CDU und CSU:Warum der Union die Spaltung droht

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Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag. Ihre Entscheidung in der Flüchtlingspolitik kann nur falsch sein, schreibt Detlef Esslinger. (Foto: AFP)

Angela Merkel hat in der Flüchtlingspolitk die Wahl zwischen einer falschen und einer falschen Entscheidung: Entweder sie ringt sich zu einer Obergrenze durch. Oder sie bleibt bei ihrer Linie - und riskiert, dass sich die Union spaltet.

Von Detlef Esslinger

Angela Merkel befindet sich in einer Lage, in der ein Vergleich mit ihrem Vorgänger Gerhard Schröder lohnt. Sie besteht auf ihrer Flüchtlingspolitik und will sie gegen den Protest eines großen Teils ihrer bisherigen Anhängerschaft durchsetzen. Es ist eine Politik, die sie in ihrem Innersten für alternativlos hält; auch wenn sie den Ausdruck ganz bestimmt nicht mehr verwenden würde.

Gerhard Schröder bestand vor zwölf Jahren auf der "Agenda 2010", seiner neuen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Er war davon so überzeugt, dass keine Demo, keine Umfrage, keine Landtagswahl ihn davon abbringen konnte. Eine Folge war, dass sich die SPD und ihre Anhängerschaft nach 2003 spaltete: in einen treuen Teil, in eine zu den Nichtwählern wechselnde Gruppe sowie in jene, die nun bei der Linken ihre Heimat gefunden haben.

Union schwächelt - AfD profitiert

Eine Folge von Merkels Linie bei den Flüchtlingen ist, dass sich auch das Milieu von CDU und CSU zu spalten scheint. Darauf deutet der Trend bei der AfD hin. Im ZDF-Politbarometer kam sie am Freitag auf acht, im ARD-Deutschlandtrend auf neun Prozent. In manchen Umfragen ist die Union so schwach wie seit Jahren nicht mehr.

Sollte sich die AfD etablieren, wird diese Partei für die Demokratie belastend sein, im Unterschied zur Linken. Zwar stellt die weiterhin den Gnadenhof für etliche Halb- und Dreiviertelkommunisten. Aber in ihrem Kern ist sie heute eine demokratische Oppositionspartei - der halt nur außer Opposition nichts einfällt (zumindest im Bund nicht).

Niemand muss befürchten, dass sie sich zurück zu einer Art SED entwickeln könnte. Die Partei wird getragen von Menschen, deren Grundanliegen Solidarität ist; auch wenn ihr Verständnis davon oft arg wolkig daherkommt. Doch wenigstens ist Solidarität ein Wert an sich; wie jedes Ziel, das sich auf den einzelnen Menschen, das Individuum, bezieht.

AfD entwickelt sich zu einer extremistischen Partei

Die AfD hat keine solche Basis. Sie fußt nicht einmal auf Identität oder irgendeinem Kulturbegriff. Ob anfangs im Kampf gegen Euro-Rettungsschirme oder jetzt im Versuch, Flüchtlinge abzuwehren: Engherzigkeit ist noch das Beste, was sich ihr attestieren lässt.

Die AfD kämpft nicht fürs Individuum. Ihre Bezugspunkte sind vermeintlich bedrohliche Gruppen von Fremden (Griechen, Flüchtlinge, und so weiter). Sie entwickelt sich derzeit eher zu einer extremistischen als zu einer rechtspopulistischen Partei. "NPD light", dieses Etikett stammt von ihrem früheren Vize Hans-Olaf Henkel.

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Entscheidung in der Flüchtlingspolitik wird so oder so falsch sein

Sollte sich die AfD stabilisieren, hätte Merkels Flüchtlingspolitik Folgen für die gesamte Parteienlandschaft; anders als Schröders Agenda, die Folgen vor allem für die SPD hatte. Merkel steht vor einer Entscheidung, die so oder so falsch sein wird. Entweder sie ringt sich zu der Erkenntnis durch, dass es ohne eine wie auch immer definierte Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge nicht geht. Das würde wohl "Orbán light" bedeuten, im Winter zumal.

Oder sie setzt ihre Politik der Großherzigkeit fort und überfordert jene Landsleute, die mit der AfD noch nichts zu schaffen hatten, aber einen so hohen Zuzug von Menschen aus anderen Weltgegenden unter keinen Umständen wollen. In diesem Fall könnte der politische Diskurs weiter verrohen. Wie dann auf absehbare Zeit die Wahlen ausgehen, kann sich jeder selbst ausmalen.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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