Parlamentswahl:Warum Portugal keine Regierung findet

Pedro Passos Coelho

Auf Pedro Passos Coelho kommen schwierige Zeiten zu. Er will eine Minderheitsregierung bilden, die Opposition hat angekündigt, das zu vehindern.

(Foto: dpa)

Staatspräsident Cavaco Silva hat den Konservativen Passos Coelho mit der Regierungsbildung beauftragt. Ein linkes Parteienbündnis macht ihm das Leben schwer.

Von Thomas Urban

Der portugiesische Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva und Bundeskanzlerin Angela Merkel kennen sich gut von den Konferenzen der Europäischen Volkspartei (EVP), des Zusammenschlusses der Christdemokraten in der EU. Und nun begrüßt es ausgerechnet die deutsche CDU-Chefin, dass Silva die portugiesische CDU von der Macht in Lissabon fernhalten möchte.

Denn die CDU in dem Land in der Südwestecke Europas hat nichts mit den deutschen Christdemokraten gemein. Sie möchte nicht nur das Sparprogramm der bisherigen Regierung sofort stoppen, sondern auch das Land aus der EU und der Nato führen. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Coligação Democrática Unitária, ein Zusammenschluss aus Kommunisten und Grünen, wie schon das Parteilogo zeigt: Hammer, Sichel und Sonnenblume.

Als Koalitionspartner kommen nur die Sozialisten in Frage

Vor drei Wochen haben die Portugiesen ein neues Parlament gewählt, doch die Regierungsbildung gestaltet sich äußert schwierig. Die bisherige Mitte-Rechts-Koalition "Portugal vorn" (PàF) unter Premierminister Pedro Passos Coelho, der in den letzten vier Jahren stoisch ein striktes Sparpaket umgesetzt hat, stellt zwar erneut die größte Fraktion im neuen Parlament in Lissabon. Die bisher gehaltene absolute Mehrheit verfehlte sie aber mit 38,5 Prozent der Stimmen deutlich.

Als Koalitionspartner kommen nur die Sozialisten (PS) in Frage, die mit 32,3 Prozent schlechter abschnitten als erwartet. Den Sprung ins Parlament schafften noch mit 10,2 Prozent der Linksblock (BE), den die griechische Syriza und die spanischen Linksalternativen von Podemos unterstützen, sowie die CDU mit 8,2 Prozent.

Die PS erklärte zunächst, am Sparkurs festhalten zu wollen

Staatspräsident Silva ging nach den Wahlen davon aus, dass in Lissabon eine Große Koalition aus dem regierenden Mitte-Rechts-Block unter Coelho und den Sozialisten zustandekommt. Diese hatten vor der Wahl erklärt, sie wollten im Prinzip an dem Sanierungskurs von Coelho festhalten. Das Sparprogramm ist das Ergebnis einer Übereinkunft zwischen Lissabon und den drei Kreditgebern, die 2011 das Land mit Garantien über insgesamt 78 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet haben, nämlich dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU.

Dank des Sparkurses konnte das Land die Rezession überwinden, auch ist die Arbeitslosigkeit von 18 auf zwölf Prozent gesunken. Das Abkommen schloss 2011 die damalige sozialistische Regierung, deren wirtschaftlichen Kurs auch der heutige Parteichef Costa mitprägte. Damals war er Bürgermeister von Lissabon. Wohl auch deshalb erklärte die PS im Wahlkampf, sie werde im Prinzip an dem Sparkurs festhalten - allerdings werde sie Umschichtungen zugunsten der sozial Schwächeren vornehmen.

Das Linksbündnis will die Minderheitsregierung stürzen

Doch seit den Wahlen Anfang Oktober will Sozialistenchef Costa von den Abmachungen mit den internationalen Kreditgebern nichts mehr wissen. Stattdessen erklärte er, er wolle eine Regierung mit den beiden linksradikalen Gruppierungen bilden, die sich im Versprechen sozialer Wohltaten auf Pump gegenseitig überbieten. Ein Teil der Kommentatoren wirft Costa deshalb Wahlbetrug vor. Auch in der PS ist seine Hinwendung nach linksaußen umstritten.

Vor allem aber möchte Staatspräsident Silva hier nicht mitziehen. Er hat selbst als Premier in den neunziger Jahren das Land aus einer Rezession geführt. Die Verfassung gibt ihm das exklusive Recht, den Kandidaten für das Amt des Regierungschefs zu benennen. Sollte der keine Mehrheit unter den Abgeordneten finden, so kann der Präsident das Parlament auflösen. An dessen Spitze steht seit Freitag der Sozialist Eduardo Ferro Rodrigues, er wurde mit Hilfe der Linksradikalen zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Damit haben die Sozialisten unter Costa einen Bruch der Tradition vollzogen: Das Amt fiel bislang der Gruppierung zu, die im Lissaboner Parlament die größte Fraktion stellt.

Der Staatspräsident Silva erklärte in einer Fernsehansprache, dass eine Kolaition der Sozialisten mit den EU-Gegnern aus der CDU und dem Linksblock, der die Vereinbarungen mit der EU ebenfalls aufkündigen möchte, nicht gut für das Land wäre. Er beauftragte seinen Parteifreund Coelho mit der Regierungsbildung. Vertreter der Linksparteien kritisieren dafür wiederum Silva scharf, auch Teile der internationalen Presse und der Wissenschaft tun dies.

"Unverständlich und schlimm"

Die Linksparteien berufen sich auf das Wahlergebnis, zusammen erzielten Sozialisten, CDU und BE bei der Parlamentswahl Anfang Oktober 50,7 Prozent. Mit dieser Mehrheit müssten sie den Regierungsauftrag bekommen, so das Argument, das aus allen drei Parteien zu hören ist - wenn von den Sozialisten auch einige Gegenstimmen kommen. Silva habe durch die Ernennung Passos Coelhos "eine unnütze politische Krise geschaffen", da dieser nur über 38,5 Prozent der Stimmen verfüge. Dies sei "unverständlich und schlimm", sagte Sozialisten-Chef Costa.

Der Rechtsprofessor Jorge Reis Novais äußerte sich ähnlich: Silva habe unangemessen gehandelt, er diskriminiere die Stimmen derjenigen Portugiesen, welche die Linksparteien gewählt hätten. Es sei undemokratisch, sie wegen ihrer euroskeptischen Positionen von der Regierung auszuschließen. Das Linksbündnis kündigte an, Coelhos Regierungsprogramm im Parlament ablehnen zu wollen. Falls das geschieht, müsste Passos Coelho trotz der Rückendeckung Silva zurücktreten - und es gäbe Neuwahlen.

Mitarbeit: Benedikt Peters

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