Parlamentswahl in Weißrussland:Bundesregierung verurteilt Wahlsieg von Lukaschenko

Eine Wahl wie zu Sowjetzeiten: Schon bevor alle Stimmen in Weißrussland ausgezählt sind, bestehen an einem Sieg des autoritären Staatschefs Lukaschenko keine Zweifel. Die Bundesregierung spricht von einer Tragödie für das Land. Auch die OSZE hat die Wahlen verurteilt.

Die Bundesregierung hat die Parlamentswahlen in Weißrussland scharf verurteilt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Abstimmung habe in einem Umfeld stattgefunden, das freie Wahlen kaum ermöglicht. Staatschef Lukaschenko setze weiter auf Unterdrückung. "Das ist für sein Land und die Bürger in Weißrussland eine Tragödie", sagte Seibert. Er forderte die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und ein Ende der Repression.

Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die Parlamentswahl in Weißrussland scharf kritisiert. Die Abstimmung sei internationalen Standards nicht gerecht geworden, erklärte die OSZE in ihrem Wahlbericht. "Eine freie Wahl impliziert, dass die Menschen frei sind, sich zu äußern, sich zu organisieren und ein Mandat anzustreben, aber wir haben nichts dergleichen während des Wahlkampfes gesehen", erklärte der Koordinator der OSZE-Wahlbeobachtermission, Matteo Mecacci.

Mehrere Oppositionsparteien, die die Abstimmung am Sonntag boykottierten, sprachen von einer undemokratischen und nicht transparenten Wahl. Lukaschenko dagegen lobte die Bürger, die ihre Stimmen abgaben, für "bewusstes politisches Handeln". Den Boykott der Opposition bezeichnete er als ein Zeichen ihrer Schwäche.

Bei der umstrittenen Wahl hat die Opposition nach offiziellen Angaben vermutlich kein einziges Mandat errungen. Nur einer der 110 Abgeordneten habe nicht gewählt werden können, weil er in seinem Wahlkreis die absolute Mehrheit verfehlt habe. Die Abstimmung werde dort wiederholt, sagte die Leiterin der Wahlkommission, Lidja Jermoschina. Sie hielt es für "wenig wahrscheinlich", dass unter den Gewählten ein Angehöriger der Opposition sei.

Die Wahlbeteiligung gab Jermoschina mit 74,2 Prozent an. Die Opposition zog die hohe Zahl in Zweifel. Die Wahlkommission lüge "schamlos", ihre Angaben unterschieden sich "radikal" von denen der Wahlbeobachter, sagte Vitali Rimaschewski von der Christdemokratischen Partei der Nachrichtenagentur AFP. Rimaschewski verwies auf Schätzungen seine Partei, wonach lediglich etwa 38 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten. In fast allen großen Städten habe es einen Boykott gegeben.

Die Vereinigte Bürgerpartei und die Weißrussische Nationale Front sowie weitere Gruppierungen, hatten sich zuvor von der Wahlkommission von den Stimmzetteln streichen lassen. Sie kritisierten die Behandlung von politischen Gefangenen und wiesen auf viele Möglichkeiten für Wahlbetrug hin. Jermoschina lobte hingegen der Nachrichtenagentur Interfax zufolge das Verhalten der weißrussischen Wähler als vorbildlich. Betrugsvorwürfe wies sie zurück, der Wahlverlauf entspreche den Vorgaben der weißrussischen Gesetzgebung, sagte sie.

2010 wurden Proteste wegen mutmaßlichem Wahlbetrugs unterdrückt

Die neuen Abgeordneten wurden nur mit Nachnamen, aber nicht nach politischer Zugehörigkeit angegeben. Unter dem seit 18 Jahren autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko gibt es ohnehin keine offizielle Regierungspartei.

Etwa sieben Millionen Menschen waren in der früheren Sowjetrepublik zur Wahl aufgerufen. Lukaschenko wurde zuletzt im Dezember 2010 im Amt bestätigt. Gegen anschließende Massenproteste wegen mutmaßlicher Wahlfälschungen gingen die Behörden brutal vor. Es gab zahlreiche Festnahmen und Verurteilungen, noch heute sitzt ein Dutzend Oppositioneller und Menschenrechtsaktivisten in Haft.

Lukaschenko gab seine Stimme in Begleitung seines jungen Sohn Kolja in seinem Wahlkreis der Hauptstadt Minsk ab. "Bis jetzt gibt es nichts zu kritisieren", sagte er Journalisten. Andere Länder müssten Weißrussland um "unsere langweilige Wahl beneiden. Wir brauchen keine Revolutionen oder Umstürze", fügte er hinzu.

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