Parteien - Berlin:Giffey und Saleh wollen SPD wieder zur Volkspartei machen

Berlin
Raed Saleh und Franziska Giffey beim Parteitag der SPD Berlin. Foto: Christophe Gateau/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Zehn Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus will die Berliner SPD mit einer neuen Doppelspitze aus dem Umfragetief kommen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (42) als neue Hoffnungsträgerin und Fraktionschef Raed Saleh (43) sollen die Partei, die die Hauptstadt im Moment gemeinsam mit Linken und Grünen regiert, zu neuer Stärke führen. "Das Rote Rathaus muss Rot bleiben", kündigten beide auf einem weitgehend online abgehaltenen Parteitag an. Ihr Ziel sei, die SPD wieder zu einer Volkspartei zu machen.

Nach der Urnenwahl am Freitagabend gab die SPD am Samstag die Wahlergebnisse bekannt: Giffey kam auf 89,4 Prozent der gültigen Stimmen. Saleh fuhr mit 68,7 Prozent ein durchwachsenes Ergebnis ein.

Giffey kündigte daraufhin an, dass sie für die Abgeordnetenhauswahl 2021 als Spitzenkandidatin der SPD antreten will. Sie spüre durch das Wahlergebnis auf dem Parteitag "Unterstützung, Solidarität und Rückenwind". Wann die Kür zur Spitzenkandidatin ansteht, ist offen.

Der bisherige Landesparteichef Michael Müller (55), der auch Regierender Bürgermeister ist und mit zwölfeinhalb Jahren so lange im Amt war wie kein Vorsitzender vor ihm, trat nicht noch einmal an. Er kandidiert im kommenden Jahr für den Bundestag. Auf den Wechsel an der Parteispitze hatte sich die Berliner SPD-Führung bereits zu Beginn des Jahres verständigt.

Hintergrund sind schlechte Umfragewerte der SPD von jüngst 15 bis 20 Prozent. Damit ist sie schon lange nicht mehr stärkste Partei in der Hauptstadt und könnte den Posten des Regierungschefs im Roten Rathaus an die Grünen oder die CDU verlieren. Wegen der Corona-Pandemie musste die SPD die Neuwahl ihrer Spitze mehrfach verschieben.

Giffey, die bis zu ihrem Wechsel in das Bundeskabinett 2018 Bürgermeisterin im Berliner Multi-Kulti-Bezirk Neukölln war, gilt als Hoffnungsträgerin und soll einen Neustart verkörpern. Sie wolle in ihrer neuen Funktion "anpacken", versprach sie. "Wir schlagen ein neues Kapitel auf in der Geschichte der Berliner SPD." Zum ersten Mal werde die Partei von einer Doppelspitze geführt, und erstmals übernehme eine Frau die Führung der Landespartei.

Allerdings belastet die Politikerin die Affäre um mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit. Die Freie Universität Berlin (FU) erteilte ihr im Herbst 2019 wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge, entzog ihr aber nicht den Doktortitel. Nach breiter Kritik an ihrem Vorgehen kündigte die FU jüngst eine erneute Prüfung an, die bis Ende Februar abgeschlossen sein soll. Die Rüge für Giffey wurde zurückgezogen. Unter Druck hatte die Ministerin vor kurzem verkündet, auf ihren Doktortitel zu verzichten.

Am Samstag machte sie vor Journalisten deutlich, dass auch ein möglicher Entzug durch die FU an ihrer Spitzenkandidatur nichts ändert. "Ich habe den Genossinnen und Genossen gesagt: Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal, was kommt", so Giffey. "Ich bin für euch da, wir sind für euch da." Bis Ende Januar wolle die SPD ihr Wahlprogramm erarbeiten und im Frühjahr dann beschließen.

Ein Schwerpunkt werde das Thema Sicherheit sein, das soziale ebenso wie innere Sicherheit umfasse, kündigte sie an. Nötig sei zum Beispiel ein hartes Vorgehen gegen Clan-Kriminalität. Weitere Themen der SPD seien Wohnungsbau, Bildung, eine bürgernahe Verwaltung und eine funktionierende Wirtschaft. Wichtig sei auch der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) - nicht zuletzt der U-Bahn.

Der Co-Vorsitzende Saleh unterstrich, die SPD müsse wieder attraktiv für Wählerschichten werden, die sich in der Vergangenheit von ihr abgewandt hätten. Als Beispiele nannte er Arbeiter genauso wie Polizisten, Sozialarbeiter oder Menschen mit ausländischen Wurzeln. "Wir wollen auch die Kneipen zurückholen für die Sozialdemokratie."

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