Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl:Warum Österreich im Populismus versinkt

Konservative und Sozialdemokraten haben sich bei Straches FPÖ angebiedert - und so den besten Dünger für die rechten Gewächse geliefert. Die Rechten stoppt man nicht mit dem eigenen Sündenfall.

Kommentar von Peter Münch, Wien

Österreich ist stramm nach rechts gerückt. Das dominierende Thema dieser Parlamentswahl war die Flüchtlingspolitik, und hier gibt es eine absolute, ja erdrückende Mehrheit im Land für die Abwehrhaltung.

Bei allen Differenzierungen zwischen den Parteien hat sich bei diesem heiklen Thema bereits vorab eine informelle GaGroKo gebildet, eine ganz große Koalition aus ÖVP, FPÖ und SPÖ. Die rechtslastigen Freiheitlichen von Heinz-Christian Strache dürfen sich dabei nun nicht nur über ein starkes Ergebnis, sondern thematisch über einen glatten Wahlsieg freuen.

Schließlich hat Sebastian Kurz von der Volkspartei ihre Parolen als Erfolgsrezept kopiert, und auch der sozialdemokratische Kanzler Christian Kern hat sich dem Sog nicht entziehen wollen. Gewonnen hat in Österreich nun der platte Populismus.

Ein Einzel- oder Sonderfall ist die Alpenrepublik damit freilich nicht. Mit Xenophobie, Islamophobie und dem bösen Spiel mit Abstiegsängsten lässt sich derzeit fast überall in Europa vortrefflich Politik betreiben. Auf die Spitze treibt das Viktor Orbán in Ungarn, der mit diesem populistischen Dreisprung seine Macht absichert. Der Zeitgeist weht aus dieser Richtung, und es steht zu befürchten, dass die Windstärke noch zunimmt.

Rechtspopulismus ist kein Phänomen, das immer wieder kommt

Deutlich wird an dieser Wahl in Österreich jedenfalls, dass noch längst kein nachhaltiges Rezept, kein wirkungsvolles Gegengift gegen den Rechtspopulismus gefunden worden ist, auch wenn sich zwischenzeitlich eine gewisse Entspannung eingestellt hatte. Schließlich war ja nach dem Schock durch das britische Brexit-Votum und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auch das erste Aufatmen von Österreich ausgegangen.

Als bei der Bundespräsidenten-Stichwahl vor zehn Monaten der Grüne Alexander Van der Bellen gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer siegte, ist das als ein Zeichen der Mobilisierungskraft der liberalen Mitte gewertet worden. Als anschließend auch noch in Frankreich Marine Le Pen von der Macht ferngehalten werden konnte und in den Niederlanden Geert Wilders bei der Parlamentswahl nach zwischenzeitlichem Höhenflug nur auf Platz zwei landete, gab es die Hoffnung auf eine Trendwende.

Doch der Rechtspopulismus ist längst schon kein Phänomen mehr, das kommt und geht, sondern eins, das immer wieder kommt - und irgendwann bleibt. Wenn man also Österreich als eine Art Langzeit-Laborversuch für rechtspopulistische Umtriebe betrachtet, dann kann es einem tatsächlich Angst und Bange werden.

Das Land blickt ja auf eine ungewöhnliche lange Erfahrung im Umgang mit den Rechten zurück. Als in Deutschland die diversen Gruppierungen und Parteien noch allein als Ewiggestrige wahrgenommen wurden - was mit der Hoffnung auf ein baldiges Aussterben verbunden war -, zeigte Jörg Haider in Österreich längst, wie man rechtsrum in die Zukunft kommt.

Mitte der Achtzigerjahre schon brachte er die FPÖ auf einen ziemlich stringenten Aufstiegskurs. Natürlich gab es dabei Aufs und Abs, Zerwürfnisse, Spaltungen, Rückschläge. Es gab eine Regierungsbeteiligung in den Jahren 2000 bis 2006 unter dem ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel, die von den EU-Partnern Österreichs mit Sanktionen beantwortet wurde.

Das hat der FPÖ eher noch genutzt, und langfristig geschadet hat ihr nicht einmal das Chaos, das sie damals in der Regierung veranstaltet hat. Kurzzeitig verlor sie zwar fast die Hälfte ihrer Wähler, doch es dauerte nicht allzu lange, bis sie wieder zu ungefähr der alten Stärke zurückfand.

Der Grund dafür liegt weniger bei der FPÖ und mehr bei der Konkurrenz. Als bester Dünger für die rechten Gewächse erwies sich stets die große Koalition aus SPÖ und ÖVP, die auch das vergangene Jahrzehnt über Österreich mehr verwaltet als regiert hat.

Neben der Fremdenfeindlichkeit hat dies den Freiheitlichen ein zweites, zugkräftiges Thema beschert. Auch in diesem Wahlkampf durften sie wieder gegen den "rot-schwarzen Speck" oder das "rot-schwarze Raubrittertum" wettern.

Wie ausgezehrt die Volkspartei und die Sozialdemokraten tatsächlich sind, zeigt sich nun darin, dass sie es weitgehend aufgegeben haben, die FPÖ inhaltlich zu bekämpfen. Die SPÖ hat zwar vor allem zum Ende des Wahlkampfs noch einmal stark ihr Kernthema soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund zu schieben versucht und vor dem Schreckgespenst einer schwarz-blauen Koalition gewarnt.

Ausgezehrte Volksparteien

Doch die Volkspartei von Sebastian Kurz hat ganz auf eine Art Wandel durch Annäherung gesetzt. Die Annäherung könnte man dabei schlicht Themenklau nennen, und gewandelt hat sich vor allem die ÖVP, die sich dem Rechtspopulismus hingegeben hat.

Der Preis dafür ist hoch. Denn die Rechten stoppt man nicht mit dem eigenen Sündenfall, sondern nur mit klaren Alternativangeboten an die Wähler. Auseinandersetzung ist nötig, nicht Anbiederung. Wer drauf verzichtet, der lässt es zu, dass die Politik im Populismus versinkt.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2017/odg
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