Urteil des Bundesverfassungsgerichts:Weniger Geld für die Parteien

Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die staatliche Finanzierung der Parteien müsse auf das "unerlässliche Maß" beschränkt sein, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König (Mitte).

Die staatliche Finanzierung der Parteien müsse auf das "unerlässliche Maß" beschränkt sein, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König (Mitte).

(Foto: Uli Deck/dpa)

SPD und Union erleiden in Karlsruhe eine Niederlage, wollen jetzt aber in einem neuen Anlauf versuchen, die staatliche Finanzierung zu erhöhen.

Von Georg Ismar, Oliver Klasen und Robert Roßmann, München/Berlin

Das Bundesverfassungsgericht hat die 2018 von der großen Koalition beschlossene Aufstockung der staatlichen Parteienfinanzierung für nichtig erklärt. Die Richter in Karlsruhe gaben den Fraktionen von Grünen, FDP und Linken recht, die gemeinsam Klage eingereicht hatten. Die separate Klage der AfD-Fraktion, die sich in ihren Rechten beschränkt sah, lehnte das Gericht als formal unzulässig ab.

Um 25 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro im Jahr hatte die damals regierende Koalition die Obergrenze heraufgesetzt. Weil die Summe jedes Jahr entsprechend einem Preisindex angepasst wird, beträgt sie inzwischen mehr als 200 Millionen Euro. Anspruch auf staatliche Zahlungen haben Parteien, die bei Bundestags- und Europawahlen mindestens 0,5 Prozent und bei Landtagswahlen ein Prozent der Stimmen erhalten haben.

Union und SPD argumentierten damals, dass wegen der Digitalisierung mehr Geld nötig sei, etwa weil Parteien "Fake News" entgegentreten, Hackerattacken abwenden oder Angestellte im Umgang mit Social Media schulen müssen. Grüne, Linke und FDP befürchteten, durch die Aufstockung könne der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität entstehen. Dieses Argument hat auch Karlsruhe aufgegriffen.

Die staatliche Finanzierung der Parteien müsse auf das "unerlässliche Maß" beschränkt sein, und der Gesetzgeber müsse die Akzeptanz der Bevölkerung für das System im Blick behalten, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König. Der Gesetzgeber habe nicht ausreichend dargelegt, warum die Aufstockung genau in der beschlossenen Höhe erforderlich sei. Unklar ist noch, ob die Parteien zu viel gezahlte Unterstützung zurückzahlen müssen. Die Entscheidung darüber liegt in den Händen der Bundestagsverwaltung.

SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan sieht die Begründung für die Mehrkosten weiter als gegeben an. Durch die Corona-Pandemie habe sich die Parteiarbeit verändert. Veranstaltungen kosteten bis zu 70 Prozent mehr - da viele Mitglieder weiterhin hybride Formate wollten, also eine Präsenz vor Ort oder die Zuschaltung via Internet - so könnten zugleich mehr Mitglieder partizipieren. Der IT-Anteil an den Kosten der Bundes-SPD sei von 12 auf etwa 28 Prozent gestiegen, durch mehr Videokonferenzen und Datenschutzkosten.

"Wir sehen in der Urteilsbegründung eine Chance, die handwerklichen Fehler bei der Reform des Parteiengesetzes zu reparieren", sagte Nietan der Süddeutschen Zeitung. Denn inhaltlich habe das Bundesverfassungsgericht die besondere Rolle der Parteien in einer Demokratie hervorgehoben und anerkannt, dass die Digitalisierung die Parteien finanziell fordere und sich eine Anhebung der Obergrenze durchaus begründen lasse. "Ich sehe in dem Urteil den Auftrag an den Gesetzgeber, das Parteiengesetz zu überarbeiten und dabei transparent, nachvollziehbar und quantifizierbar die Kostensteigerungen bei einer Anhebung der absoluten Obergrenze darzulegen."

Auch die Generalsekretäre von CDU und CSU, Mario Czaja und Martin Huber, betonten, das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass die Obergrenze angehoben werden dürfe. Und es habe festgestellt, dass die vorgetragenen Gründe, insbesondere die Auswirkungen der Digitalisierung, grundsätzlich ausreichten, um eine solche Anhebung zu begründen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, dass Karlsruhe "sehr deutlich" darauf hingewiesen habe, dass es für die Parteien einen Mehrbedarf gebe. Er kündigte deshalb Gespräche mit den anderen Bundestagsfraktionen an. "Wir setzen uns an einen Tisch und werden die Dinge betrachten."

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