Parteien:Spender mit vielen Identitäten

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"Man kann das glauben oder nicht", sagt Rechtsanwalt Rainer Hamm (rechts) zu den fantastischen Geschichten seines Mandanten Werner Mauss. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

Die Christdemokraten in Rheinland-Pfalz erhielten Zehntausende Euro aus dem Umfeld des einstigen Geheimagenten Werner Mauss, eines Mannes mit vielen Tarnnamen und Pässen. Eine Spurensuche.

Von Frederik Obermaier, München

Seine zweite Karriere hat sich Werner Mauss sicher anders vorgestellt. Seine erste spielte sich weitgehend im Geheimen ab, er war als Agent für allerlei Bundesbehörden, Konzerne und Einzelpersonen tätig und dabei in diverse Skandale und Affären verwickelt. Die zweite Karriere des mittlerweile 76 Jahre alten Mauss spielt in aller Öffentlichkeit. So gab es jüngst immer wieder Berichte über dubiose Spenden an die CDU in Rheinland-Pfalz. Dies ist für die Partei äußerst unangenehm - das Krisenmanagement mit eilig einberufenen Pressekonferenzen wird von Beobachtern verwundert verfolgt. Außerdem steht Mauss seit September in Bochum wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Längst geht es nicht mehr nur um die Frage, ob er nun 15 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hat oder nicht. Vielmehr geht es darum, wer bis heute eine schützende Hand über diesen Mann hält.

Durch Recherchen von Süddeutscher Zeitung und NDR wurde Ende September öffentlich, dass aus dem Mauss-Umfeld zwischen 2008 und 2015 an die rheinland-pfälzische Landes-CDU sowie an den CDU-Kreisverband Cochem-Zell Geld gespendet wurde. Damals war von 82 000 Euro die Rede. Überwiesen hatte sie ein mit Mauss befreundeter Anwalt. Sein Anwalt betont, dass unter dem Namen "Werner Mauss" nie eine Spende an die CDU getätigt wurde.

Seit Donnerstag ist klar: die 82 000 Euro waren nicht alles. Sein Mandat hat nach Angaben seines Anwalts seit 1968 "regelmäßig" an die CDU gespendet. Allein zwischen 1999 und 2005 kamen der CDU auf diese Weise mehr als 44 000 Euro zu. Selbst für einen vermögenden Mann ist das kein Pappenstiel. Warum also spendete der Privatagent so viel Geld? Und warum tat er dies nicht unter seinem eigenen Namen? Ist er schlicht ein begeisterter Anhänger der CDU? Oder steckt mehr dahinter?

Die rheinland-pfälzische CDU erklärte am Donnerstag, Mauss sei jedenfalls kein Parteimitglied. Eine gewisse Nähe zur Union ist indes schwer zu übersehen: Die Vorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner, räumte ein, dass sie Mauss vor einigen Jahren einmal auf seinem luxuriösen Anwesen besucht habe. Außer ihr, dem heutigen Schatzmeister der rheinland-pfälzischen CDU, Peter Bleser, und Mauss selbst seien lediglich Mitarbeiter von dessen Reithalle anwesend gewesen. Eine Privataudienz also beim Geheimagenten? Wenig später gingen bei der CDU neue Spenden ein.

Bleser und Klöckner sind nicht die einzigen CDU-Politiker, deren Nähe Mauss suchte. Als dem Privatagenten 2007 eine Steuerprüfung drohte, wandte er sich an den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, der ihn wiederum an den damaligen nordrhein-westfälischen Finanzminister Helmut Linssen verwies. Und dann wäre da auch noch: Bernd Schmidbauer. Über viele Jahre galt der frühere CDU-Abgeordnete und Geheimdienstkoordinator als Intimus von Mauss.

Unklar ist die Rolle des CDU-Politikers Manfred Schnur. Hier geht es um die Frage, wie Mauss eine neue Identität erhielt. In einem Brief von 2011, den Mauss dem Landgericht Bochum vorgelegt hat, warb jedenfalls ein Kardinal bei Schnur dafür, Mauss mit einer neuen Identität auszustatten - was offenbar auch funktioniert hat. Schnur sagte dazu auf Anfrage, Mauss nur als Bürger zu kennen, wie er viele Bürger seines Landkreises kenne. Zur Frage der Identitätsausstattung ging er nicht ins Detail. Dazu muss man wissen: Schnur ist Landrat im Kreis Cochem-Zell und an den dortigen CDU-Kreisverband sollen jene Spenden gegangen sein, die am Donnerstag bekannt wurden.

Gesucht wird das Amt, das Mauss zuerst Papiere auf die diversen Tarnnamen ausstellte

Zwei Spenden bekam die CDU nach eigenen Angaben im Namen eines "Richard Nelson" - einem bekannten Alias-Namen von Mauss. Der Privatagent hantierte in den vergangenen Jahrzehnten mit allerlei Identitäten. Mal nannte er sich "Horst Faber" und "Dr. Lampe", ein andermal schlicht "Jacques" oder "Marlowe". Als "Otto John" verfolgte er Autodiebe, als "Herbert Rick" machte er seinen Flugschein. Unter dem Namen Möllner tauchte Mauss schließlich in den Panama Papers auf, jenen 2,6 Terabyte Daten über Briefkastenfirmen, die eine anonyme Quelle der SZ zugespielt hat. In dem Datenberg fanden sich die Kopien mehrerer Pässe: Einer davon ist offenbar bis heute gültig. Ausgestellt hat ihn die Verbandsgemeinde Simmern/Hunsrück.

Eigentlich bekommen solche echten Pässe auf falsche Namen nur Menschen im Zeugenschutz, Geheimdienstler und V-Leute. Mauss jedoch gehört offenkundig zu keiner dieser Gruppen. Nach Angaben der Regierung ist er seit spätestens 2000 nicht mehr für Bundesbehörden tätig. Neben seinem Möllner-Pass bekam Mauss aber indes zusätzlich offenbar noch 2001 einen Ausweis auf den Namen "Richard Nelson" ausgestellt, diesmal von der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde-Verwaltung Zell-Mosel (Kreis Cochem-Zell). Dort will man sich auf Anfrage nicht zu der Angelegenheit äußern.

Warum aber stellten mehrere rheinland-pfälzische Ämter - offenbar unabhängig voneinander - für Mauss echte Pässe auf falsche Namen aus? Seit dem Frühjahr läuft dazu beim Innenministerium Rheinland-Pfalz eine breit angelegte Untersuchung: Alle erdenklichen Bundesbehörden wurden angefragt, die Länder, auch etliche Gemeinden - in einigen Häusern jedoch sollen die entsprechenden Unterlagen nicht mehr auffindbar sein.

Wie zu hören ist, gehen die Beamten derzeit vor allem der Frage nach, welche Stelle Mauss zuerst Papiere auf die diversen Tarnnamen ausgestellt hat - um dann zu überprüfen, wer dafür gesorgt hat, dass diese später immer wieder verlängert wurden.

Der Bundesnachrichtendienst schrieb der Bundesregierung nach SZ-Informationen im Jahr 1997, dass 1981 ein Möllner-Pass ausgestellt worden war, und zwar von der Botschaft in Panama. Er wurde demnach auf Wunsch eines hochrangigen BKA-Mannes 1985 verlängert. In den Neunzigerjahren war angeblich noch einmal das Kanzleramt mit der Sache beschäftigt, wohl auch der BND, sowie der bayerische Verfassungsschutz. Danach allerdings verliert sich die Spur.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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