Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl in Katalonien:Unabhängigkeitsbefürworter verteidigen die absolute Mehrheit

  • Das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter hat die Parlamentswahlen in Katalonien gewonnen.
  • Es wird von Junts per Catalunya angeführt, der Wahlliste des von Madrid entmachteten Ex-Regionalpräsidenten Puigdemont.
  • Stärkste Partei sind die liberalen Ciutadans, entschiedene Gegner einer Abspaltung.
  • Die konservative Volkspartei von Ministerpräsident Rajoy geht deutlich geschwächt aus der Wahl hervor.

Von Barbara Galaktionow

Das Lager der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter hat seine Mehrheit im Parlament behauptet. Nach Auszählung fast aller Stimmen kommen die drei Parteien gemeinsam auf 70 Sitze der 135 Sitze im Parlament, wie auf der Webseite der Regionalregierung mitgeteilt wird. Für die Mehrheit sind 68 Sitze nötig.

Entgegen aller Umfragen vor der Wahl liegt die Liste Junts per Catalunya (JxCat) des entmachteten liberalkonservativen Regionalchefs Carles Puigdemont mit 34 Sitzen vor den Linksrepublikanern der ERC, die 32 Sitze erhalten. Dritter im Bunde ist die neomarxistische CUP, die aber deutlich an Zustimmung verliert, statt zehn wird sie im neuen Parlament nur noch vier Sitze haben. Die CUP hatte den Unabhängigkeitsprozess im alten Parlament besonders unnachgiebig vorangetrieben.

Puigdemont richtete nach dem Ergebnis klare Worte an die Zentralregierung in Madrid: "Der spanische Staat ist besiegt worden", sagte er in Brüssel, wohin er sich abgesetzt hatte, um in Spanien einer Verhaftung zu entgehen. Für den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy sei das Votum ein "Schlag ins Gesicht". Die spanische Regierung müsse nun ihr Verhalten ändern.

Zur stärksten Partei im Parlament wurde die liberale Bürgerpartei Ciutadans/Ciudadanos (Cs) gewählt. Der Parteiname steht - einmal auf spanisch und einmal auf katalanisch - für "Bürger". Die Cs gehört dem Lager der Unabhängigkeitsgegner, den sogenannten constitutionalistas an. Die verweisen darauf, dass die spanische Verfassung die Abspaltung einer Region nicht vorsieht. Unter ihrer Spitzenkandidatin Inés Arrimadas legten die Liberalen deutlich zu - von zuletzt 25 auf nun 37 Sitze.

Inés Arrimadas kündigte nach dem Sieg ihrer Partei an, im künftigen Parlament weiter gegen die Separatisten vorgehen zu wollen. Diese "können niemals behaupten, für ganz Katalonien zu sprechen", sagte sie. Sie wolle weiter für eine friedliche Koexistenz kämpfen, für den gesunden Menschenverstand und ein Katalonien für alle Katalanen.

Ein herber Schlag ist das Wahlergebnis für den spanischen Ministerpräsidenten Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP). Er hatte gehofft, dass die Befürworter einer Abspaltung der Region geschwächt aus den Wahlen hervorgehen würden. Dass sie dies nicht tun, dürfte eine Lösung des Konflikts zwischen Barcelona und Madrid erschweren. Zudem stürzte seine Partei in Katalonien ab. Statt mit elf Sitzen wird sie nur noch mit drei Sitzen vertreten sein.

Die katalanischen Sozialisten (PSC) gewannen einen Sitz dazu, sie werden 17 Vertreter ins Parlament entsenden können. Die PSC gehört ebenfalls dem Lager der Unabhängigkeitsgegner an. Spitzenkandidat Marcel Iceta hatte aber im Wahlkampf versucht, sich in der Rolle des politischen Mittlers zwischen den Lagern zu positionieren.

Das hatte auch Catalunya en Comú-Podem (CeC-Podem) versucht. Die gemeinsame Wahlliste des lokalen Ablegers von Podemos und Barcelona en Comú hatte sich zwar ebenfalls gegen eine einseitig ausgerufene Unabhängigkeit ausgesprochen. Auf der anderen Seite aber das harte Vorgehen der Zentralregierung gegen die Regionalregierung in Barcelona missbilligt. Das Bündnis büßte mit dieser Haltung drei Sitze ein und kommt jetzt auf elf.

Das politisch aufgeheizte Klima, in dem die Neuwahl in Katalonien stattfand, hat zu einer Wahlbeteiligung auf Rekordniveau geführt. Knapp 82 Prozent der Wahlberechtigten gaben nach offiziellen Angaben ihre Stimme ab. Bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren waren es nur etwa 75 Prozent.

Spitzenkandidaten in U-Haft und im Exil

Die Zentralregierung in Madrid hatte die Regionalregierung in Barcelona Ende Oktober entmachtet und Neuwahlen angeordnet. Sie reagierte damit auf die immer konkreter werdenden Unabhängigkeitsbestrebungen der Puigdemont-Regierung. Die hatte Anfang Oktober ein Referendum über die Abspaltung durchführen lassen, obwohl dieses vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war. Dabei sprach sich eine Mehrheit der Abstimmenden für die Unabhängigkeit aus; allerdings gingen nur etwas mehr als 40 Prozent der Stimmberechtigten zur Wahl. Ende Oktober votierte die Parlamentsmehrheit für die Unabhängigkeit.

Die Wahlen fanden unter ungewöhnlichen Umständen statt: Einige der wichtigsten Kandidaten sitzen wegen des Vorwurf der Rebellion im Gefängnis - wie ERC-Spitzenkandidat Oriol Junqueras. Oder hatten sich - wie der liberalkonservative Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont (JxCat) - nach Brüssel abgesetzt, um einer Festnahme zu entgehen.

Vor der Wahl hatte Puigdemont verkündet, im Falle eines Wahlsiegs nach Katalonien zurückkehren zu wollen. In Spanien droht ihm jedoch die sofortige Festnahme. Am Wahltag sandte er einen Appell an seine Anhänger: "Wir werden heute erneut die Stärke eines unbeugsamen Volkes unter Beweis stellen", schrieb er auf Twitter.

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