Parteienfinanzierung:Selbstbedienung oder existenzielle Investition?

Bundesverfassungsgericht verhandelt zu Parteienfinanzierung

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht eröffnet die mündliche Verhandlung über Oppositionsklagen gegen die Aufstockung der staatlichen Parteienfinanzierung.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt darüber, ob Union und SPD Parteien übertrieben hoch finanzieren wollen. Die SPD führt den teuren Kampf gegen Populisten an.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Peter Müller, Verfassungsrichter mit politischer Vergangenheit, spricht den entscheidenden Satz gleich zu Beginn der Anhörung aus: "Es könnte hier ein Fall einer Gesetzgebung in eigener Sache vorliegen", sagt der frühere saarländische Ministerpräsident am ersten von zwei Verhandlungstagen des Bundesverfassungsgerichts . Vor drei Jahren hatte die Regierungskoalition aus Union und SPD die Obergrenze der Parteienfinanzierung von rund 165 auf 190 Millionen Euro angehoben. Eine Premiere, erläutert Müller, denn erstmals in der Geschichte sei die Obergrenze nicht nur an die Preisentwicklung angeglichen, sondern darüber hinaus angehoben worden.

Und weil die Parlamentarier eben auch Parteimitglieder sind, entscheiden sie irgendwie auch über die eigenen Finanzen. Gesetzgebung in eigener Sache. Das ist zwar erlaubt, weil eben nur das Parlament Gesetze erlassen kann. "Aber dies könnte zu erhöhten Darlegungs- und Begründungspflichten führen", sagt Müller.

Das Verfassungsgericht verhandelt in der Karlsruher Messe, auf die es aus Pandemiegründen ausgewichen ist, über eine Normenkontrollklage der Fraktionen von Grünen, Linken und FDP gegen die Reform von 2018. Zudem hat die AfD-Fraktion Organklage erhoben, weil sie sich von dem in nur zehn Tagen durchgezogenen Gesetzgebungsverfahren überfahren und in ihren Oppositionsrechten verletzt sieht. Die Begründungspflichten, die Müller als federführender Berichterstatter erwähnt, dürften in dem Verfahren eine zentrale Rolle spielen. Jedenfalls sei die Begründung des Gesetzes "mehr als dürftig" ausgefallen, wie es Sophie Schönberger als juristische Vertreterin der Dreierklage ausdrückt.

Das Gesetz wurde schnell durchgepeitscht

Vor diesem Hintergrund will Dietmar Nietan, Bundesschatzmeister der SPD, den Eindruck zerstreuen, hier gehe es um einen Akt frivoler Selbstbedienung. Die SPD lege schon seit Jahren Geschäftsstellen zusammen und baue Personal ab. Dennoch wäre ohne eine Anhebung der Parteienfinanzierung die politische Handlungsfähigkeit der Partei eingeschränkt gewesen. Seit dem Aufstieg populistischer Kräfte führten die Parteien einen ungleichen Kampf, um in den Erregungsspiralen überhaupt noch wahrnehmbar zu sein. Dies habe zu kostenintensiven Investitionen in die analoge und die digitale Struktur geführt - um im Netz, aber auch im persönlichen Gespräch an der Meinungsbildung teilzunehmen.

Im Mittelpunkt des Verhandlungsauftakts steht aber die Klage der AfD. Weil die anderen Fraktionen einen gemeinsamen Antrag mit ihr ablehnten, konnte sie nur noch eine Organklage erheben. Anders als bei der Normenkontrolle lässt sich damit nicht ein Gesetz insgesamt überprüfen, sondern allein die Frage, ob Rechte der Fraktion verletzt sind. Zwar wurde das Gesetz in der Tat auffallend hastig durchgepeitscht, aber eben unter Einhaltung aller Fristen.

"Ist da noch Raum für eine Verletzung von Verfahrensrechten einzelner Organe des Bundestags?", fragt Müller. "Ist doch alles so gelaufen, wie es die Verfassung vorsieht."

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