Parlamentswahl:Norweger wählen Stoltenberg ab

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Seit 2005 im Amt, jetzt ohne Mehrheit: Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg während der Wahlnacht in Oslo (Foto: AFP)

Rot-Rot-Grün hat in Norwegen keine Mehrheit mehr. Obwohl die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stoltenberg stärkste Partei bei der Parlamentswahl bleiben, könnte ein Viererbündnis unter Erna Solberg die Regierungsverantwortung übernehmen. Die Rechtspopulisten, denen einst auch der spätere Massenmörder Breivik angehörte, erhalten wieder Zulauf.

Bei der Parlamentswahl in Norwegen hat der langjährige Ministerpräsident Jens Stoltenberg die Mehrheit an die Konservativen verloren. Nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen kam die Koalition der Herausforderin Erna Solberg am Montag auf etwa 99 der insgesamt 169 Sitze.

Noch am Wahlabend gestand der seit 2005 regierende Stoltenberg die Niederlage seiner Koalition ein. "Wir wissen, dass es eine schwierige Aufgabe war", sagte er: "Wir haben unser Ziel nicht erreicht, die Mehrheit zu bekommen."

Für eine Mehrheit sind im norwegischen Parlament 85 Mandate nötig. Stoltenbergs Koalition aus Arbeiterpartei, Sozialistischer Linkspartei und Zentrumspartei lag in der Nacht bei 69 Sitzen im norwegischen Storting. Stoltenbergs Sozialdemokraten bleiben mit etwa 30 Prozent der Stimmen zwar stärkste Partei. Doch es fehlen ihr die Koalitionspartner. Zweitstärkste Partei ist Solbergs Høyre mit etwa 26 Prozent. Mit einem offiziellen Auszählungsergebnis wird für die Nacht zu Dienstag gerechnet.

Die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FRP) lag bei etwa 16 Prozent. Damit ist sie relativ stark im neuen Parlament vertreten. Vor vier Jahren erreichte sie noch 22 Prozent. Nach den Anschlägen von Anders Behring Breivik glaubten viele, die FRP würde in der Versenkung verschwinden.

Schließlich war der spätere Massenmörder, Breivik, der am 22. Juli 2011 in Oslo und Utøya 77 Menschen getötet hat, einst selbst Mitglied der Jugendorganisation der FRP. Nach den enormen Verlusten in Folge der Anschläge erhielt die Partei nun aber wieder mehr Zulauf.

"Wir werden die härtesten Verhandlungspartner sein", kündigte die Parteichefin der Fortschrittspartei, Siv Jensen, am Montagabend an. Sollte es zu einer Koalition mit Solbergs Partei Høyre kommen, wären die Rechtspopulisten zum ersten Mal überhaupt an einer Regierung beteiligt.

Die Rechtspopulisten fordern eine Begrenzung der Einwanderung und haben den Wählern höhere Zahlungen aus dem durch Öleinnahmen finanzierten Pensionsfonds versprochen. Høyre-Chefin Solberg will am liebsten mit allen drei anderen Parteien aus dem bürgerlichen Lager - der Christlichen Partei, der liberalen Venstre und der Fortschrittspartei - eine Regierung bilden.

Stoltenberg will "Verantwortung übernehmen"

Doch die Rechtspopulisten und die Christen liegen in ihren Ansichten weit auseinander. Deshalb war nach der Wahl zunächst unklar, wie eine zukünftige bürgerliche Regierung aussehen könnte. In den kommenden Tagen will Solberg zunächst mit ihrer eigenen Partei beraten. Erst danach werde sie mit den anderen Parteien verhandeln.

Stoltenberg kündigte an, dass "eine starke Arbeiterpartei immer bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen", falls die Opposition es nicht schaffen sollte, eine Koalition zu bilden. Ministerpräsident "Jens" und seine Sozialdemokraten sind beim Volk ausgesprochen beliebt. Als Landesvater hat sich Stoltenberg nach den Breivik-Anschlägen und während der Finanzkrise nach Ansicht vieler Norweger bewährt.

Norwegens Wirtschaft ist unter ihm kerngesund, dank seiner gigantischen Öleinnahmen gilt das Land als eines der reichsten der Welt. Dazu liegt die Arbeitslosenquote bei nur 3,3 Prozent.

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