Parteien im Netz (7): NPD:Geranien und Germanien

Propaganda auf der Heimatseite: Anglizismen lehnt die NPD ab, das Potential des Internets dagegen hat die Partei längst entdeckt - auch wenn bei manchem Clip Riefenstahl im Grab rotieren würde.

Kathrin Haimerl

Szene: Ein Paar in einer Plattenbauwohnung beim Packen. Im Hintergrund: Eine Gruppe singt eine Art Volkslied. Schnitt. Bilder der Heimat sind zu sehen. Ein Mann streicht seine Wohnung. Ein anderer packt einen Fisch ein. Dann setzt der Gesang aus. Schnitt zu Udo Pastörs, der gewohnt hölzern in die heimelige Atmosphäre spricht: "Nicht in der Fremde, sondern hier ... in Mecklenburg und Pommern ... wollen wir Zukunft gestalten."

Parteien im Netz (7): NPD: Ein biederer Pastörs ruft zur Rettung der Heimat auf.

Ein biederer Pastörs ruft zur Rettung der Heimat auf.

(Foto: Screenshot: www.npd-fraktion-mv.de)

Das Paar packt gehorsam wieder aus. Im Hintergrund ertönt: "Komm pack aaaaahan, komm pack ..." Die Frau schüttelt ihren Zopf, hält den Mann ab, den Koffer zu schließen. Und am Ende präsentiert sich uns Pastörs ganz zahm vor einer grünen Tür mit einem Topf roter Geranien. Wie schön.

Es ist der Wahlwerbespot des NPD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2006 - und er ist objektiv betrachtet wohl der bislang erfolgreichste Clip der Partei. In Mecklenburg-Vorpommern fuhr die rechtsextreme Partei 7,3 Prozent ein, das zweitbeste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit der Wiedervereinigung. Ob's am Werbespot lag, sei dahingestellt.

Fakt aber ist, dass die NPD in Mecklenburg-Vorpommern einen modernen Wahlkampf führte. Und dabei auch das Potential des Internets gezielt einsetzte: So etwa die Spots prominent auf der Parteiseite platzierte, dort Werbematerial zur Verfügung stellte und sich nach außen hin als brave, arbeitende "Inländerfreunde" zu inszenieren, um sich so vom Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit zu distanzieren.

Das Neuartige daran: Bislang setzte die Partei im Wahlkampf auf Wut, Protest und Angst. Mit dem Pastörs-Video beweist sie, dass sie ihre Botschaften mittlerweile auch in positive Bilder fassen kann.

Die NPD war eine der ersten kleinen Parteien, die das Internet für sich entdeckten. Bei einer Pressekonferenz 1996 in München bezeichnete der Vorsitzende Udo Voigt "die verstärkte Nutzung des Kommunikationssystems Internet" als eines der politischen Hauptziele der Partei.

Wider die "Systempresse"

Das verwundert nicht weiter. Denn schließlich hat das Internet für die NPD entscheidende Vorteile: Es kostet nicht viel - und vernetzt die Anhänger untereinander. Das ist gerade seit der Öffnung der Partei hin zu den sogenannten freien Kräften besonders wichtig. Nach der Verbotswelle gegen neonazistische Vereinigungen hat sich diese lose Struktur der Organisation entwickelt. Mittels Foren im Netz lassen sich die Anhänger leicht koordinieren.

Ein weiteres Ziel, das die NPD über das Internet verfolgt, ist der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit. Denn das Netz erlaubt die ungefilterte Kommunikation mit der Zielgruppe. Das ist schon aufgrund der ablehnenden Haltung der NPD gegenüber der "Systempresse" - wie die Partei die etablierten Medien bezeichnet - wichtig.

Dazu setzt die NPD auch die eigene Parteiseite ein. Zwar ist diese zunehmend professioneller gestaltet. Mittlerweile hat auch fast jeder kleine Ortsverband seine eigene "Heimatseite" im Netz. Doch insgesamt ist die Homepage der Partei eher unspektakulär und sehr textlastig. Man nutzt die Seite vor allem, um aktuelle Nachrichten aufzugreifen, die man aus dem Blickwinkel der eigenen Ideologie kommentiert.

NPD-Pressesprecher Klaus Beier spricht vollmundig von bis zu fünfstelligen Zugriffszahlen zu Wahlkampfzeiten. Und in Zukunft solle mehr Bewegung auf die Seite kommen: Ihm schweben Videoprojekte vor, eine wöchentliche Ansprache des Parteichefs etwa - frei nach Merkels Kanzlerinnen-Podcast.

