Parteien - Berlin:Giffey will als neue Berliner SPD-Chefin "anpacken"

Berlin
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Foto: Kay Nietfeld/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Bundesfamilienministerin Franziska Giffey will die Sicherheit in Berlin zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit als neue SPD-Landesvorsitzende machen. "Wer in Berlin lebt, muss sich sicher fühlen können. Und das meint die soziale Sicherheit, es meint aber auch ganz klar die innere Sicherheit", sagte Giffey am Freitagabend auf einem Parteitag der Berliner Sozialdemokraten.

"Ich möchte, dass wir uns darum kümmern, weil ich weiß, dass es ein Anliegen von vielen, vielen Menschen in dieser Stadt ist. Und ich möchte, dass wir uns darum kümmern, weil wir dafür sorgen müssen, dass Menschen sagen, ich fühle mich hier gut aufgehoben in dieser Stadt." Als weitere ihrer Themen nannte Giffey zehn Monate vor der Abgeordnetenhauswahl Bauen, Bildung, eine bürgernahe Verwaltung und eine funktionierende Wirtschaft.

Bei dem Parteitag will die Berliner SPD Giffey und Fraktionschef Raed Saleh zur neuen Doppelspitze wählen. Für die Urnenwahl in den Kreisgeschäftsstellen sollte der Parteitag am Abend unterbrochen werden. Die Wahlergebnisse werden dann am Samstag ausgezählt und bekanntgegeben. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der mit zwölfeinhalb Jahren der am längste amtierende Berliner SPD-Chef war, trat nicht noch einmal an. Der Regierungschef in einer rot-rot-grünen Koalition kandidiert im kommenden Jahr für den Bundestag.

Die neuen Vorsitzenden sollen die SPD aus dem Umfragetief herausholen und zu neuer Stärke führen. Giffey, die bis zu ihrem Wechsel in das Bundeskabinett 2018 Bürgermeisterin im Berliner Multi-Kulti-Bezirk Neukölln war, gilt dabei als Hoffnungsträgerin. Als ausgemacht gilt, dass sie auch Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl wird. Allerdings belastet die Politikerin eine Affäre um mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit, die noch nicht ausgestanden ist.

In ihrer frei vorgetragenen und emotionalen Rede unterstrich Giffey, dass sie auch in neuer Funktion "anpacken" wolle. "Das ist das, was die SPD immer ausgezeichnet hat. Anpacken." Schließlich mache es einen Unterschied, ob die SPD mitregiere oder nicht.

Die SPD sei es, die für soziale Gerechtigkeit und gleiche Bildungschancen für Kinder eintrete, von denen eben nicht alle auf der Sonnenseite stünden oder "ins Wohlstandsnest" hineingeboren worden seien. Sie wolle sich nicht damit abfinden, dass Menschen momentan eben noch nicht alle die gleichen Chancen hätten und Bildungserfolg noch immer von sozialer Herkunft abhänge, so Giffey.

Sie verwies auf Erfolge in ihrem Amt als Bundesfamilienministerin in und nannte unter anderem das "Starke-Kita-Gesetz". "Ich gehe den Weg dennoch zurück vom Bund zum ins Land Berlin. Und das ist meine Entscheidung, eine klare Entscheidung", betonte sie. "Weil mir meine Heimatstadt Berlin am Herzen liegt. Weil ich mich einsetzen will, für die Stadt und für unsere SPD. Weil ich überzeugt davon bin, dass es gut ist, wenn die SPD in dieser Stadt regiert."

Saleh sagte, die SPD müsse Politik machen "mit Verstand und mit dem Herzen". Die SPD sei eine Volkspartei, müsse diesen Anspruch auch verteidigen und Menschen, die ihr den Rücken gekehrt hätten, wieder zurückholen. Dazu zählten Arbeiter genauso wie Polizisten, Sozialarbeiter oder Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Der scheidende SPD-Vorsitzende Müller rief seine Partei mit Blick auf das Superwahljahr 2021 zu mehr Selbstbewusstsein und Zuversicht auf. Die SPD müsse "klare Haltung" zeigen und eigene Positionen sichtbar machen, dann werde sie auch wieder erfolgreich bei Wahlen sein, sagte er in seiner Abschiedsrede. Die SPD stehe für soziale Gerechtigkeit und habe hier in den letzten Jahren viel erreicht, etwa kostenfreie Bildung, Mietendeckel oder Gleichstellung. "Das ist unser Auftrag, das ist unsere Kernkompetenz", so Müller. Darauf müsse sich die Partei in den anstehenden Wahlkämpfen für die Abgeordnetenhaus- und die Bundestagswahl 2021 besinnen und diesen Weg fortsetzen. "Dass das Rote Rathaus Rot bleibt, ist mir wichtig", betonte Müller.

Gleichzeitig machte er deutlich, dass er die große Koalition mit der Union im Bund für ein Auslaufmodell hält. "Ich finde, wir müssen raus aus dieser GroKo-Ecke", sagte er. "Wir müssen endlich deutlich machen, dass wir auch auf Bundesebene andere Optionen haben und sie auch nutzen wollen." Die Zusammenarbeit mit CDU und CSU sei inzwischen "unerträglich". In der Mieten- und Wohnungspolitik und der Flüchtlingspolitik verfolge die Union andere Ziele als die SPD.

Giffeys Start in die Berliner Landespolitik wird überschattet von der die Affäre um ihrer Doktorarbeit. Die Freie Universität Berlin (FU) erteilte ihr im Herbst 2019 wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge, entzog ihr aber nicht den Doktortitel. Nach breiter Kritik an diesem Vorgehen kündigte die FU jüngst eine erneute Prüfung an, die bis Ende Februar abgeschlossen sein soll. Unter Druck hatte Giffey vor kurzem verkündet, auf ihren Doktortitel zu verzichten.

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