Parteien zur Wahl in Schleswig-Holstein:Wenn der Zweitstärkste an die Macht will

Die SPD in Schleswig-Holstein rüstet sich für die Regierungsbildung, obwohl die CDU stärkste Partei geworden ist. Die FDP verliert deutlich, feiert aber ihr Ergebnis. Für alle gilt die Devise "nach der Wahl ist vor der Wahl": Die Parteien sehen in ihrem Abschneiden in Kiel vor allem ein Signal für den anstehenden Urnengang in NRW.

Die CDU hat die Wahl gewonnen, aber Stimmen verloren. Die SPD liegt fast gleichauf. Die Grünen gewinnen Stimmen. Die FPD verliert deutlich, freut sich aber trotzdem über ihren erneuten Einzug in den Landtag. Nach der Wahl in Schleswig-Holstein streben die Sozialdemokraten eine Regierungsbildung an. Die Parteien erhoffen sich von ihrem guten Abschneiden Rückenwind für die anstehende Wahl in Nordrhein-Westfalen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel betont nach der Landtagswahl den Führungsanspruch seiner Partei. Die CDU habe keinen Partner für eine Regierung, sagte Gabriel im Deutschlandfunk. Nun gebe es Gespräche für eine Koalition aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Ein solches Bündnis, die sogenannte Dänen-Ampel, habe im Gegensatz zur schwarz-gelben Vorgängerregierung zwar nur eine Stimme Mehrheit, entspreche aber der Verfassung, betonte der SPD-Vorsitzende.

Die CDU dringt wegen der knappen Mehrheit für ein Bündnis aus SPD, Grünen und dänischer Minderheit in Schleswig-Holstein allerdings weiter auf die Bildung einer großen Koalition in dem nördlichen Bundesland. Es sei fraglich, ob in einer solchen Dreierkonstellation mit nur einer Stimme Mehrheit erfolgreich regiert werden könne, sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) dem RBB-Inforadio. "Und deshalb sage ich, es sollten sich alle nochmal prüfen", fügte Altmaier hinzu. Gegen die Union sei "keine stabile Regierungsbildung möglich".

"Wir haben in einem sehr starken Schlussspurt deutlich gemacht, dass wir die Nase vorn haben. Knapp zwar, aber vorn", betonte CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager in Berlin vor einer Sitzung der Parteispitze. "Wir sagen, dass damit auch der Auftrag einhergeht, eine Regierung zu bilden. Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen."

Das Wahlergebnis sei "etwas unübersichtlich", sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Zu möglichen Koalitionsgesprächen von SPD, Grünen und SSW sagte der CDU-Politiker: "Eine rechnerische Tragfähigkeit eines Bündnisses ist noch keine inhaltliche Tragfähigkeit. Wir werden abwarten, ob die drei Parteien ein Bündnis zusammenbekommen."

Schleswig-Holsteins SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner hält die Finanzpolitik für einen Knackpunkt möglicher Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). "Das wird sicher ein schwieriger Teil werden", sagte Stegner der Nachrichtenagentur dapd in Kiel. Generell zeigte sich Stegner aber optimistisch. "Die politische Basis an Gemeinsamkeiten ist mit den Grünen und dem SSW sehr viel höher als mit irgendeiner anderen Partei."

Grünen-Chefin Claudia Roth blickt möglichen Koalitionsgesprächen mit SPD und dem SSW zuversichtlich entgegen. Sie setze auf die "Dänen-Ampel", bevorzuge aber eigentlich die Bezeichnung "Schleswig-Holstein-Ampel", sagte sie der Nachrichtenagentur dapd. "Die Zusammenarbeit mit dem SSW war in der Opposition stets gut. Warum soll das nicht auch in einer gemeinsamen Regierung klappen?"

FDP sieht sich im Aufwind

In dem historisch guten Wahlergebnis ihrer Partei in Schleswig-Holstein sieht Roth ein deutliches Signal für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai. "Das gibt Sylvia Löhrmann und den Grünen dort einen Schub", sagte die Parteichefin.

Auch die FDP erhofft sich von ihrem unerwartet guten Abschneiden in dem Bundesland Aufwind für NRW. "Wir haben der Partei mit dem wunderbaren Erfolg eine richtig tolle Steilvorlage für Nordrhein-Westfalen gegeben", sagte FDP-Landeschef Heiner Garg in Kiel. Er zweifle nicht an einem guten Abschneiden der von Christian Lindner geführten Liberalen bei der NRW-Wahl am 13. Mai. "Es ist dann aber an der Bundespartei, etwas aus diesen Erfolgen zu machen", sagte Garg weiter.

Der stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Christopher Vogt wies derweil Spekulationen um eine baldige Ablösung Philipp Röslers an der Spitze der Liberalen zurück. Er sehe dafür keinen Grund, sagte Vogt in Kiel. "Das Gerede um eine Ablösung Röslers ist völlig gaga", fügte er hinzu. Den Wahlerfolg ihrer Partei in Schleswig-Holstein schrieben beide Landespolitiker vor allem Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki zu. "Kubicki polarisiert. Er hat Ecken und Kanten. So etwas brauchen wir in der Politik", sagte Vogt.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wies Gerüchte um einen anstehenden Putsch bei den Liberalen zurück. "Es stehen keine Personaldebatten an. Ich halte das für aufgesetzt", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Zu Berichten, er selbst solle FDP-Parteichef Philipp Rösler ablösen, sagte Brüderle: "Die Frage stellt sich überhaupt nicht."

Auch die Union freut sich derweil über das Abschneiden der zuletzt schwächelnden Liberalen. "Es trägt zur Stabilisierung bei", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder vor Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. "Eine Partei, die nicht ständig sich Sorgen um die Existenz machen muss, ist doch viel ruhiger und kann viel besser arbeiten".

Die CDU im Norden habe Platz eins erreicht. Dies zeige, dass die Partei in schwierigen Zeiten Wahlen gewinnen könne. "Das gibt auch einen Schub für Nordrhein-Westfalen", sagte Kauder. "Die Botschaft heißt auch: Es gibt keine Mehrheiten für Rot-Grün."

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