Parteien:Austritt mit Knalleffekt

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Die EU-Abgeordnete und scharfe Kritikerin der europäischen Urheberrechtsreform Julia Reda verlässt die Piraten. Zum Abschied empfiehlt sie in einem Youtube-Video, bei den Europawahlen eine andere Partei zu wählen.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die Abgeordnete des Europaparlaments und schärfste Kritikerin der EU-Urheberrechtsreform, Julia Reda, 32, hat wenige Wochen vor der Europawahl ihren Rücktritt erklärt. (Foto: Rainer Jensen/dpa)

Julia Reda geht mit einem Knalleffekt. Man darf aber davon ausgehen, dass ihr zum Ende ihrer Zeit als EU-Abgeordnete ein anderer Knaller lieber gewesen wäre: Wenn sie die umstrittene Reform des europäischen Urheberrechts mit einer Parlamentsmehrheit in Straßburg abgeschmettert oder verschoben hätte. Die 32-jährige Politikerin der Piratenpartei gehört zu den schärfsten Kritikern der Reform. Am Ende war ihr Engagement in der Sache aber erfolglos: Am Dienstag hat das Europaparlament die Reform bestätigt.

Der Knalleffekt gelang ihr trotzdem: Am Mittwoch rief sie bei Youtube dazu auf, die Piraten bei den Europawahlen nicht zu wählen - und erklärte ihren Austritt aus der Partei, deren einzige Abgeordnete im EU-Parlament sie in den vergangenen fünf Jahren war: "Wenn ihr meine Arbeit wertschätzen wollt, dann wählt eine Partei, die sich gegen Uploadfilter engagiert hat, aber wählt nicht die Piratenpartei."

Als Grund führte sie an, dass auf Platz zwei der Piraten-Wahlliste zur Europawahl ein ehemaliger Mitarbeiter von ihr stehe, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen werde: "Das ist für mich absolut inakzeptabel." Aus der Partei trete sie aus, weil "die Piraten nicht alles getan haben, was sie hätten tun können", um die Aufstellung des Kandidaten zu verhindern, nachdem die Vorwürfe bekannt geworden waren.

Ein vom Europaparlament eingesetzter Beirat gegen Belästigung am Arbeitsplatz habe die Vorwürfe bestätigt. Sie selbst habe schon im vergangenen Juli seine Kündigung bei der Parlamentsverwaltung beantragt. Ein Sprecher des Parlaments will den Vorgang mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht kommentieren. Bei der Piratenpartei heißt es dazu: "Wir reagieren mit Transparenz und Entschlossenheit auf den Vorfall." Die europäische Piratenpartei kündigte an, dass der Kandidat - sollte er gewählt werden - nicht Teil der Gruppe der Piraten im Europäischen Parlament werden solle. Ändern kann die Partei die Liste offenbar nicht mehr.

Julia Reda tritt bei der Wahl auch für keine andere Partei an. Mit ihr verliert die deutsche Piratenpartei ihre prominenteste Stimme: Sie konnte in den vergangenen Wochen zigtausende, oft junge Wähler mobilisieren. Nach den jüngsten Umfragen werden die Piraten auch bei der kommenden Europawahl in Deutschland mindestens einen Sitz erringen. Besser sieht es in Tschechien aus: Erst 2017 zogen die Piraten dort mit mehr als zehn Prozent der Stimmen erstmals ins nationale Parlament ein, seit November stellt die Partei den Oberbürgermeister von Prag. Bei den Europawahlen wollen sie gar die stärkste Kraft im Land werden, sie rechnen sich 20 Prozent der Stimmen aus. Es tue ihr "leid für die europäischen Piraten, die mit der Sache nichts zu tun haben", sagte Reda.

Wo sie zuhause ist, im Internet, machte ein Hashtag die Runde: Weggefährten wünschten ihr unter #thankyoujulia über Parteigrenzen hinweg alles Gute - dabei endet Redas Arbeit erst mit den Wahlen Ende Mai. Der Bundesvorstand der Piratenpartei reagierte auf Redas Ankündigung mit einer Stellungnahme, die ein wenig nach Praktikumszeugnis klingt: "Sie hat die Interessen der Menschen vertreten und ist jederzeit fachlich kompetent und zukunftsorientiert aufgetreten", heißt es da. "Wir bedauern ihr Ausscheiden aus der Partei und wünschen ihr für ihren weiteren Werdegang viel Erfolg." Um ihren Werdegang muss sich Reda keine Sorgen machen: Sie wird nach der Wahl in den USA promovieren. Ihr Thema: das Urheberrecht.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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