Parteijubiläum:Der ausgeblendete SS-Faktor der FPÖ

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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache während seiner Rede im Palais Ferstel. (Foto: imago/Eibner Europa)
  • In Wien begeht die FPÖ ihr 60-jähriges Bestehen mit einem Festakt.
  • Dass die Gründungsriege von Alt-Nazis dominiert wurde, erwähnt der heutige Parteichef Strache nicht.
  • Der Rechtspopulist strebt nach dem österreichischen Bundeskanzleramt, sein Parteifreund Hofer könnte in wenigen Wochen Bundespräsident werden.

Von Oliver Das Gupta

Für das runde Jubiläum hat sich die FPÖ einen berühmten Ort ausgesucht. Im Wiener Palais Ferstel ist das Café Central untergebracht, in dem Leo Trotzki Schach spielte, der wunderbare Alfred Polgar Zeitungen studierte und für Zeitungen schrieb, und Sigmund Freud sicherlich den einen oder anderen interessanten Gedanken entwickelte.

Ob die Intellektuellen von damals große Sympathien für das FPÖ-Brimborium von heute gehabt hätten, darf bezweifelt werden. Denn im großen Saal in der oberen Etage kam die Prominenz der Freiheitlichen Partei zusammen, die in den vergangenen 60 Jahren viel gemacht hat, nur eines sicherlich nicht: sich ehrlich mit der eigenen, bräunlichen Vergangenheit zu befassen - und vielleicht sogar so etwas wie einen Trennstrich zu ziehen.

Die FPÖ tut es auch beim diesem Festakt nicht, obwohl sich gerade ein Jubiläum dafür anbietet. Parteichef Heinz Christian Strache preist den FPÖ-Bundespräsidentenkandidaten, attackiert die rot-schwarze Regierung. Strache fordert Entschuldigungen von den politischen Gegnern. Man solle sich dafür entschuldigen, "dass man die FPÖ als Hetzer diffamiert hat", klagt der Mann, der vor ein paar Wochen den sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann als "Staatsfeind" titulierte.

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Wenn Strache über die Vergangenheit spricht, dann geht es meist um Jörg Haider, Lichtgestalt und Spalter der Partei. Über die Generation der Parteigründer wird an diesem Abend nicht viel gesprochen. Auch ein dargebotener Film geht nicht näher auf die Wurzeln ein. Das verwundert kaum. Straches früheste Amtsvorgänger waren während der Nazi-Zeit vor allem eines: überzeugte wie aktive Nazis.

  • Anton Reinthaller, Parteigründer und erster Parteichef, betrieb 1938 den "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland mit. Mehrere Ämter hatte er im NS-Apparat inne, unter anderem Unterstaatssekretär im Reichsernährungsministerium. Reinthaller wurde von der SS zum Brigadeführer ehrenhalber erhoben, was einem Generalsrang entspricht (hier eine Tonaufnahme von 1938).
  • Friedrich Peter, Rheinthallers politischer Ziehsohn und sein Nachfolger als FPÖ-Obmann, fungierte im Zweiten Weltkrieg als Offizier in der SS. Seine Einheit war zeitweise Teil der "Einsatzgruppen", jener Killerkommandos, die hinter der Ostfront Hunderttausende Zivilisten ermordet haben (hier mehr). Ob Peter direkt an Verbrechen beteiligt war, ist unklar.
  • Nicht alle, aber nicht wenige frühere FPÖ-Funktionäre hatten eine NS-Vergangenheit. Manche zeigten kaum verhohlen, dass sie nicht mit der Vergangenheit gebrochen haben, wie etwa der ehemalige SA-Mann und bis zuletzt umtriebige Publizist Otto Scrinzi. Bei seinem Tod 2012 würdigte Strache den Rechtsextremisten als "tragende Säule" der Partei.

Scrinzi war wohl einer der letzten FPÖ-Kameraden der Gründungsgeneration. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren zunächst zwei deutschnationale Bewegungen entstanden, der Verband der Unabhängigen (VdU) und die Freiheitspartei. Dort tummelten sich viele Altnazis, die in den Volksparteien - der SPÖ und der christlich-sozialen ÖVP - nicht unterkommen durften oder wollten.

Am 17. Oktober 1955 einigten sich beide rechten Parteien auf den Zusammenschluss zur FPÖ. Der Gründungsparteitag wurde am 7. April 1956 abgehalten - darum feierte nun die Parteiprominenz.

Strache hat die Partei nach Haiders Abspaltung gerettet, und inzwischen ist sie populärer denn je. Er und andere Funktionäre leisten sich zwar in verblüffender Regelmäßigkeit Ausfälle, die man getrost als rechtsradikal bezeichnen kann (wie hier und hier und hier).

Aber das schadete der FPÖ nicht so, wie ihr die Flüchtlingskrise und das pomadig agierende rot-schwarze Regierungsbündnis nutzt. Die Regierungsparteien übernehmen teilweise Forderungen der FPÖ, in der Hoffnung, Wähler zu gewinnen oder zumindest zu halten. Doch diejenigen, die sich angesprochen fühlen, neigen bekanntlich stets zum Original. In Umfragen rangiert die FPÖ inzwischen an erster Stelle.

So haben sich die Österreicher an Ausländerfeindlichkeiten inzwischen auf fatale Weise gewöhnt. Die politische Mitte dünnt mehr und mehr aus. Das Land rutscht peu à peu nach rechts.

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Begonnen hat diese Entwicklung mit Jörg Haider. Er hat das innenpolitische Klima geprägt, wie der Kärntner agiert auch sein politischer Ziehsohn Strache: Schrill, aggressiv, weinerlich bei Kritik, stets um Coolness bemüht.

Inzwischen sieht Strache seine Partei als Kraft der Mitte, zumindest behauptet er das. Er hat den rechtsradikalen Kurs seiner Partei etwas gedimmt, antisemitische Untertöne führen neuerdings zum Rauswurf aus der FPÖ ( wie etwa nach diesem Vorfall).

Die Angstmache hat er in der Flüchtlingskrise eher noch verstärkt - und seiner Partei große Zuwächse beschert.

Am Höhepunkt der Macht

Aus FPÖ-Sicht läuft es also glänzend. Darum lässt Strache nicht nach in der Agitation gegen die angeblich drohende Islamisierung, gegen die Invasion der Fremden und all die möglichen Kriminellen.

Und die bräunliche Vergangenheit? Die FPÖ redet nicht von der Rolle der Altvorderen im Nationalsozialismus. Das deckt sich mit dem Interesse vieler Österreicher. Das Nachkriegs-Märchen, wonach das Land 1938 ein bloßes Opfer Adolf Hitlers gewesen sei, wirkt noch heute in vielen Köpfen nach.

Im 60. Jahr ihres Bestehens steht die FPÖ im bisherigen Höhepunkt ihrer Macht. Was in der Geschichte der Zweiten Republik lange undenkbar war, ist heute Realität: Vertreter des sogenannten Dritten Lagers haben tatsächlich Chancen, in höchste Staatsämter zu gelangen.

Strache lässt auch bei diesem Festakt keinen Zweifel daran, dass er Bundeskanzler der Republik Österreich werden will. Es klingt so, als ob Strache für dieses Ziel lieber das Land verändern möchte als seine Partei. Die FPÖ, "unsere Gesinnungsgemeinschaft", ruft Strache einmal bei seiner Rede im Palais Ferstel, stehe seit 60 Jahren für eines: "Nie aufgeben."

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