Süddeutsche Zeitung

Finanzierung der Politik:Bundesverfassungsgericht verhandelt über Parteienfinanzierung

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Die Regierung aus Union und SPD stimmte 2018 für eine Erhöhung der Parteienfinanzierung um satte 15 Prozent. Die Opposition hat dagegen geklagt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Am 15. Juni 2018, morgens um neun Uhr, fand im Deutschen Bundestag eine Debatte statt, die rein gar nichts mit der am Tag zuvor gestarteten Fußballweltmeisterschaft zu tun hatte. Behaupteten jedenfalls die Vertreter der Regierungskoalition. In Berlin ging es um das Thema Parteienfinanzierung, in Russland galt es, den Titel von 2014 zu verteidigen. Man wusste ja noch nichts vom schmachvollen Vorrundenaus des amtierenden Weltmeisters. Da war also noch viel Hoffnung an jenem 15. Juni. Und so hegte zum Beispiel Jan Korte von den Linken den Verdacht, es könne so ähnlich sein wie bei der Mehrwehrsteuererhöhung (WM 2006) oder bei der Steigerung der Krankenkassenbeiträge (WM 2010): dass die Parlamentarier den politischen Parteien - also irgendwie sich selbst - den saftigen Zuschlag aus der Staatskasse just in einem Augenblick gönnen, in dem die Menschen gerade maximal abgelenkt sind.

Das Fußballdebakel ist einigermaßen aufgearbeitet, die Änderung des Parteiengesetzes nicht. An diesem Dienstag und Mittwoch verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Normenkontrollklage von Grünen, Linken und FDP. Zudem steht eine eigene Organklage der AfD-Fraktion auf der Agenda, die sich durch das hastige Gesetzgebungsverfahren in ihren Rechten als Opposition verletzt sieht. Es ist, wenn man so will, ein Verfahren zur Ehrenrettung der Politik: Die Vertreter politischer Parteien kämpfen vor Gericht dagegen, mehr Geld zu bekommen.

Mit der Reform von 2018 wurde das jährliche Gesamtvolumen der staatlichen Mittel, das pro Jahr an die Parteien ausgeschüttet wird, von gut 165 auf 190 Millionen Euro angehoben. Das ist eine auffällige Steigerung um etwa 15 Prozent, aber allein die Zahl führt noch nicht zur Verfassungswidrigkeit. Denn im Grundgesetz steht keine Zahl.

Die staatliche Parteienfinanzierung ist letztlich keine Erfindung des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit einem Dilemma konfrontiert sieht. Einerseits sind Parteien zentral für die Demokratie, als ordnender Faktor zwischen diffusen Wählerwünschen und politischer Umsetzung. Es ist also eine gute Sache, ihre Arbeit mit Staatsgeld zu unterstützen. Andererseits kann darüber nur das Parlament entscheiden, das sich aus Abgeordneten zusammensetzt, also aus Parteimitgliedern. Wer für ein Gesetz zur Parteienfinanzierung stimmt, tut dies zwar gewiss zugunsten des allgemeinen Wohls, aber immer auch für sich selbst.

Karlsruhe legte eine "absolute Obergrenze" fest

Das Verfassungsgericht hat sich zunächst vorsichtig an das Problem herangetastet, bis es im Jahr 1992 ein Grundsatzurteil fällte. Dabei zog es zum einen eine "relative Obergrenze" ein. Eine Partei sollte nicht mehr Geld aus der Staatskasse bekommen, als sie selbst aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen erwirtschaftete. Eine Art Rückversicherung gegen das Abheben: Parteien sollten sich nach wie vor um Unterstützung aus der Gesellschaft bemühen müssen.

Noch wichtiger war aber die "absolute Obergrenze". Ein fester Betrag, der nicht überschritten werden darf, sollte verhindern, dass die Parteien in Versuchung geführt werden. Karlsruhe machte einen Deckel drauf, um die Parteien vor der eigenen Fehlbarkeit zu schützen: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien bedienten sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens", schrieben die fürsorglichen Richterinnen und Richter.

Seither funktioniert die staatliche Finanzierung nach folgender Formel: Aus den Wählerstimmen sowie Spenden- und Beitragsgeldern errechnet sich zunächst der Anspruch auf Staatsgelder. Inzwischen gibt es 83 Cent pro Wählerstimme und 45 Cent pro Spenden- oder Beitrags-Euro (bis zu einer Spendensumme von 3300 Euro pro Person). Liegt die Summe allerdings über der absoluten Obergrenze, dann wird sie gekappt.

Die erste Obergrenze lag 1994 bei 230 Millionen Mark pro Jahr. Die Vorgabe aus Karlsruhe lautete freilich: Sparsamkeit. Der Umfang der Staatsfinanzierung müsse sich auf das beschränken, was für die Funktionsfähigkeit der Parteien "unerlässlich" sei. Der Geldtopf wurde allmählich größer: 2002 waren es, nunmehr umgerechnet, 133 Millionen Euro, zehn Jahre später schließlich 150 Millionen.

Die Erhöhung sei schlecht begründet, kritisieren die Kläger

Und nun also 190 Millionen. Ein zentraler Kritikpunkt der Kläger - vertreten durch die Rechtsprofessorin Sophie Schönberger - lautet: Die Reform sei wenig aussagekräftig begründet worden, etwa mit gesteigerten Ausgaben für Digitalisierung und innerparteiliche Partizipation. Voraussetzung sei laut Gericht indes eine "einschneidende" Änderung der Verhältnisse. Digitalisierung führe aber mitunter sogar zu Einsparungen.

Zudem dürfte das Gericht darüber nachdenken, externen Sachverstand einzuschalten. Der ist besonders wichtig, wenn das Parlament gleichsam in eigener Sache entscheidet. Das hatte das Gericht dem Gesetzgeber schon 1992 nahegelegt. Tatsächlich wurde zunächst eine Kommission unabhängiger Sachverständiger eingerichtet, externe Aufpasser, wenn man so will. 2005 wurde sie wieder abgeschafft.

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