Einen Versuch, mit dieser Gegenöffentlichkeit ein breiteres Publikum zu erreichen, startete der NPD-Funktionär Marcel Wöll im Herbst 2006 - kurz nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Er produzierte Clips einer rechten Wochenschau: Am Anfang ist eine Weltkugel auf blauem Hintergrund zu sehen. Dann kommt Marcel Wöll als Sprecher in Anzug und Krawatte. Optik und Stil klaute der NPD-Mann von den "Tagesthemen".

Auf Seite zwei: Wie Neonazis Nachrichten produzieren.

Geranien und Germanien

Platt formuliert: Auch Neonazis können wissenschaftliche Untersuchungen lesen. Und darin stellt man regelmäßig fest, dass kaum ein anderes Format so viel Glaubwürdigkeit und Seriosität beim Konsumenten genießt wie diese öffentlich-rechtliche Nachrichtensendung.

Parteien im Netz (7): NPD: Marcel Wöll als Kopie des Nachrichtensprechers der "Tagesthemen".

Marcel Wöll als Kopie des Nachrichtensprechers der "Tagesthemen".

(Foto: Screenshot: Google Video)

Wöll versuchte, seine "Kritischen Nachrichten der Woche" mittels YouTube zu verbreiten. Doch das Portal reagierte schnell auf Proteste und negative Berichterstattung in den Medien - und nahm die ersten Folgen vom Netz. Inzwischen ist dort wieder eine Folge eingestellt - vom Juli 2008. Die ersten Folgen mit Wöll als Sprecher sind nach wie vor über Google Video abzurufen.

Mittlerweile haben die Volksfront-Medien zudem eine eigene Seite, die sich in der Szene etabliert hat. Hier erscheinen regelmäßig neue Clips, allerdings mit anderen Sprechern. Wöll sitzt derzeit wegen Volksverhetzung im Gefängnis: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der frühere NPD-Abgeordnete bei einer Haushaltsdebatte im Wetterauer Kreistag den Holocaust leugnete.

Die Volksfront-Medien gibt es also nach wie vor - wenn auch ohne Marcel Wöll. Auf der Homepage heißt es, Ziel sei es, ein "mediales Gegengewicht zur verlogenen und einseitigen Systempresse" zu schaffen. So weit, so gut. Nur: Dazu senden die Rechtsextremen im Stil und in der Optik der "Tagesthemen". Einer Sendung also, die in der Definition der Partei zur "Systempresse" gehört.

Wie die rechte Nachrichtensendung funktioniert

Dabei präsentieren die Macher in einer scheinbar seriösen Umgebung eine Mischung aus aktuellen Nachrichten und Pressemeldungen der NPD. In der Ausgabe vom September etwa schaffte es die NPD-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern gleich an die erste Stelle der Sendung - mit einer Infotour durch das Bundesland.

Die Sendung vom Juni 2008 startet mit einem Bericht über eine Massenschlägerei in Hamburg-Steilshoop: Zwischen rund 70 Personen war es Mitte Mai dort zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung gekommen. Die Mehrheit der Beteiligten sei "türkischer Herkunft" gewesen, heißt es dazu im Polizeibericht, die Hintergründe seien unklar.

Eine Steilvorlage für die Volksfront-Medien. Der Sprecher würzt den Bericht mit einem Zitat der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer: Diese Bürger seien "eine Bereicherung für uns alle". Noch ein Blick in die Kamera. Kein weiterer Kommentar. Den Schluss - so viel traut man den Konsumenten offenbar zu - soll der Zuschauer selbst ziehen.

Das Zitat stammt vom März 2008. Böhmer reagierte damit auf eine Umfrage, wonach sich mehr als die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken hierzulande unerwünscht fühlt. Die Integrationsbeauftragte hatte um mehr Vertrauen werben wollen.

Die "Kritischen Nachrichten der Woche" funktionieren folgendermaßen: Wie andere Medien auch wählen die Macher ihre Themen ganz bewusst - allerdings nach grundsätzlich anderen Kriterien: Ausländerkriminalität, EU-Kritik, aber auch Gewalttaten des vermeintlichen politischen Gegners stehen dabei hoch im Kurs. Es ist eine Mixtur aus Information, Interpretation, Omission. Teilweise werden Aspekte aus dem ursprünglichen Kontext genommen - und neu kombiniert. Heraus kommt eine Welt nach dem Wirklichkeitsbild der rechten Gesinnung.

Des Weiteren nutzen die Produzenten den Bürgerjournalismus nach dem Vorbild der Bild-Leserreporter: Die Nachrichtenbeiträge von außen kommen zum großen Teil von den Zuschauern selbst.

