Parteien - Erfurt:AfD könnte Wahl Ramelows mit Gegenkandidaten absichern

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AfD-Fraktionschef Björn Höcke telefoniert im Thüringer Landtag. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Ausgerechnet von ganz rechts könnte Thüringens amtierender Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Hilfe für seine Wiederwahl bekommen. Die AfD will einen Gegenkandidaten ins Rennen schicken, wie ihr Fraktionschef Björn Höcke am Mittwoch ankündigte. "Wir brauchen einen Kandidaten, hinter dem sich eine bürgerliche Mehrheit versammeln kann", sagte Höcke. Seiner Ansicht nach müsse ein solcher Bewerber nicht aus den Reihen der AfD kommen, sondern könne auch von der CDU oder der FDP gestellt werden. Man sei derzeit auf der Suche nach einer geeigneten Person. "Einfach um deutlich zu machen, dass wir unser zentrales Wahlversprechen im Auge behalten, wird es einen Gegenkandidaten geben", sagte Höcke.

Der Vorstoß platzt mitten in eine Diskussion über die anstehende Wahl Ramelows als Chef einer geplanten rot-rot-grünen Minderheitsregierung. Denn dem Linken-Politiker fehlen mit seinem anvisierten Bündnis vier Stimmen für eine Mehrheit im Parlament. Laut Thüringer Landesverfassung ist zwar im dritten Wahlgang gewählt, "wer die meisten Stimmen erhält". Doch was das bei nur einem Kandidaten konkret bedeutet - darüber gibt es unterschiedliche juristische Meinungen.

Im Kern geht es um die Frage, ob Ramelow auch dann gewählt ist, wenn er als einziger Kandidat im dritten Wahlgang mehr Nein- als Ja-Stimmen bekommt. Bei zwei oder mehr Kandidaten im dritten Wahlgang gilt die Verfassung als eindeutig: Gewählt ist dann, wer mehr Stimmen als die anderen hat. Die CDU hatte angekündigt, einen Antrag im Landtag stellen zu wollen, um vom Parlament klären zu lassen, welche Bedingungen für die Wahl des Ministerpräsidenten gelten sollen. "Je unklarer die Mehrheitsverhältnisse sind, desto klarer müssen die Regeln sein", sagte CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring am Mittwoch.

Höcke schlug eine Verfassungsänderung vor. Dafür wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig. Er könne sich nicht vorstellen, dass jemand mit mehr Nein- als Ja-Stimmen Ministerpräsident von Thüringen wird, sagte er. Zugleich signalisierte Höcke, dass er selbst wohl nicht zur Wahl antreten wird. "Ich muss auch die gewinnen für einen gemeinsamen Kandidaten, die vielleicht aufgrund der medialen Darstellung ein Problem mit meiner Person haben", sagte der 47-Jährige. Es gehe nicht um seine Person. "Dass ich nicht als Kandidat zur Verfügung stehen sollte - das ist, glaube ich, so."

Auf Nachfrage eines Journalisten sagte Höcke, er wolle auch nicht ausschließen, dass der frühere Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ein geeigneter Kandidat wäre. Dieser lehnte sogleich ab. "Als CDU-Mitglied unterstütze ich die Bemühungen, einen Ministerpräsidenten der Union in Thüringen durchzusetzen", sagte Maaßen "Focus Online". "Für einen Wahlvorschlag einer anderen Partei stehe ich nicht zur Verfügung."

Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich kündigte an, dass seine Partei keinen AfD-Kandidaten wählen werde. CDU-Fraktionschef Mike Mohring betonte, dass es weder einen CDU-Kandidaten noch einen gemeinsamen Kandidaten von CDU und AfD geben werde. "Da gibt es keinen Interpretationsspielraum", machte Mohring klar. Auch könne er sich nicht vorstellen, dass ein von der AfD aufgestellter Kandidat aus den Reihen der CDU gewählt würde.

Nach der Landtagswahl Ende Oktober hatte es innerhalb der Thüringer CDU Stimmen gegeben, die mit Blick auf die schwierige Regierungsbildung auch Gespräche mit der AfD forderten. Die Thüringer Werteunion - eine kleine Gruppe sehr konservativer CDU-Mitglieder - forderte mehrfach, einen eigenen Kandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten ins Rennen zu schicken. In dieser Diskussion fiel auch der Name Hans-Georg Maaßen, der als einer der führenden Köpfe der Werteunion gilt. Generell schließen alle Parteien im Thüringer Landtag jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus.

Die Situation in Thüringen nach der Landtagswahl Ende Oktober ist vertrackt. Linke, SPD und Grüne stehen vor der Bildung einer Minderheitsregierung, ohne irgendeine feste Zusage für eine Unterstützung aus den Reihen anderer Fraktionen zu haben. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die drei Parteien am Dienstag auf den Zuschnitt künftiger Ministerien. Doch es stehen noch Abstimmungen bei Parteitagen von SPD und Grünen aus. Die Linke will ihre Mitglieder befragen. Und weiterhin ist offen, wie das Bündnis Mehrheiten im Parlament finden will.

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