Parteien:Tiere und Satire

Sie verfolgen nicht an erster Stelle die Ziele der etablierten Parteien wie soziale Gerechtigkeit oder Wirtschaftswachstum. Trotzdem könnten fünf Kleinparteien den Sprung ins EU-Parlament schaffen.

Von Thomas Jordan

Bei der Europawahl am Sonntag kandidieren in Deutschland 41 Parteien und politische Vereinigungen für den Einzug in das Europaparlament. Anders als bei Landtags- und Bundestagswahlen gibt es dafür keine Fünf-Prozent-Hürde der abgegebenen Stimmen. Für Kleinparteien erhöht sich damit die Chance, einen oder sogar mehrere Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg zu schicken.

Dennoch ist die Anzahl derer, die sich begründete Hoffnungen darauf machen können, begrenzt. Jeder EU-Mitgliedstaat hat ein Kontingent an Sitzen im EU-Parlament, das nicht überschritten werden darf. Um einen der 96 deutschen Sitze zu gewinnen, war bei der Wahl 2014 ein Wahlergebnis von 0,6 Prozent der Stimmen in Deutschland erforderlich, das entsprach 185 000 Stimmen. Wer darunter lag, hatte keine Chance auf eine Vertretung auf Europaebene. Diese Zahlen können auch bei der Europawahl 2019 zur Orientierung dienen.

Für viele Kleinparteien könnte die Wahl diesmal die letzte Gelegenheit sein, in das EU-Parlament einzuziehen. Im Februar dieses Jahres haben die EU-Staaten beschlossen, für größere Mitgliedsländer eine Sperrklausel einzuführen, die zwischen zwei und fünf Prozent der Wählerstimmen beträgt. Damit soll eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft im Parlament verhindert werden. Sie könnte bei den Europawahlen 2024 zum Einsatz kommen.

Ein Überblick über einige der wichtigsten politischen Gruppierungen, die bei der Europawahl 2019 eine Chance haben, Abgeordnete zu stellen:

"Volt" ist die jüngste der in Deutschland antretenden Kleinparteien, die sich entsprechende Hoffnungen machen können. Die Partei wurde 2017 unter anderem als pro-europäische Reaktion auf das Ergebnis der Brexit-Abstimmung der Briten gegründet. Ihre drei Gründer stammen aus Deutschland, Frankreich und Italien. Volt tritt im Unterschied zu anderen Parteien für das grenzüberschreitende Projekt Europäische Union auch mit einem länderübergreifenden Programm zur Europawahl an. Darin setzt die Partei sowohl auf eine Mindeststeuer für Unternehmen, als auch auf eine CO₂-Steuer, die in der gesamten EU gelten soll. Außerdem will Volt, deren Name neue Energie für Europa ausdrücken soll, die EU zum Marktführer im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) machen und die Rechte des EU-Parlaments stärken.

Bis zu zwölf Prozent könnten die Kleinparteien insgesamt erhalten, sagen die Umfragen

Von seinem Rederecht im EU-Parlament macht Martin Sonneborn bereits seit dem Jahr 2014 Gebrauch. Damals zog der Vorsitzende der Satirepartei "Die Partei" zum ersten Mal als Abgeordneter in die Institution ein. Nun könnte sich die Anzahl seiner satirischen Mitstreiter im Parlament erhöhen. Im Vergleich zum Ergebnis bei der letzten Wahl 2014 sagen Prognosen für "Die Partei" ein deutlich besseres Abschneiden voraus. Damit könnte neben Sonneborn auch der Kabarettist Nico Semsrott in das EU-Parlament einziehen. Mit zwei bis drei Prozent der Stimmen in Deutschland wäre die Satirepartei dann größer als ÖDP, Piratenpartei oder auch die Tierschutzpartei. Ein Grund für den Erfolg der Partei, die aktuelle politische Themen immer wieder sarkastisch kommentiert, ist ihre starke Präsenz in den sozialen Medien. Alleine Chefsatiriker Martin Sonneborn hat auf Facebook mehr als 200 000 Fans, der Zweitplatzierte auf der Liste, der Kabarettist Nico Semsrott, hat dort 130 000 Anhänger.

Ein vergleichbares Ergebnis wie bei der letzten Wahl sagen die Demoskopen für die Piratenpartei voraus. Mit prognostizierten 1 bis 1,5 Prozent könnte die Partei dann wieder einen Abgeordneten im EU-Parlament stellen, nachdem die bisherige deutsche Vertreterin der Piraten in Brüssel, Julia Reda, die Partei 2019 verlassen hatte. Auch die Piraten treten mit einem gemeinsamen europäischen Wahlprogramm an. War die Partei bei ihrer Gründung im Jahr 2006 als Vorkämpferin für freien Datenzugang im Internet in Erscheinung getreten, hat sich das Themenangebot inzwischen verbreitert. In ihrem Programm für die Europawahl wirbt die Partei neben mehr direkter Bürgerbeteiligung auch für eine gemeinsame Agrarpolitik in der EU und eine gesetzliche Regelung von Mitfahr-Apps, um die Verkehrsbelastung in großen Metropolen zu verringern.

Erste Ansätze, ihr thematisches Angebot zu verbreitern, zeigen sich auch bei der Tierschutzpartei. In ihrem Werbevideo für die Europawahl 2019 zeigt die Partei zu Beginn Plakate mit der sozialpolitischen Forderung nach Sicherung und Erhöhung des Rentensatzes. Im weiteren Verlauf geht es dann überwiegend um Maßnahmen gegen Tierquälerei, die Agrarindustrie und die Förderung des Artenschutzes. Aktuelle Umfragen sehen die Partei bei 1,5 Prozent.

Thematisch gibt es dabei Überschneidungen mit dem Wahlprogramm der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). So fordert die ÖDP, Tierrechte in die EU-Verträge aufzunehmen, und will die Überfischung und Vermüllung der Meere stoppen. Ihre Kampagne steht unter dem Motto "Weniger ist mehr" und setzt sich für nachhaltiges Wirtschaften und eine Reduzierung des ökonomischen Wachstumsstrebens ein. Bei dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" in Bayern, das von ÖDP-Vertretern mitinitiiert worden war, hat die Partei kürzlich gezeigt, dass sie mit ihren Themen eine große Zahl von Bürgern für den Gang zur Wahlurne motivieren kann. Mit möglichen drei bis vier Prozent für die ÖDP in ihrem Kerngebiet Bayern könnte es laut Wahlforschern auch diesmal wieder für einen Sitz im EU-Parlament reichen.

Kaum Hoffnungen auf eine politische Vertretung in Brüssel und Straßburg können sich dagegen Gruppierungen wie das Bündnis Grundeinkommen oder die Partei Die Humanisten machen, die aus der EU eine föderale Bundesrepublik machen wollen.

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