Auf Seite drei: Wie die NPD versuchte, mit Gartenzwergen zu werben.

Geranien und Germanien

Parteien im Netz (7): NPD: Werbespot der NPD zur Landtagswahl in Bayern: einheimische Firmen - jetzt in Polen. Genau wie die Druckerei der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme".

Werbespot der NPD zur Landtagswahl in Bayern: einheimische Firmen - jetzt in Polen. Genau wie die Druckerei der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme".

(Foto: Screenshot: YouTube)

Zwar will die NPD eine direkte Verbindung zu den Volksfront-Medien nicht bestätigen. Nur so viel: Man beobachte die Videoprojekte "mit Wohlwollen", sagt Pressesprecher Klaus Beier. Fakt aber ist, dass der ehemalige Anchorman der rechten Tagesschau, Marcel Wöll, bis 2007 Landesvorsitzender der Hessen-NPD war. Und unter den Videoprojekten findet man auf der Seite der Volksfront-Medien auch den aktuellen Wahlwerbespot der Bayern-NPD.

Szene: Eine traurige Männerstimme ertönt. NPD-Barde Jörg Hähnel singt "aaaahaha, sie treiben es zu weit". Dazu: Bilder einer zerbrochenen Fensterscheibe, von trostlosen Gebäuden, von einem Fabrikgelände. Ein Zettel klebt dran. "Jetzt in Polen" steht drauf. Schnitt. Eine Hand fährt ins Bild. Sie ballt sich zur Faust.

In dem Werbefilm thematisiert die Bayern-NPD unter anderem die Abwanderung von Firmen aus Deutschland. Das wiederum wirkt ungewollt komisch. Denn die NPD selbst ließ die Parteizeitung Deutsche Stimme zeitweise in Polen drucken.

Spots und Spötter

Im Vergleich zu dem Spot in Mecklenburg-Vorpommern ist dieses Video ein Rückschritt. Die NPD setzt erneut auf die Ängste des Wahlvolks.

Kritik kommt sogar aus den eigenen Reihen: "So will die Bayern-NPD in den Landtag?", fragt ein Beitrag in einem Forum der rechtsextremen Szene hämisch. Ein Nutzer bittet darum, die Wahlkampfwerbung doch nicht immer "mit dem Gesülz von Jörg Hähnel" zu verschandeln.

Fairerweise muss man sagen, dass der Clip im Vergleich zu den restlichen Videos der Bayern-NPD fast schon professionell wirkt. Doch gemessen am Wahlergebnis verfehlte der Spot sein Ziel: Die Partei kam bei der Landtagswahl im September auf 1,2 Prozent.

Mittlerweile ist die Haltung der NPD zum Internet einer gewissen Ernüchterung gewichen. Ihr Chefideologe Jürgen Gansel schreibt in einem Text auf der Parteiseite zwar, dass das Internet "ein entscheidendes Instrument der System-Veränderung" sein könnte. Allerdings warnt er vor der "Verblödung durch Unterhaltung".

Dem wiederum können sich selbst die Volksfront-Medien nicht entziehen. Für die Landtagswahl in Hessen produzierten sie ein Video, das für starke Irritation bei der eigenen Anhängerschaft sorgte.

Szene: Drei Gartenzwerge beim Graben. "Ohhhh ... Ahhhh ... Uhhhh ..." Die Reaktion der Zwerge auf die gefundenen Goldnuggets. Doch dann kommt der böse, große Mann und nimmt ihnen alles weg. Einsatz für Marcel Wöll, den schwarzen Ritter mit der NPD-Fahne, Rächer der Gartenzwerge. Er galoppiert auf den Mann zu, schlägt ihn in die Flucht, steigt herab zu den Zwergen und gibt ihnen ... ja was? Schaut man genau hin, so sieht man: Nichts. Und jetzt alle im Chor: "NPD - die Partei des kleinen Mannes."

Marcel Wöll kämpfte hart für die Ausstrahlung des "Zwergerl-Films". Denn der Hessische Rundfunk weigerte sich zunächst, den Spot zu senden. Und manch einer, der der NPD nahestand, war dem Sender dafür sogar dankbar. "Goebbels und Riefenstahl würden sich im Grab umdrehen", kommentierte dazu ein Nutzer in einem rechtsextremen Nachrichtenportal.

Der Hessische Rundfunk wurde am Ende gerichtlich verpflichtet, den Spot zu bringen. Und die NPD kam bei der Landtagswahl in Hessen auf schlappe 0,9 Prozent.

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