Parteien - Berlin:SPD zieht Konsequenzen aus Wahlschlappe: Regeln für Spitze

Parteien - Berlin: Franziska Giffey spricht beim Landesparteitag. Foto: Monika Skolimowska/dpa
Franziska Giffey spricht beim Landesparteitag. Foto: Monika Skolimowska/dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - Dreieinhalb Monate nach ihrer historischen Schlappe bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus zieht die Berliner SPD innerparteiliche Konsequenzen. Auf Antrag der Jusos beschlossen die Delegierten am Freitag auf einem Landesparteitag bei nur einer Gegenstimme neue Regeln für die Parteispitze.

Demnach sollen im siebenköpfigen geschäftsführenden Landesvorstand Politiker, die Senator, Staatssekretär oder Fraktionschef sind, nicht mehr in der Mehrheit sein. Die Doppelspitze "sollte" dem Beschluss zufolge "nicht vollständig" aus Personen bestehen, die gleichzeitig maßgeblich die Regierung tragen. Bisher ist das der Fall: Parteichefin Franziska Giffey ist Wirtschaftssenatorin und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh ist Fraktionschef.

Der Beschluss soll den Jusos zufolge der Erneuerung und Fortentwicklung der Partei dienen und die Breite ihrer Mitgliedschaft im Führungsgremium besser abbilden. Der Text wurde im Vergleich zum ursprünglichen Antrag allerdings inhaltlich entschärft und weniger verbindlich formuliert. Denn zunächst hatten die Jusos gefordert, dass in der engeren Parteiführung gar keine Politiker mit wichtigen Funktionen in Senat und Parlament vertreten sein dürfen. Giffey und Saleh hätten in dem Fall ihre Parteiämter abgeben müssen.

Nunmehr könnten beide theoretisch wieder gemeinsam bei der Vorstandswahl im kommenden Jahr antreten, als wahrscheinlich gilt das aber nicht. Noch ist das Verfahren unklar, mit dem die SPD die Mitglieder ihrer Führungsriege dann bestimmt. Als eine Variante im Gespräch ist eine Urwahl der Doppelspitze durch die Parteibasis.

Bei der Wiederholungswahl am 12. Februar hatte die SPD mit 18,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Berliner Abgeordnetenhauswahl eingefahren. Sie lag klar hinter der CDU (28,2 Prozent) und nur 53 Stimmen vor den Grünen auf Platz zwei.

Statt mit Rot-Grün-Rot weiterzumachen, was rechnerisch möglich gewesen wäre, entschied sich die Parteispitze für eine Koalition mit der CDU unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Das ist in der SPD hochumstritten. Bei einem SPD-Mitgliedervotum hatten lediglich 54,3 Prozent für den Koalitionsvertrag gestimmt.

Giffey sieht in der vor vier Wochen geschlossenen Koalition mit der CDU eine Chance, das Profil ihrer Partei zu schärfen und damit in Zukunft auch wieder Wahlerfolge einzufahren. "Wir müssen jetzt in dieser Koalition zeigen: Wir sind diejenigen, die für Mieterschutz, für Arbeitnehmerschutz, für Klimaschutz stehen", sagte Giffey auf dem Parteitag. "Die SPD wird der linke, der sozialpolitische Part in diesem Bündnis sein."

In der rot-grün-roten Koalition sei die SPD "zerrieben" worden, sagte Giffey. Ihre Erwartung sei, dass es der SPD in dem neuen Bündnis wieder mehr gelinge, ihre Stärke zu zeigen. Wichtig sei daher gute Arbeit für die Berlinerinnen und Berliner in Senat und Parlament. 2026 ist die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Die Jusos warfen den SPD-Landeschefs Giffey und Saleh mangelnde Selbstkritik nach der Wahlschlappe vor und forderten eine "schonungslose Aufarbeitung". "Raed und Franziska, ihr habt uns als Landesvorsitzende in diese Wahl geführt", sagte die Juso- Landesvorsitzende Sinem Tasan-Funke beim Parteitag. "Aus unserer Sicht habt ihr bis heute noch nicht genügend Verantwortung dafür übernommen, wie diese Wahl ausgegangen ist." Man könne zum Beispiel Posten räumen oder Dinge radikal anders machen und zeigen, dass man dazugelernt habe. Das sei bisher nicht passiert. "Fehlende Selbstkritik an der Spitze und in unseren Gremien wird uns nirgendwo hinführen", warnte sie.

Auf dem Parteitag gab es in der stundenlangen Debatte viel Kritik am Kurs der Parteiführung und an der Koalition mit der CDU. Giffey appellierte an ihre Partei, die Spaltung zu überwinden, die beim knappen Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag deutlich wurde: Sie wünsche sich, dass die SPD zusammenstehe und wieder zusammenfinde, so Giffey. "Einigkeit macht stark", zitierte sie das alte SPD-Motto. "Nur dann haben wir eine Chance, Wahlen wieder zu gewinnen."

Die Parteitagsdelegierten fassten weitere Beschlüsse. So forderten sie die SPD-Vertreter in Abgeordnetenhaus und Senat auf, parallel zur von Schwarz-Rot in Aussicht gestellten Erarbeitung eines allgemeinen Vergesellschaftungsrahmengesetzes "ein spezifisches Gesetz für den Wohnungssektor" zu erarbeiten - sollte eine seit rund einem Jahr tagende Expertenkommission eine solchen Schritt für machbar halten. Dadurch gelte es, den erfolgreichen Volksentscheid für eine Enteignung großer Wohnungskonzerne 2021 "schnellstmöglich und rechtssicher umzusetzen".

© dpa-infocom, dpa:230526-99-841029/5

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: