Parteienstreit:Getrennt im Kampf gegen den Antisemitismus

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Ein Beschluss aller Bundestagsparteien sollte ein Zeichen setzen. Doch ein Streit über die Israel-Politik der DDR bedroht das gemeinsame Ziel.

Daniel Brössler

Es sollte ein Zeichen der Demokraten werden. So hatten es sich Politiker aller Fraktionen überlegt. 70 Jahre nach der sogenannten Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 sollte der Bundestag einmütig beschließen, den Kampf gegen den Antisemitismus zu stärken und jüdisches Leben in Deutschland weiter zu fördern.

Jede Woche werden in Deutschland jüdische Einrichtungen geschändet. Hier ein Kindergarten in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

In von den Nazis organisierten antisemitischen Exzessen waren damals nahezu alle Synagogen Deutschlands zerstört, zahlreiche Geschäfte demoliert und geplündert sowie viele Friedhöfe geschändet worden; 30.000 Juden wurden festgenommen und gequält, Hunderte ermordet.

Rechtzeitig zum Jahrestag, das steht bereits fest, wird der geplante Bundestagsbeschluss nicht zustande kommen. Monatelang hatte eine kleine Gruppe von Abgeordneten aller Parteien über dem Antragstext gesessen - und sich schließlich über wesentliche Formulierungen zerstritten.

Eine absurde Kampfabstimmung

Nun besteht die Gefahr, dass sich die Parteien nicht auf einen gemeinsamen Text einigen können. "Es wäre geradezu absurd, wenn es in dieser Frage zu einer Kampfabstimmung im Plenum käme.

Das wäre dem historischen Thema nicht angemessen", klagt einer der Initiatoren, der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen, der auch als persönlicher Beauftragter des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus fungiert.

Entzündet hat sich der Streit an einer Formulierung über die DDR, welche die Union im Beschlusstext sehen möchte. Darin heißt es, es müsse daran "erinnert werden, dass Israel von der DDR nie anerkannt worden ist, jüdische Unternehmer in der DDR enteignet wurden und aus der DDR fliehen mussten, und die DDR wie 1973 unter Bruch des geltenden Kriegsvölkerrechts Waffen an Feinde des Staates Israel wie Syrien lieferte".

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau von der Linkspartei sieht darin den Versuch, ihre Partei aus der ursprünglich gemeinsamen Initiative herauszudrängen.

"Man muss und man kann sehr viel Kritisches zum Umgang der DDR mit Jüdinnen und Juden und auch mit dem Staat Israel sagen, und ich bin auch gerne bereit, dafür Formulierungen zu liefern", sagt sie, "aber eine so ahistorische Gleichsetzung, die zudem den Nationalsozialismus verharmlost, trage ich nicht mit."

Pau engagiert sich seit Jahren gegen Antisemitismus. Auf ihre Anfrage hin hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr von einer erheblichen Zunahme antisemitischer Straftaten berichtet.

So wird im Schnitt jede Woche in Deutschland ein jüdischer Friedhof geschändet. "Allein im zweiten Quartal 2008 wurden insgesamt 266 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet; darunter waren sieben Gewalttaten und 60 Propagandadelikte", heißt es im nun kontrovers diskutierten Entwurf des Beschlusses zum Kampf gegen Antisemitismus.

Nur ein gemeinsamer Beschluss macht Sinn

Nicht nur bei der Linkspartei, auch bei Grünen und SPD stößt die von der Union gewünschte Formulierung zur DDR auf Unverständnis. "Das kann man so nicht stehenlassen", moniert Weisskirchen. Juden seien in der DDR nicht enteignet worden, weil sie Juden waren.

Auch Juliane Wetzel von Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin hält die Formulierung für "historisch so nicht haltbar". Sinnvoll sei die Erklärung des Bundestags zudem nur "im überparteilichen Konsens".

Den möchte Weisskirchen nun unbedingt doch noch herstellen. "Es wäre das Schlimmste, wenn die politische Klasse in Deutschland in diesem Punkt nichts anderes produziert als einen ausweglosen Streit", warnt er.

Weisskirchen hofft zudem, dass es doch noch im Einvernehmen gelingt, die Stelle eines Bundesbeauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus einzurichten. Dieser soll einen regelmäßigen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland erarbeiten und als Ansprechpartner für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen.

Zwar war die CDU/CSU von Anfang an mit der Bundestagsabgeordneten Gitta Connemann im informellen Kreis der Abgeordneten vertreten, die an dem Entwurf gearbeitet haben.

Zuletzt aber hatte die Union Zweifel an der Notwendigkeit eines Beauftragten und Bedenken wegen der Beteiligung der Linkspartei. "Eine gewisse Überraschung kann ich nicht verbergen", sagt dazu der SPD-Mann Weisskirchen. Ein Konsens und ein Beschluss in diesem Jahr sei aber noch möglich.

© SZ vom 22.10.2008/lawe/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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