Parteien:Die alten Spielchen

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Statt für die zweite Runde der Regionalwahlen ein Bündnis gegen den rechtsradikalen Front National zu schmieden, bringen sich Frankreichs Konservative und Sozialisten bereits für die Präsidentschaftswahl 2017 in Stellung.

Von Leo Klimm

Eine "republikanische Sperre" gegen den Front National, die will Jean-Christophe Cambadélis errichten. Seine Partei, so der Chef von Frankreichs Sozialisten, solle im zweiten Wahlgang der Regionalwahl am Sonntag ein "Opfer für das demokratische Ideal bringen": In Gebieten, in denen der rechtsextreme Front National (FN) nach dem ersten Wahlgang vorn liegt und die Sozialisten nur an dritter Stelle rangieren, sollen die eigenen Kandidaten ganz auf den Einzug ins Regionalparlament verzichten. Sie sollen sich zurückziehen, damit die zweitplatzierten konservativen Konkurrenten den FN mit den linken Stimmen noch schlagen.

Doch die Sperre, die der Vertraute von Staatspräsident Hollande fordert, wird es nicht geben. In den Regionen fügen sich nicht alle Sozialisten dem Ukas aus der Parteizentrale. Vor allem aber lehnt Hollandes konservativer Erzrivale Nicolas Sarkozy eine Allianz ab: Er sei gegen "jede Vereinigung der Wahllisten und gegen jeglichen Rückzug" seiner eigenen Leute, auch dort, wo die Sozialisten bessere Siegeschancen gegen den FN haben. Zudem gibt der Chef der konservativen Republikaner Hollande kaum verhohlen die Schuld am schier unaufhaltsamen Aufstieg der Rechten. Cambadélis reagiert mit düsteren Worten: "Die Geschichte wird streng sein mit jenen, die die extreme Rechte der Linken vorziehen."

Nach dem FN-Triumph vom Sonntag dreht sich für Frankreichs gemäßigte Parteien alles um die Frage, wie sie es mit dem FN halten. Das wiederum löst bei Sozialisten wie Republikanern unwillkürlich jene Taktikspiele aus, die eine zweistufige Mehrheitswahl fast schon erzwingt - und die zugleich viele Franzosen frustrieren.

Vordergründig geht es für die einst dominanten politischen Kräfte um die Besetzung mäßig bedeutender Posten in den Regionen. Tatsächlich aber dreht es sich bei dieser Nebenwahl auch um die taktische Positionierung für die nächste Präsidentschaftswahl. Denn seit Sonntagabend dürfte klar sein, dass es im Frühjahr 2017 nur ein Vertreter der beiden traditionellen Lager in die Stichwahl um die Macht in Frankreich schafft. Der andere Platz ist für Marine Le Pen reserviert, die FN-Chefin.

"Die taktischen Positionen von Republikanern und Sozialisten sind für sich genommen nachvollziehbar: Die Opposition will sich nicht von der Regierung vereinnahmen lassen. Sie ist eingekeilt zwischen FN und Sozialisten", sagt der Pariser Parteienforscher Pascal Perrineau. "Für die Sozialisten ist es im ersten Wahlgang weniger schlimm gekommen, als die Umfragen vorausgesagt hatten. Sie können auf das Stimmenreservoir kleiner linker Parteien hoffen. Und in den Regionen, in denen sie ohnehin keine Chance mehr haben, nehmen sie eine Haltung der moralischen Verantwortlichkeit ein", so Perrineau. Egal, ob sie ein demokratisches Verteidigungsbündnis gegen den FN bilden oder nicht - Sozialisten wie Konservative stecken im Dilemma: Ohne Bündnis lässt sich in mehreren Regionen ein FN-Sieg nicht verhindern. Umgekehrt wirkt eine Zweckallianz für viele Wähler wie der Beleg für Le Pens Vorwurf, sie bekämen von den etablierten Parteien ohnehin die gleiche Politik serviert - was Le Pen bei der Präsidentschaftswahl noch mehr Stimmen bescheren könnte. Für die Konservativen ist die Gefahr durch den FN wohl noch größer als für die Sozialisten. Der Versuch der Republikaner, nach den Pariser Terroranschlägen mit rechtskonservativem Programm gegen den FN zu punkten, ist am Sonntag fehlgeschlagen. Während Regionalwahlen früher oft zugunsten der gemäßigten Opposition ausgingen, liegt Sarkozys Formation nur in vier von 13 Regionen vorn. Das ist unwesentlich besser als die Sozialisten, die in drei Regionen führen.

"Sarkozys Rückkehr an die Parteispitze sollte Ordnung im Haus schaffen und den FN stoppen", sagt Perrineau. "Das hat nicht geklappt." Bei einer Vorstandssitzung am Montag erntete Sarkozy vorerst nur wenig Widerspruch. "Wir beißen jetzt die Zähne aufeinander und machen Wahlkampf", so Ex-Premierminister François Fillon, der Sarkozy die Präsidentschaftskandidatur streitig machen will. "Der Gewissensprüfung unterziehen wir uns dann nach der Wahl." Das lässt einen Kursstreit erwarten. Manche Konservative forderten schon am Montag eine Erneuerung: Die Regionalwahl sei "das Scheitern von Nicolas Sarkozy. Er ist offensichtlich nicht glaubwürdig für die Verkörperung des politischen Wechsels", sagte der Abgeordnete Hervé Mariton.

Hinzu kommt der Unmut der Zentristen, der kleinen liberalen Parteien, über Sarkozy. Die bilden bei der Regionalwahl Listen mit den Republikanern, verlangen jetzt aber den Rückzug zugunsten der Sozialisten, falls das FN-Siege verhindert. "Für die Präsidentenwahl kann Sarkozy die Unterstützung der Zentristen vergessen", sagt Politikexperte Perrineau. Sarkozys stramm konservative Kandidaten im Norden und im Südosten Frankreichs - den Regionen, in denen Marine Le Pen und ihre Nichte Marion jeweils vor dem Sieg stehen - bedanken sich unterdessen bei den Sozialisten für deren Rückzieher.

Im Osten dagegen weigert sich der aussichtslose Anwärter der Sozialisten, den Rückzug anzutreten. "Wir werden den FN nur zurückdrängen, wenn wir in der Regionalversammlung vertreten sind", lautet seine Begründung. Am Montag allerdings ist es sein direkter Kontrahent vom FN, der ihn vorführt: Ein Rückzug des linken Konkurrenten, so der FN-Mann genüsslich, wäre doch "eine Missachtung des Wählerwillens". Vor allem könnte es womöglich seinen sicher geglaubten Sieg noch gefährden.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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