Parlamentswahl:Spaniens Sozialisten fürchten eine schmachvolle Regierungsbeteiligung

People's Party  leader Mariano Rajoy, Spain's Socialist party leader Pedro Sanchez, Ciudadanos leader Albert Rivera and Podemos leader Pablo Iglesias,  pose at start of a televised debate in Madrid

Links oder rechts? Das ist die Frage für Pedro Sánchez (2. v.l.) bei der Parlamentswahl in Spanien. Die übrigen Kandidaten: Mariano Rajoy (l.), Albert Rivera (2.v.r.), Pablo Iglesias (r.).

(Foto: REUTERS)
  • Die TV-Debatte der vier Spitzenkandidaten vor der Wahl in Spanien offenbart das Dilemma, in dem der Sozialdemokrat Pedro Sánchez steckt.
  • Ihm droht die Rolle des Juniorpartners - entweder in einer großen Koalition mit der konservativen Volkspartei oder aber mit dem linksalternativen Bündnis Unidos Podemos.
  • Alle Kandidaten versprechen, für eine Regierungsbildung nach der Neuwahl am 26. Juni "alles zu tun". Dabei wird es sicher nicht einfacher als nach der Wahl im vergangenen Dezember.

Analyse von Benedikt Peters

Drei Minuten vor Beginn sieht es so aus, als würde die TV-Debatte zur spanischen Parlamentswahl ohne Pedro Sánchez stattfinden. Seine drei Widersacher - Ministerpräsident Mariano Rajoy vom konservativen Partido Popular (PP), Albert Rivera von den liberalen Ciudadanos und der linke Pablo Iglesias von Podemos - haben sich längst die Hände geschüttelt und warten vor der Bühne im Palacio de Las Cortes, dem Sitz des spanischen Parlaments.

Hier werden die Spitzenkandidaten der vier großen Parteien gleich über die wichtigsten Themen diskutieren, die bei der Wahl am 26. Juni eine Rolle spielen - über die mögliche Abspaltung Kataloniens, über die Wirtschaft, über die Korruptionsaffären, die das Vertrauen in die etablierten Parteien erschüttert haben. Und natürlich auch über die erst sechs Monate, die seit der letzten Parlamentswahl verstrichen sind. Seitdem liegen die Regierungsgeschäfte weitgehend brach, weil sich die Parteien nicht auf eine Koalition einigen konnten.

Von Pedro Sánchez aber, dem sozialistischen Spitzenkandidaten, ist noch immer nichts zu sehen. "Kommt er nun oder kommt er nicht?", fragt ein Moderator. Dann, endlich, schwebt er mit seiner Entourage die Rolltreppe herab, so wirkt es zumindest in der Fernsehübertragung. Die Diskussion beginnt - mit acht Minuten Verspätung.

Sánchez droht die Rolle des Juniorpartners

Eigentlich hätte man es Sánchez nicht verdenken können, wenn er einfach nicht zur TV-Debatte gekommen wäre. Am 26. Juni wählt Spanien ein neues Parlament - und für den Chef des Partido Socialista Obrero Espanol (PSOE) deutet alles darauf hin, dass der Wahltag sehr unangenehm werden dürfte.

Wie fast überall in Europa stecken die spanischen Sozialdemokraten im Umfragetief, den Instituten zufolge kommen sie auf etwa 20 Prozent. Mit ziemlicher Sicherheit bedeutet das nur Platz drei - eine neue Erfahrung für die Sozialdemokraten, die bisher im Wechsel mit den Konservativen regiert hatten. Die regierende konservative Volkspartei kommt Umfragen zufolge diesmal auf etwa 30 Prozent. Und der linksalternative Hochschullehrer Iglesias liegt ebenfalls deutlich vor dem Sozialisten, seitdem seine Partei ein Bündnis mit der Vereinigten Linken (IU) eingegangen ist. Dort sind sozialistische, grüne und kommunistische Politiker vertreten. Das neue Bündnis nennt sich "Unidos Podemos" - übersetzt so viel wie: "Gemeinsam schaffen wir's."

Wenn alles so bleibt, kann sich Sánchez aussuchen, wen er als Juniorpartner zum neuen Präsidenten macht: Rajoy, den grauhaarigen Mann in Anzug und Krawatte, der jetzt, beim TV-Duell, rechts von ihm steht. Oder doch den Herrn ganz links mit Jeans und Pferdeschwanz, Pablo Iglesias. Der Ciudadanos-Mann, der wie Sánchez zwischen beiden steht, wird nach jetzigem Stand keine entscheidende Rolle spielen - nach einem anfänglichen Höhenflug gelten Riveras Liberale als zu schwach für eine Regierungsbeteiligung.

Sánchez' Fehde mit Iglesias

Sánchez' Problem ist, dass er beides eigentlich nicht machen will. Rajoys Regierungspartei ist in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt. Seine Kontrahenten versuchen, das in der TV-Debatte aufzuspießen. Sie verweisen auf die zahlreichen Korruptionsaffären und auf seine Wirtschaftspolitik, die den Graben zwischen Arm und Reich vertieft hat. Sánchez erklärt mehrfach, er wolle verhindern, dass Rajoy als Ministerpräsident wiedergewählt werde.

Stattdessen Iglesias zum Ministerpräsidenten zu küren, wäre aber die vielleicht noch größere Schmach für ihn. Unidos Podemos hat die Sozialdemokraten von links überholt. Bei wirtschaftlichen Themen könnte man sich wohl einigen, wahrscheinlich sogar beim Thema Katalonien.

Podemos fordert, den traditionell Madrid-kritischen Landesteil über seine Unabhängigkeit abstimmen zu lassen. Die Sozialisten lehnen dies zwar ab, regieren aber gleichzeitig in Barcelona gemeinsam mit der zu Podemos gehörenden Bürgermeisterin Ada Colau. Das signalisiert: Die Frage könnte man klären, wenn man es denn wollte.

Das Problem aber, so wirkt es zumindest an diesem Abend, ist eine persönliche Fehde zwischen Sánchez und Iglesias. "Du hättest mich ja wählen können", sagt Sánchez mehrmals in die Richtung des Linken mit dem Pferdeschwanz. "Aber du hast es nicht getan."

Die Regierungsbildung dürfte erneut schwierig werden

Sánchez bezieht sich auf die vorangegangene Wahl vom 20. Dezember. Der Sozialdemokrat hatte versucht, eine Minderheitsregierung mit den liberalen Ciudadanos zu schmieden. Podemos hätte sie dulden müssen, damit Sánchez ins Amt gekommen wäre. Da seine Partei aber nicht beteiligt gewesen wäre, lehnte Iglesias ab - was Sánchez ganz offensichtlich verbittert hat.

Gegen Ende der Debatte, als der Sozialdemokrat ihn wieder einmal wegen der verweigerten Stimmen angreift, verlegt sich Iglesias gar aufs Flehen. "Der Gegner bin nicht ich, Pedro. Es ist Rajoy." Leicht zu sagen für jemanden, der sich anschickt, durch die Neuwahl zu gewinnen.

Die Regierungsbildung nach der Wahl dürfte angesichts dieser Befindlichkeiten schwierig werden - obwohl die vier Kandidaten zu Beginn der TV-Debatte einhellig versprachen, "alles zu tun", damit die Wahlen nicht noch einmal wiederholt werden müssten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: