Parteien - Hamburg:Kein Heimspiel für Scholz: SPD-Kandidatentour in Hamburg

Hamburg (dpa/lno) - Bei der Vorstellung der Kandidaten um den SPD-Parteivorsitz hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz in seiner Heimatstadt Hamburg Gegenwind bekommen. Mitbewerber, die einen Ausstieg aus der großen Koalition oder ein Ende der schwarzen Null forderten, erhielten am Mittwochabend deutlich mehr Applaus von den über 1000 Besuchern der Regionalkonferenz als der frühere Bürgermeister, der sich gemeinsam mit der Brandenburger Landtagsabgeordneten Klara Geywitz um die Nachfolge von Andrea Nahles bewirbt.

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Hamburg (dpa/lno) - Bei der Vorstellung der Kandidaten um den SPD-Parteivorsitz hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz in seiner Heimatstadt Hamburg Gegenwind bekommen. Mitbewerber, die einen Ausstieg aus der großen Koalition oder ein Ende der schwarzen Null forderten, erhielten am Mittwochabend deutlich mehr Applaus von den über 1000 Besuchern der Regionalkonferenz als der frühere Bürgermeister, der sich gemeinsam mit der Brandenburger Landtagsabgeordneten Klara Geywitz um die Nachfolge von Andrea Nahles bewirbt.

Scholz verwies in seiner Vorstellungsrede auf die Erfolge der Hamburger Sozialdemokraten, die vor zehn Jahren auch auf schwierigem Posten gestanden, es dann aber doch durch Geschlossenheit zur absoluten Mehrheit in der Bürgerschaft gebracht hätten. Dies sei für die SPD auch angesichts der aktuellen Umfragewerte zu schaffen. "Liebe Genossinnen und Genossen, in dieser Partei steckt Kraft und Potenzial", sagte Scholz.

Dafür, dass die Sozialdemokratie in ganz Europa "nicht ihre besten Zeiten" habe, gebe es einen Grund. "Die Ursache ist, dass die Menschen unsicher sind, wie das 21. Jahrhundert wird", sagte Scholz. Die SPD müsse den Menschen diese Sicherheit zurückgeben. "Die SPD ist ein politisches Projekt, bei dem es darum geht, zusammenzuführen."

"Gute Programme haben wir viele, Wähler haben wir wenige", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der SPD im schleswig-holsteinischen Landtag, Ralf Stegner, der ohne seine Co-Kandidatin Gesine Schwan nach Hamburg gekommen war. Die SPD stehe für Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit und einen starken Sozialstaat. Dazu gehöre auch eine Vermögenssteuer, "und die schwarze Null sollten wir ruhig anderen Parteien überlassen".

Für die neue Führung der SPD brauche es Kandidaten, "die unabhängig sind von der Regierung und nicht Anhängsel davon", sagte Stegner mit Blick auf Scholz und erntete auch dafür viel Applaus von den gut 800 Besuchern im Saal; mehr als 200 weitere verfolgten die Vorstellung vor der Tür im Livestream.

Die SPD laufe Gefahr, eine ganze Wählergeneration zu verlieren, warnte der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. "Gegen uns protestieren auf der Straße unsere eigenen Kinder." Der Gesundheitsexperte, der sich mit seiner Abgeordnetenkollegin Nina Scheer um den Parteivorsitz bewirbt, forderte für eine gerechtere Gesellschaft, Hartz IV zu überkommen, sowie die Einführung einer Bürgerversicherung. Dabei müsse allen klar sein, "dass wir nichts, was wir wissen, was wir für richtig halten, jemals in einer großen Koalition werden umsetzen können". Deshalb wollten sie für links-grüne Bündnisse kämpfen, "die wir dann auch anführen können".

Die Verteilungsfrage müsse auch beim Klimaschutz im Mittelpunkt stehen, sagte die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken, die im Team mit dem früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans für den Parteivorsitz antritt. Dies sei aber mit der Union bei der CO2-Besteuerung nicht zu machen. "Die Groko baut keine Zukunft, die Groko hat keine Zukunft", sagte sie. Der Bus der Sozialdemokratie habe sich in der Vergangenheit "in die neoliberale Pampa" lenken lassen, konstatierte Walter-Borjans. "Was wir brauchen, sind neue Fahrer in dem Bus."

Auch das Duo Hilde Mattheis und Dierk Hirschel sieht die SPD in der Krise, "weil wir lange Jahre einem neoliberalen Mainstream gefolgt sind". Mattheis appellierte an die Parteibasis: "Lasst uns wieder mehr Staat statt Privat wagen."

Die SPD müsse eine gesamtdeutsche Partei sein, sagte die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping. "Ich möchte, dass die Sozialdemokratie in ganz Deutschland wieder stark wird." In Sachsen war die SPD bei den Landtagswahlen vor knapp drei Wochen auf 7,7 Prozent abgestürzt, während die rechtspopulistische AfD auf 27,5 Prozent kam. Köppings Co-Bewerber, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, verurteilte rechte Hetze im Netz. "Ich sage Euch, die Demokratie stirbt von unten, wenn wir da nicht einschreiten."

Die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christina Kampmann, die auf einem Ticket mit Europa-Staatsminister Michael Roth ins Willy-Brandt-Haus in Berlin einziehen will, forderte einen respektvollen Umgang in der Partei, auch von ehemaligen Führungsfiguren. "Wir haben etliche Ex-Vorsitzende, die immer alles besser wissen."

Hamburg war bereits die 13. Station bei dem seit Anfang des Monats laufenden Vorstellungsmarathon der sieben noch verbliebenen Kandidatenteams. Enden soll die Tour am 12. Oktober in München. Anschließend soll eine Mitgliederbefragung über die neue SPD-Spitze bestimmen. Das Ergebnis soll am 26. Oktober feststehen.

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