Parlamentswahl in Irland:Sinn Féin gleichauf mit etablierten Parteien

The Votes Are Counted In The Irish General Election

Auszählung in Dublin: Wichtiger als Brexit fanden Wähler Themen wie Wohnen und Rente.

(Foto: Charles McQuillan/Getty)
  • Nachwahlbefragungen und Prognosen sehen die linksgerichtete Sinn Féin so gut wie gleichauf mit den beiden etablierten konservativen Parteien Fine Gael und Finna Fáil.
  • Der Parlamentswahl am Samstag dürfte nun eine äußerst schwierige Regierungsbildung folgen.
  • Sinn Féin versprach den Bau von mehr Wohnungen, eine bessere Gesundheitsversorgung und die Rente mit 65 statt wie geplant mit 68.

Von Alexander Mühlauer, London

Die Auszählung der Stimmen begann erst am Sonntagvormittag, doch schon da war klar: So eine Wahl hat Irland noch nicht erlebt. Auch wenn bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch kein amtliches Endergebnis vorlag, versprachen die Nachwahlbefragungen und Prognosen nicht weniger als eine Zäsur in der irischen Politik. Erstmals lag die linksgerichtete Sinn Féin so gut wie gleichauf mit den beiden etablierten konservativen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil. Jede der drei Parteien erhielt demnach 22 Prozent der Stimmen. Der Parlamentswahl am Samstag dürfte nun eine äußerst schwierige Regierungsbildung folgen.

Der Erfolg von Sinn Féin, die einst als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA galt, hatte sich in der vergangenen Woche abgezeichnet. Schon in Umfragen war sie ganz vorne gelegen. Sinn Féin setzte im Wahlkampf vor allem sozialpolitische Themen, um sich von den beiden bürgerlichen Parteien zu unterscheiden. Sinn Féin versprach den Bau von mehr Wohnungen, eine bessere Gesundheitsversorgung und die Rente mit 65 statt wie geplant mit 68. Hinzu kam die Forderung einer sogenannten "Border Poll": In den kommenden fünf Jahren sollen die Iren über die Wiedervereinigung des britischen Nordirlands mit der Republik Irland abstimmen.

Vor allem die jungen Iren verbinden die Partei nicht mehr mit dem Terrorismus

Bei der letzten Wahl im Jahr 2016 erhielt Sinn Féin nur knapp 14 Prozent der Stimmen. Fine Gael lag damals mit 25 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Fianna Fáil mit 24 Prozent. Doch mit der Machtbalance der beiden ist es nun vorbei. Seit Mary Lou McDonald den Vorsitz von Sinn Féin vor zwei Jahren übernahm, ging es mit ihr aufwärts. McDonald gelang es, der Partei ein neues Image zu geben. Vor allem bei jungen Iren wird Sinn Féin nicht mehr mit dem Terrorismus der IRA in Verbindung gebracht. Den Nachwahlumfragen zufolge lag die Partei in der Wählergruppe der 18- bis 24-Jährigen mit fast 32 Prozent der Stimmen auf Platz eins.

McDonald kündigte an, mit den kleineren Parteien Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung aufzunehmen. Die Grünen konnten ihr Ergebnis laut Nachwahlumfragen auf fast acht Prozent mehr als verdoppeln. Die Labour-Partei verlor etwa einen Prozentpunkt und landete bei nur noch knapp fünf Prozent. "Ich möchte, dass wir idealerweise eine Regierung ohne Fianna Fáil oder Fine Gael haben", so McDonald.

Trotz dieses Erfolgs dürfte Sinn Féin nicht die nächste Regierungschefin Irlands stellen. Die Partei hat dafür einfach zu wenige Kandidaten in den Wahlkreisen aufgestellt. Während Fine Gael und Fianna Fáil jeweils über 80 potenzielle Abgeordnete nominierten, waren es bei Sinn Féin lediglich 42. Im Dáil, dem irischen Parlament, sind 160 Sitze zu vergeben. Offenbar hatte Sinn Féin mit dem eigenen Erfolg nicht gerechnet, als sie im Januar ihre Kandidaten aufstellte.

Möglich wäre eine Minderheitsregierung

Sowohl Fine Gael, die Partei von Premierminister Leo Varadkar, als auch Fianna Fáil haben eine Koalition mit Sinn Féin ausgeschlossen. Beide lehnen ein Referendum über die Vereinigung Irlands ab. Während Varadkar einen Pakt mit Fianna Fáil nicht ausgeschlossen hat, ist deren Vorsitzender Micheál Martin bislang dagegen. Beide konservativen Parteien können einander nicht leiden, seit sie sich im Bürgerkrieg vor gut 100 Jahren einen blutigen Kampf lieferten. Von 1932 an stellte immer eine der beiden Parteien den Taoiseach, wie der Premierminister in Irland genannt wird.

Möglich wäre daher eine erneute Minderheitsregierung. Bislang unterstützte Fianna Fáil Varadkar mit einem sogenannten Vertrauensabkommen. Als der Taoiseach die Neuwahlen im Januar ausrief, hatte er eigentlich mit einem Brexit-Bonus gerechnet. Schließlich gelang es Varadkar im Gespräch mit dem britischen Premier Boris Johnson, die umstrittene Irland-Frage zu klären. Dank seines Verhandlungsgeschicks gibt es nun keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland. Obwohl das nun so im Austrittsabkommen verankert ist, spielte das bei der Wahl so gut wie keine Rolle. Nur ein Prozent der Wähler gab bei einer Nachwahlbefragung an, dass der Brexit ihre Entscheidung beeinflusst habe, berichtete der irische Rundfunk. Den Wählern seien die Themen Gesundheit, Wohnen und Rente am wichtigsten gewesen - im Grunde all das, womit Sinn Féin für sich geworben hatte.

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