Nach der Wahl ist vor der Wahl: Vor allem FDP und CDU, die bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern herbe Verluste eingefahren haben, geben sich kämpferisch. Linkspartei und Grüne hoffen auf Rückenwind für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September.
Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler übernahm die Verantwortung für das katastrophale Wahlergebnis seiner Partei von nur 2,7 Prozent. Als Parteichef sei er für "alles verantwortlich", sagte er einen Tag nach dem Wahldebakel und kündigte an, der FDP wieder "langfristig eine Perspektive zu geben". Es gehe darum, die thematische Arbeit nicht nur auf kurzfristige tagespolitische Fragen zu beschränken. Die FDP müsse eine "Klammer" um ihre Themen setzen, auch um inhaltlich besser erkennbar zu werden. Rösler will bei der nächsten Vorstandssitzung Vorschläge unterbreiten - allerdings erst nach der Berlin-Wahl.
Dass seine Partei in Mecklenburg-Vorpommern klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, gibt dem Liberalen deutlich zu denken. "Es ist schon erschütternd, dass die rechtsradikale NPD doppelt so viele Stimmen erhalten hat wie die FDP", sagte Rösler. Zum wiederholten Male erklärte er die anhaltende Debatte über die politische Zukunft von Außenminister Guido Westerwelle für beendet. Es sei traurig, dass die Liberalen in den letzten zehn Tagen vor der Wahl durch Personaldiskussionen innerhalb der FDP "eine Chance auf Erfolg selber auch ein Stück weit zunichtegemacht haben".
Der liberale Generalsekretär Christian Lindner warnte seine Partei vor Resignation. Beim traditionellen Gillamoos-Volksfest in Niederbayern sagte er, die Liberalen dürften sich jetzt nicht "wegducken". Vielmehr gelte das Motto: "Steh auf, wenn du ein Liberaler bist."
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt nach den Wahlergebnissen auf entschiedenes Handeln der schwarz-gelben Bundesregierung. "Wir müssen unsere Arbeit machen", sagte die CDU-Vorsitzende. Streit untereinander sei dabei nicht hilfreich. "Das Allerwichtigste ist, dass wir in schwierigen Zeiten auch schwierige Probleme lösen." Dies gelte für die Euro-Schuldenkrise, zudem stünden zum Beispiel auch bei der Pflegeversicherung Entscheidungen an. "Wir haben alle Hände voll zu tun."
Die mageren 23,1 Prozent für die CDU und der Verlust von fast sechs Punkten sind Merkel zufolge mit "landesspezifischen Argumenten" zu erklären, etwa die Kreisgebietsreform, die insbesondere mit dem Landesinnenminister und CDU-Spitzenkandidaten Lorenz Caffier verbunden wurde. Außerdem habe man als Juniorpartner in einer großen Koalition ein "strukturelles Problem".
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, legte der SPD in Mecklenburg-Vorpommern eine Koalition mit der Linkspartei nahe. Wenn Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) seine Themen wirklich wichtig seien, dann müsse er Verhandlungen mit der Linkspartei aufnehmen, sagte Gysi. Die Verbesserung im Wahlergebnis im Nordosten wertete Gysi als Kehrtwende für seine Partei. Nach den Debatten um die Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst gebe das Ergebnis vom Sonntag der Linken einen "Schub". Gysi hofft auch für die Berlin-Wahl auf einen positiven Effekt. Rot-Rot habe viel erreicht in der Stadt.
Die Grünen-Spitze wertet das Resultat in Schwerin als historisch - die Partei ist nun in allen 16 Landtagen vertreten - und hofft auf Rückenwind für Berlin. Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer Steilvorlage für die anstehende Wahl in der Hauptstadt. Parteichefin Claudia Roth sagte, in der Hauptstadt sei noch nichts entschieden, viele Wähler hätten sich noch nicht festgelegt: "In Berlin gibt es eine Wechselstimmung." In der jüngsten Umfrage liegen die Grünen dort auf dem dritten Platz hinter SPD und CDU.
Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hatte die SPD mit 35,7 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Während die regierenden Sozialdemokraten deutlich zulegten, musste die CDU Verluste hinnehmen und kam nur noch auf 23,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,4 Prozent und war damit um fast acht Punkte niedriger als 2006.