Parteien - Lommatzsch:AfD-Bundeskonvent: Diskussion um "Causa Kalbitz"

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Lommatzsch (dpa) - Beim Bundeskonvent der AfD im beschaulichen Lommatzsch in Sachsen drehen sich die Gespräche und Diskussionen vor allem um einen: Co-Parteichef Jörg Meuthen. Er muss sich im AfD-internen Machtkampf um den Rauswurf von Andreas Kalbitz zahlreichen Fragen seiner Kritiker stellen. Zudem geht es erneut um fragwürdige Wahlkampfhilfen aus dem Jahr 2016, neue Dokumente belasten Meuthen bei diesem Thema. Der Druck auf den 58-Jährigen wächst - doch noch sind die Unterstützer in der Überzahl.

Denn ein Antrag, in dem Meuthen "unverantwortliche Spaltungsversuche" vorgeworfen und personelle Konsequenzen gefordert wurden, fand keine Mehrheit. Nach Angaben aus Parteikreisen stimmten 27 Delegierte dagegen, 23 dafür. "Das bestätigt genau das, was ich die ganze Zeit sage: dass für den Kurs, den ich in der Partei vertrete, eine Mehrheit besteht", sagte Meuthen. Gleichzeitig betonte er, dass "nichts von dem, was ich getan habe, je in der Absicht geschehen ist, destruktiv oder zersetzend zu arbeiten." Es ist zumindest ein Etappensieg für den 58-Jährigen im kleinen Lommatzsch.

Es hätten mehrere Anträge erkennen lassen, "dass es ein Stück weit gegen Meuthen" ging, sagte AfD-Bundesvorstandsmitglied Carsten Hütter am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Die Delegierten hätten "lange und hart" in der Sache diskutiert. Dennoch sieht Hütter den Co-Chef gestärkt aus dem Konvent hervorgehen. Auch viele Kritiker hätten Meuthen nach den mehrstündigen Diskussionen Respekt gezollt, "weil er den Mut hatte, offen Rede und Antwort zu stehen."

Meuthen steht seit einiger Zeit parteiintern in der Kritik - unter anderem wegen des Rauswurfs des Brandenburger AfD-Landeschefs Kalbitz. Der Ausschluss sei eine "unbequeme Maßnahme" gewesen, die man aber habe ergreifen müsse, verteidigte sich Meuthen am Samstag. "Wir haben Erkenntnisse, dass Kalbitz eine verfestigte rechtsextreme Vergangenheit hat, von der er sich nie distanziert hat".

Kalbitz war einer der Wortführer des rechtsnationalen "Flügels" um den Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Weil das Landgericht Berlin die Aufhebung der Mitgliedschaft für unzulässig erklärte, darf er vorerst in der Partei bleiben. Nun muss das AfD-Bundesschiedsgerichts darüber befinden.

Man habe auf dem Konvent ausführlich über die "Causa Kalbitz" gesprochen, erklärte Meuthen. Es gebe in der AfD eine "vitale Streitkultur", deswegen müsse man aber keine Spaltung an die Wand malen. "Ich versuche - und mit mir die Mehrheit des Bundesvorstandes - die Partei zusammenzuhalten", betonte er.

Vorwürfe kamen hingegen vom AfD-Ehrenvorsitzenden und Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, der sich im "Spiegel" äußerte: Seitdem Meuthen gegen Kalbitz vorgegangen sei, beobachte er "mit Sorge regelrechte Zersetzungstendenzen in der Partei". Auch Höcke kritisierte Meuthen: "Zum dritten Mal in unserer sehr jungen Parteigeschichte will also einer unserer Bundessprecher Teile der Partei mundtot machen oder sogar aus der Partei drängen", schrieb Höcke am Freitagabend bei Facebook und spielte damit auf Meuthens Vorgänger Frauke Petry und Bernd Lucke an. Auch AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte gegen eine Aberkennung von Kalbitz Mitgliedschaft gestimmt.

Meuthen räumte unterschiedliche Ansichten im Bundesvorstand ein. "Wir sind eine Partei des Meinungspluralismus". Auch wenn es in der Personalie Kalbitz einen "Dissenz" gebe, würden die meisten Entscheidungen des Bundesvorstands aber nach wie vor einstimmig gefällt. "Auch jetzt in dieser kritischen Phase."

Am Abend schließlich demonstrierte die Parteispitze bewusst Einigkeit, als sie nach den mehrstündigen Diskussionen vor die Kameras und Mikrofone trat: "Wir haben kontrovers diskutiert, kontrovers gestritten, wie es sich gehört für eine demokratische Partei", sagte Chrupalla. "Wir sind eine AfD, es gibt keine Spaltung", betonte er.

Mehrere Delegierte hatten sich auf dem Konvent optimistisch gezeigt, den seit Wochen schwelenden Streit um die Ausrichtung der Partei beilegen zu können. "Ich glaube nicht, dass es zu einer Spaltung kommt", sagte etwa der sächsische Landtagsabgeordnete Joachim Keiler. Gleichwohl räumte Keiler ein, dass der Streit der vergangenen Wochen nicht zu einer Verbesserung von Meuthens Position geführt habe.

Meuthen äußerte sich auch zu Vorwürfen gegen ihn im Zusammenhang mit der Wahlkampffinanzierung 2016. Nach Angaben des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) und des "Spiegel" soll dem damaligen Wahlkampfmanager Meuthen bewusst gewesen sein, dass die Unterstützung durch die Schweizer Werbeagentur Goal AG rechtlich zweifelhaft war. Er sei gebeten worden, die Geschichte, "nicht an die große Glocke zu hängen", wird Meuthen in einem belastenden Dokument zitiert. Dieser wiegelte vor Journalisten auf dem Bundeskonvent ab: "Ich erinnere mich in keiner Weise, solche Äußerungen getätigt zu haben."

Zunächst war der AfD-Bundeskonvent abgesagt worden. Das Hotel, in dem die Veranstaltung ursprünglich stattfinden sollte, hatte nach einem nächtlichen Angriff, bei dem Scheiben zu Bruch gingen, die Veranstaltung abgesagt. Im letzten Augenblick wurde die Veranstaltung dann nach Lommatzsch verlegt.

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