprechen. Dort fühle sich manch Rechter in der AfD an den Rand gedrängt. In einem Aufruf heißt es, dass die AfD sich "allzu schnell dem Establishment angenähert" habe. Beklagt wird ein "Abdrängen wichtiger und verdienter Exponenten". Es gebe eine "Hysterie aufgrund der angedrohten Beobachtung durch den Verfassungsschutz". Gemeint sind Bemühungen der Parteispitze, die AfD für den Verfassungsschutz unangreifbar zu machen. Dazu gehört, auf radikale Äußerungen zu verzichten und zu äußerst rechten Bewegungen Distanz zu halten.

Die ostdeutschen Landesverbände gelten als besonders rechtslastig und wollen rechts von sich keine Konkurrenz entstehen lassen. So forcierten sie die Öffnung der AfD für die Dresdner Pegida-Bewegung - auch, wie aus dem AfD-Bundesvorstand zu hören ist, aus taktischen Überlegungen: In Sachsen sorgte sich die AfD, dass ihr eine Pegida-nahe Partei Wählerstimmen rauben könnte.

Genau hier könnte Poggenburgs Gründung ansetzen, trotz der Öffnungssignale der AfD in Richtung Pegida. Zu seinen Mitstreitern zählen offenbar auch einst einflussreiche Mitglieder der AfD Sachsens. Es sei "schade, dass sich auch teilweise verdiente AfD-Mitglieder haben mitreißen lassen", sagte der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban dazu. Die Neugründung sei "überflüssig und schädlich", auch wenn er ihr keine Chancen einräume.

Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass Poggenburgs Gründung in die Parlamente einzieht. Denn es gibt keine Anzeichen, dass sich prominente Partei-Rechte in der AfD Poggenburg anschließen. Während er zum Außenseiter wurde, besetzten andere Rechtsaußen herausragende Positionen. So ist Björn Höcke in Thüringen Spitzenkandidat. Er und Poggenburg galten lange als Vertraute, sie haben sich entfremdet. Als wichtigster Vertreter der Rechten gilt Andreas Kalbitz, Landeschef und Spitzenkandidat in Brandenburg, auch Mitglied im Bundesvorstand. Rechte Bewegungen bindet er ein. In Brandenburg hat die AfD den Kopf der fremdenfeindlichen Initiative "Zukunft Heimat" aus Cottbus, Christoph Berndt, hinter Kalbitz auf Platz zwei der Landesliste gesetzt.

Während die Partei-Rechte Abstand zu Poggenburg hält, sehen gemäßigte AfD-Politiker seinen Abschied als gutes Zeichen. "Endlich", twitterte Uwe Junge, AfD-Fraktionschef in Rheinland-Pfalz, "ich hoffe, er nimmt den ganzen Narrensaum und die selbsternannten Patrioten mit!" In Sachsen wird die Partei jedoch noch von anderer Seite bedrängt: Dort tritt die einstige Bundesvorsitzende Frauke Petry mit ihrer "Blauen Partei" an. Sie hat sich nach eigenen Aussagen ein Netzwerk von bürgerlichen Unterstützern aufgebaut.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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