Süddeutsche Zeitung

Parteiausschlussverfahren:Sarrazin darf in der SPD bleiben

Nach stundenlanger Beratung vor der Schiedskommission kam die Einigung: Der Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin wird weger seiner provokanten Thesen zur Integration nicht aus der SPD ausgeschlossen.

Die SPD wollte ihn nicht mehr bei sich haben, warf ihm parteischädigendes Verhalten vor, wegen seiner Thesen zur mangelnden Integrationswilligkeit von Muslimen und zur Vererbung von Intelligenz . Gleich vier Anträge gab es, um Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen, so als wolle man aller Welt deutlich machen, dass dieser Mann in der SPD nichts mehr zu suchen hat.

Jetzt darf Sarrazin doch SPD-Mitglied bleiben. Darauf einigte sich die Schiedskommission des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf. Alle Anträge auf Parteiordnungsverfahren wurden zurückgezogen.

Die Vorsitzende der Schiedskommission, Sybille Uken, sagte, man habe mit allen Beteiligten eine sehr konstruktive, respektvolle, ernsthafte und intensive Diskussion geführt. Man habe sich nach fünfstündiger Beratung auf Basis einer Erklärung von Sarrazin geeinigt.

In dem drei Punkte umfassenden Papier betont der frühere Politiker, er habe "zu keiner Zeit die Absicht gehabt, mit meinen Thesen sozialdemokratische Grundsätze zu verletzen". Er habe in seinem Buch nicht die Auffassung vertreten, dass sozialdarwinistische Theorien in die politische Praxis umgesetzt werden sollen. Alle Menschen seien gleich viel wert. Er habe auch keine "selektive Bevölkerungspolitik" verlangt, betonte Sarrazin in dem Schreiben.

Auf keinen Fall habe er außerdem die Vorstellung vertreten, lediglich Frauen mit akademischen Berufen und einer bestimmten Nationalität oder Religion eine Prämie für die Geburt von Kindern zu gewähren. Sarrazin schreibt wörtlich: "Mir lag es fern, in meinem Buch Gruppen, insbesondere Migranten, zu diskriminieren." Er werde künftig bei öffentlichen Veranstaltungen darauf achten, durch Diskussionsbeiträge nicht sein Bekenntnis zu den sozialdemokratischen Grundsätzen zu verletzen. Mit der Erklärung ging Sarrazin detailliert auf die einzelnen Vorwürfe der Antragsteller ein.

Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung. Die gütliche Einigung sei zu akzeptieren, sagte Stegner zur Online-Ausgabe des Spiegel. "Inakzeptabel bleibt der intolerante Stuss, mit dem Thilo Sarrazin neuerdings reichlich Geld verdient." Nicht jede von Sarrazins Problembeschreibungen in der Integrationspolitik möge ganz falsch sein. "Aber seine kruden Erbtheorien und der bildungs- wie integrationspolitische Nonsens haben mit sozialdemokratischen Überzeugungen nichts gemein". Stegner legte Sarrazin einen Wechsel in eine rechtspopulistische Partei nahe. Sarrazin dürfe die SPD "für diesen Mumpitz" nicht in Anspruch nehmen. "Ansonsten sollte er lieber in eine Partei wechseln, in der man solche Parolen teilt." Die Thesen passten "eher zu Rechtspopulisten".

Ein erstes Ausschlussverfahren gegen den SPD-Politiker war bereits im März 2010 gescheitert. Damals hieß es von Seiten der zuständigen Schiedskommission, die SPD müsse "solche provokanten Äußerungen aushalten".

Erneute Provokationen blieben allerdings diesmal aus: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die den Ausschlussantrag für den Bundespartei begründet hatte, lehnte danach jegliche Stellungnahme ab. Auch Sarrazin verzichtete auf jeden Kommentar.

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