Parlamentswahlen:Schweizer stoppen den Vormarsch der Rechtspopulisten

Die Schweizerische Volkspartei verfehlt deutlich ihr Wahlziel: Zwar bleiben die Rechtspopulisten die stärkste Kraft im Parlament, die bürgerliche Mitte gewinnt aber deutlich hinzu. SVP-Übervater Blocher muss in die Stichwahl.

Wolfgang Koydl, Zürich

Der jahrelang unaufhaltsam scheinende Vormarsch der rechtspopulistischen "Schweizerischen Volkspartei" (SVP) ist fürs Erste gestoppt: Bei den Parlamentswahlen in der Eidgenossenschaft verfehlten die wegen ihrer ausländerfeindlichen Parolen umstrittenen Rechtspopulisten ihr selbst gesetztes Wahlziel deutlich und verloren nach ersten Hochrechnungen sieben Sitze im Nationalrat. Aber auch die Linksparteien der Sozialdemokraten (SP) und der Grünen (GPS) stagnierten oder mussten Federn lassen. Eindeutig gestärkt wurden neue Parteien der bürgerlichen Mitte.

Parlamentswahlen: Dämpfer für die SVP: Selbst Parteistratege Christoph Blocher erzielte ein enttäuschendes Ergebnis.

Dämpfer für die SVP: Selbst Parteistratege Christoph Blocher erzielte ein enttäuschendes Ergebnis.

(Foto: AFP)

Die knapp fünf Millionen Wahlberechtigten waren aufgerufen, die 200 Sitze des Nationalrates und die 46 Vertreter des Ständerates neu zu bestimmen. In diese zweite Kammer entsenden die Kantone - ähnlich wie die amerikanischen Bundesstaaten im US- Senat - unabhängig von ihrer Größe jeweils zwei Vertreter, die kleinen Halbkantone jeweils einen. Die Wahlbeteiligung lag zum ersten Mal seit vielen Jahren bei mehr als 50 Prozent.

In ersten Reaktionen begrüßten Beobachter das Ende der Phase der Polarisierung, welche die Schweizer Politik in den vergangenen Jahren geprägt hatte. Gerade die SVP hatte sich immer wieder mit kontroversen Volksabstimmungen - etwa gegen den Bau von Minaretten - außerhalb der schweizerischen Konsens-Demokratie gestellt, in der es keine strikte Trennung von Regierung und Opposition gibt.

Auch die zentristische Freisinnige Partei (FDP) büßte Stimmen ein und verlor Hochrechnungen zufolge vier Nationalrats-Sitze. Größte Gewinner waren die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), die sich vor vier Jahren von der SVP abgespalten hatte, und die Grünliberalen (GLP). Beide Parteien gewannen jeweils neun Sitze im Nationalrat. Ihr im Zeitgeist liegendes Programm aus ökologischem Bewusstsein und ökonomischer Kompetenz erwies sich als attraktiv.

Besonders schmerzlich muss für die SVP das Ergebnis der Wahlen zum Ständerat sein, dessen "Eroberung" sie sich zum Ziel gesetzt hatte. Hier kam die Partei bislang mit nur sechs Sitzen auf den vierten Platz hinter Christlicher Volkspartei (CVP), FDP und Sozialdemokraten.

Doch die Parteiprominenz, die sie hier ins Rennen geschickt hatte, blieb stark hinter den Erwartungen zurück. So landete der Parteistratege und Übervater der Partei, Christoph Blocher, im Kanton Zürich abgeschlagen auf dem dritten Platz und muss sich einer Stichwahl stellen. Auch SVP-Chef Toni Brunner verfehlte im Kanton St. Gallen im ersten Anlauf den Sprung in den Ständerat. Mit weitem Abstand direkt gewählt wurde indes die FDP-Kandidatin Karin Keller-Sutter, die in den vergangenen Wochen Ziel einer vor allem von der SVP-nahen Wochenzeitung Weltwoche getragenen Kampagne wegen angeblichen Amtsmissbrauchs gewesen war.

Nach Hochrechnungen verlor die SVP auch in ihren Stammlanden in der Zentralschweiz und in Zürich Stimmen. In Graubünden musste sie Verluste in Höhe von mehr als zehn Prozent verbuchen. In der romanischen Schweiz wurde sie von ihr ideologisch nahestehenden Organisationen bedrängt: dem "Mouvement Citoyens Genevois" in Genf und der "Lega die Ticinesi" im Tessin.

Trotz des verhältnismäßig schlechten Abschneidens wird die SVP auch im neuen Parlament die stärkste Kraft stellen. Ihr Einfluss auf die Tagespolitik dürfte aber nach Überzeugung politischer Beobachter schwinden. Deutlich gestärkt wird demnach die sogenannte "Neue Mitte" aus CVP, BDP und Grünliberalen, der sich fallweise die geschwächten Freisinnigen anschließen könnten. Die neue Justierung der politischen Kräfte hat besondere Bedeutung, wenn im Dezember die neue, siebenköpfige Regierung, der Bundesrat, gewählt wird. In ihr erhalten nach den Regeln der sogenannten "Zauberformel" die stärkeren Parteien zwei und die kleineren Parteien einen Ministerposten. Die SVP hatte ihren zweiten Sitz vor vier Jahren an die abgespaltene BDP verloren und wollte ihn nun wieder zurückerobern. Ob dies allerdings angesichts der gestärkten Stellung der Bürgerlichen Demokraten möglich ist, erscheint derzeit ungewiss. Auch die Ambitionen der Grünen auf einen Bundesratssitz dürften nach ihrem schlechten Abschneiden einen Dämpfer erhalten haben.

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