Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl in Russland:"Das war eine Ermächtigungsinszenierung"

Nach dem haushohen Sieg der Putin-Partei "Einiges Russland" bei der Dumawahl gibt es harsche Kritik aus dem Ausland. Vor allem Unions-Außenpolitiker Eckart von Klaeden fand deutliche Worte.

Bei der Wahl zur russischen Staatsduma hat die Partei "Einiges Russland" von Präsident Putin einen klaren Sieg errungen: Nach der Auszählung von 97,8 Prozent der Stimmen erhielt die Regierungspartei 64,1 Prozent. Weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz landete die Kommunistische Partei mit 11,6 Prozent. Zwei weitere Parteien schafften noch den Sprung über die Sieben-Prozent-Hürde, darunter die Putin-treue Partei Gerechtes Russland

Die Wahlergebnisse wurden in Mittel- und Westeuropa mit großer Skepsis aufgenommen. CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden warf Putin schweren Wahlbetrug vor. "Angesichts der massiven Manipulationen vor der Parlamentswahl ist es kein Wunder, dass die demokratische Opposition den Einzug in die Duma nicht geschafft hat", sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion am Montag. "Das sind keine Wahlen gewesen, sondern das war eine Ermächtigungsinszenierung. Putin bleibt der mächtige Mann in Russland."

Der Koordinator der Bundesregierung für die Russlandpolitik, Andreas Schockenhoff (CDU), forderte einen politischen Kurswechsel in dem Land zu mehr Demokratie. Die Oppositionsparteien seien massiv behindert worden, sagte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion am Montag im Deutschlandradio Kultur.

Der Russische Präsident Wladimir Putin habe "jetzt eine noch größere Verantwortung für die Demokratisierung in Russland, denn er hat sich eine angepasste Duma geschaffen", betonte er. Die Duma ist das russische Parlament. Das Ziel der Bundesregierung müsse nach dem Wahlausgang auf eine weitere Demokratisierung Russlands gerichtet sein, sagte er.

Die Abstimmung habe gezeigt, dass Russland keine Demokratie ist. Dennoch bleibe die Europäische Union an einem partnerschaftlichen und guten nachbarschaftlichen Verhältnis interessiert.

"Verletzung der Grundrechte"

Auch die Europäische Union kritisierte den Verlauf der Wahl. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte, die Europäische Kommission betrachte dabei nicht nur den Wahltag selbst, sondern auch den Vorlauf. "Da haben wir zum Teil Verletzungen der Grundrechte, vor allem der Rede- und der Versammlungsfreiheit gesehen."

Auch OSZE und Europarat haben den Verlauf der Parlamentswahl in Russland als unfair kritisiert. "Die Wahl war nicht fair und hat vielen Standards und Vorgaben der OSZE und des Europarats für demokratische Wahlen nicht entsprochen", erklärte die gemeinsame Beobachtergruppe beider Organisationen am Montag in Moskau.

Der Bundestagsabgeordnete Christian Kleiminger (SPD), der als OSZE-Wahlbeobachter in Russland war, bezeichnete die Abstimmung als "unfair". Putin habe alle Weichen gestellt, sagte er im ZDF. "Die Opposition hatte keine Chance." So sei ihr etwa die Möglichkeit verwehrt gewesen, ihre Botschaft in den Medien zu verbreiten.

Er selbst habe kein Manipulation festgestellt, sagte Kleiminger. In anderen Landesteilen könne es aber zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, das müsse nun geprüft werden.

Der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew, zeigte sich im ZDF zufrieden mit dem Wahlausgang. Nach "Versuchen, das Land zu desintegrieren", gebe es nun viel mehr Einheit in Russland, sagte Kotenew. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten änderten nichts am Ergebnis.

Über den Oppositionspolitiker Garri Kasparow sagte der Diplomat, der ehemalige Schachweltmeister werde in der Bevölkerung als Rebell wahrgenommen. "Die Opposition setzt auf Krawall und Provokation", kritisierte Kotenew. Er betonte gleichzeitig, dass es in seinem Land garantierte Rechte für die Opposition gebe. Medien und Politik in Deutschland sollten sich davor hüten, in ihrem Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien zu verfallen.

Bereits am Wahlsonntag hatte die Opposition viele Unregelmäßigkeiten beklagt, die Behörden sprachen dagegen von problemlosen Wahlen und "unbedeutenden Wahlrechtsverstößen".

KP-Chef Gennadi Sjuganow sprach von der "unverantwortlichsten und schmutzigsten Wahl" sei dem Ende der Sowjetunion. Die kommunistische Partei kündigte eine Anfechtung der Wahl an. In einigen Regionen seien zusätzliche Wahlzettel in großer Zahl in die Urnen geschleust worden, berichtete der Parteivorstand.

Zudem hätten Wahlbeobachter den massenhaften Missbrauch von Berechtigungsscheinen moniert, mit denen größere Gruppen von Wählern angeblich gleich in mehreren Wahllokalen ihre Stimme abgaben. Die Kommunistische Partei will in den kommenden Tagen gegen die Wahl demonstrieren.

Auch das Bündnis Anderes Russland von Putin-Gegner Garri Kasparow kündigte für Montag Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg an. Kasparow, dessen Partei zur Wahl nicht zugelassen war, wolle einen Kranz vor dem Gebäude der Wahlkommission niederlegen, um "den Tod der russischen Demokratie zu betrauern", hieß es.

Der Oppositionspolitiker und ehemalige Schachweltmeister Kasparow bezeichnete die Wahl als Farce: "Tatsache ist, sie manipulieren nicht nur die Wahl. Sie schänden auch das demokratische System."

"Die Leute wurden gezwungen, zur Wahl zu gehen", sagte der Führer der liberalen Union der rechten Kräfte, Boris Nemzow. "Andernfalls hätten sie nicht ihre Gehälter oder Renten bekommen."

Kandidat für Präsidentenwahl

Unterdessen kündigte Einiges Russland an, auf einem Parteitag am 17. Dezember ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl im kommenden März bekanntgeben zu wollen. Das teilte die Gouverneurin von St. Petersburg, Walentina Matwijenko, nach Angaben der Agentur Interfax mit. Amtsinhaber Putin hatte mehrfach betont, er wolle gemäß Verfassung im kommenden Mai abtreten, aber zugleich die Fäden weiter in der Hand behalten.

Russische Experten vermuten, die Partei könnte einen Putin treu ergebenen Politiker als Kandidaten vorschlagen, der die Politik des 55-Jährigen fortsetzen würde. Putin hatte einen Erfolg bei der Parlamentswahl als wichtige Voraussetzung für die Präsidentenwahl bezeichnet.

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