Parteien - Braunschweig:Rechtsruck in Niedersachsen-AfD: Kestner wird Landeschef

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Jens Kestner spricht beim Landesparteitag der AfD Niedersachsen. Foto: Swen Pförtner/dpa (Foto: dpa)

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Braunschweig (dpa/lni) - Rechtsruck in der Niedersachsen-AfD: In einer Kampfabstimmung ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner zum neuen AfD-Landesvorsitzenden gewählt worden. Der 48-Jährige wurde auf dem Landesparteitag in Braunschweig am Samstag zum Nachfolger von Dana Guth gewählt, die das Amt zweieinhalb Jahre inne hatte. Kestner wird dem offiziell aufgelösten, völkisch-nationalistischen "Flügel" zugerechnet. Guth, die auch Fraktionsvorsitzende im Landtag ist, gilt als gemäßigt.

Co-Bundesparteichef Tino Chrupalla rief in Braunschweig zur Geschlossenheit auf. "Glaubt mir, eine zerstrittene Partei wählt niemand." Der zweite AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen forderte von den Delegierten, sich die Wahlentscheidung und damit den Kurs der Partei gut zu überlegen. Doch ob die auch auf dem Parteitag kritisierten Lagerkämpfe ein Ende haben und die AfD nun geschlossener auftritt, bleibt nach dem knappen Ausgang der Vorstandswahl fraglich.

In einer Stichwahl im fünften Wahlgang kam Kestner auf 52 Prozent und Guth auf 46 Prozent. Von den 535 anwesenden Delegierten stimmten 248 für Guth und 278 für Kestner. Auch der Bundestagsabgeordnete Dietmar Friedhoff sowie die Landtagsabgeordneten Christopher Emden und Stefan Wirtz bewarben sich um den Vorsitz, bekamen aber keine großen Stimmanteile.

In einer Vorstellungsrunde hatten alle Kandidaten ein Ende der Grabenkämpfe in dem Landesverband beschworen. In ehrverletzender Weise seien Kandidaten in der Zeit vor der Wahl beschädigt worden. Zwar skizzierten alle ein von wachsenden Problemen bedrohtes Deutschland mit unfähigen Regierenden und der AfD als einziger Alternative - konkrete politische Konzepte insbesondere für Niedersachsen kamen in Braunschweig aber nicht zur Sprache.

Kestner kündigte in einer kämpferischen Rede an, verstärkt auf der Straße und mit Protestaktionen für die Politik der AfD zu kämpfen. Lethargie und Stagnation müssten beendet werden, es gehe um eine Richtungsentscheidung. Die Migrationspolitik, die Innere Sicherheit, die Energiewende sowie die Corona-Beschränkungen bezeichnete er als politische Schwerpunkte. Kestner stammt aus dem südniedersächsischen Northeim, der Bundestagsabgeordnete diente als Zeitsoldat und hat ein Bestattungsunternehmen.

Auch Guth (50) rief zu einem Ende des parteiinternen Streits und der Lagerkämpfe auf. "Diesen Streit können wir nur gemeinsam beenden." Das Bild der Partei nach außen und die Stimmung unter den Mitgliedern müssten verbessert werden. In der Öffentlichkeit sei die AfD in Niedersachsen zumeist unbeliebt. "Man mag uns nicht", sagte Guth. "Wir lassen es uns keinen Tag länger gefallen, in eine Nazi-Kiste gesteckt zu werden", sagte sie.

Guth ging auch auf die Beobachtung eines Teils der AfD durch den Verfassungsschutz ein. Seit Ende Mai habe es 142 Austritte gegeben, das sei rund ein Viertel aller Austritte in den vergangenen zwei Jahren. Der niedersächsische Verfassungsschutz hatte im Frühjahr den offiziell aufgelösten "Flügel" als rechtsextrem eingestuft und zum Beobachtungsobjekt erklärt. Mit der Wahl von Kestner hat die AfD in Niedersachsen nun einen Vorsitzenden, der potenziell vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Bei der Landtagswahl 2017 hatte die AfD 6,2 Prozent der Stimmen erreicht und war mit neun Abgeordneten erstmals in den Landtag eingezogen. Die Ergebnisse der Partei bei weiteren Wahlen in Niedersachsen blieben moderat.

Der Beginn des Parteitages hatte sich wegen Gegendemonstranten um zweieinhalb Stunden verspätet. Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten insgesamt auf 3500, etwa 300 davon wurden dem sogenannten schwarzen Block zugeordnet. Hunderte Demonstranten blockierten Anfahrtswege zu dem von der Polizei abgeriegelten Tagungsort am Stadtrand. Mutmaßliche Parteitagsteilnehmer und Beamte wurden von vermummten Gegnern körperlich angegriffen. Die Polizei rückte mit Pferden, Hunden und Mannschaftswagen an, Pfefferspray und Schlagstöcke kamen zum Einsatz. Von Verletzten war keine Rede. Die Grünen kritisierten das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig.

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