Thilo Sarrazin:Ein Genosse, den man nicht genießt

Man kann verstehen, warum der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nicht länger mit Sarrazin in einem Verein sein will. Mit dem Rauswurf-Spektakel befördert er jedoch die Anliegen Sarrazins, belastet die SPD - und beschädigt sich selbst.

Susanne Höll

Thilo Sarrazin hegt abstruse Ideen, ist aber ein ziemlich schlauer Mensch. Und deshalb könnte er auf die Idee kommen, alsbald ein Ordnungsverfahren gegen die SPD-Führung anzustreben. Mit der Begründung, dass die Mannschaft des Vorsitzenden Sigmar Gabriel mit dem nun beschlossenen Ausschlussprocedere gegen ihn, Sarrazin, der Partei schweren Schaden zufügt.

SPD-Präsidiumssitzung

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat mit dem beschlossenen Ausschlussprocedere gegen Sarrazin seiner Partei schweren Schaden zufügt.

(Foto: dpa)

Dazu wird es natürlich nicht kommen. Aber der Gedanke ist nicht falsch. Mit dem Rauswurf-Spektakel hat Gabriel, wenn auch unfreiwillig, die Anliegen Sarrazins befördert, die SPD belastet und sich selbst beschädigt.

Das Verfahren wird sich über Monate hinziehen, bis ins nächste Jahr, wenn wichtige Landtagswahlen anstehen. Vermutlich wären dann die an Rassenhygiene grenzenden Theorien Sarrazins vergessen gewesen, sein Buch gäbe es mangels Nachfrage vielleicht schon zum Billigpreis.

So aber wird das Interesse daran wachgehalten. Auch vermag kein Mensch zu sagen, ob der Ausschluss Sarrazins diesmal gelingt. Schon im ersten Verfahren wegen abfälliger Äußerungen zu Migranten konnte man ihm im Frühjahr keine schwerwiegende Schädigung der Parteiinteressen nachweisen. Wenn der Ex-Finanzsenator am Ende in der SPD bleiben dürfte, wäre er der Sieger.

Man kann verstehen, warum Gabriel und andere nicht länger mit Sarrazin in einem Verein sein wollen. Aber der Vorsitzende traf die Entscheidung zum Ausschluss nicht mit abwägendem Verstand, sondern aus verständlicher Empörung und Erregung. Gabriel muss seine Gefühle jetzt einbetten in ein Nachdenken über Schadensbegrenzung - über einen Weg, Sarrazin zum Einlenken zu bewegen und das Ausschlussverfahren noch überflüssig zu machen.

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