Parlamentswahl in Iran:Bedrohliche Ruhe nach dem Sturm

Die Cyber-Polizei schnüffelt im Netz, Google gilt als "Spionage-Instrument": In Iran wird die Opposition mundtot gemacht - nicht nur im Internet. Von der Aufbruchsstimmung der Grünen Revolution ist bei der Parlamentswahl nichts mehr zu spüren.

Tomas Avenarius

Wenn der freie Zugang zum Internet etwas aussagt über den Stand von Demokratie und Meinungsfreiheit in einem Staat, dann ist es um die Islamische Republik sehr schlecht bestellt. Die weltweit beliebte Suchmaschine Google wurde von den Behörden jüngst zum "Spionage-Instrument" erklärt, die Iraner können die E-Mail-Dienste von gmail oder Yahoo kaum noch aufrufen; wegen einer drastischen Herabsetzung der Surfgeschwindigkeit lassen sich staatliche Internet-Sperren auch mit der Hilfe von Proxy-Servern kaum noch überwinden. Wer es dennoch schafft, kann schnell zum Opfer einer neu geschaffenen Cyber-Polizei werden, die im Netz herumschnüffelt.

Und in den kommenden Monaten soll es noch ärger kommen. Mit einem "nationalen Internet" will Teheran angeblich dafür Sorge tragen, dass keine fremden Mächte das Land ausspähen. Wenn die landesweite Abschottung technisch funktioniert, sollen Medienberichten zufolge überhaupt keine westlichen oder nicht-muslimischen Seiten des weltweiten Netzes mehr angewählt werden können.

Das nationale Netz richtet sich natürlich gegen die Iraner selbst. Telekommunikationsminister Reza Taghipour verbrämte den Internet-Maulkorb mit ideologisch wohlgesetzten Worten: "Einheimische Software-Programme und sichere Kommunikationsstrukturen gehören zu den grundlegenden strategischen Maßnahmen im Bereich der Cyber-Sicherheit."

Was die Opposition gegen die Herrschaft von Ayatollah Ali Chamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad angeht, so herrscht in Iran vor der Parlamentswahl an diesem Freitag Friedhofsruhe. Die verschiedenen Machtgruppen und Flügel des Regimes mögen untereinander zerstritten sein und Grabenkämpfe um jeden einzelnen Parlamentssitz führen. Gegen Regimegegner aber treten die Machthaber geschlossen auf: Die Opposition wurde erfolgreich mundtot gemacht.

Die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" (AI) warnt deshalb: "Wer sich im heutigen Iran außerhalb eines vom Staat immer enger gefassten Korridors politischen oder sozialen Verhaltens stellt, setzt viel aufs Spiel." Wer im Internet aktiv werde, einer missliebigen NGO beitrete oder seine Gegnerschaft zum politischen Status Quo ausdrücke, riskiere, im Gefängnis zu landen.

Bezeichnenderweise trägt der AI-Report den gruseligen Titel: "Wir haben Befehl, Euch zu unterdrücken - die wachsende Repression gegen Opposition in Iran." AI verweist auf eine lange Reihe von Festnahmen: Es traf politische Aktivisten, Rechtsanwälte, Studenten, Journalisten, aber auch Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten. "Dies zeigt die Verlogenheit der iranischen Regierung, die sich solidarisch erklärt mit den Protesten in Ägypten, Bahrain und anderen Staaten der arabischen Welt."

Arabischer Frühling bleibt ohne Auswirkungen

Der Arabische Frühling ist am Muslimstaat Iran - die Perser sind keine Araber, sondern ein eigenes Volk - spurlos vorübergegangen. Während sich 2011 in Staaten wie Libyen, Tunesien, Ägypten, Syrien oder Jemen die Menschen gegen ihre autoritären Regime erhoben haben, blieb es in der Islamischen Republik ruhig. Die Opposition kann dem Regime nicht mehr viel entgegensetzen: Die Machthaber hatten die kurzzeitig erfolgreiche "grüne Bewegung", vielfach organisiert über Twitter und Facebook, nach den Massendemonstrationen gegen die manipulierte Präsidentschaftswahl im Juni 2009 niedergeschlagen.

Parlamentswahlen in Iran

Auf dem Weg zur Urne: Ein Iraner geht an einem Wahlplakat vorbei, um bei den heute beginnenden Parlamentswahlen seine Stimme abzugeben.

(Foto: REUTERS)

Mindestens neun Iraner starben bei den Straßenkämpfen. Mir Hossein Mousawi und Mehdi Karroubi, die Oppositionsführer, stehen unter Hausarrest. Andere bekannte Regimegegner wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, kritische Zeitungen geschlossen. So will die Führung sicherstellen, dass die "Grünen" kurz vor oder nach den Parlamentswahlen nicht doch zu Hunderttausenden auf die Straßen gehen wie im Sommer 2009.

Die Weltöffentlichkeit nimmt Iran fast nur noch wahr, wenn es um den Atomkonflikt geht. Nach persischen Angaben ist das Nuklearprogramm zivil, aber nicht nur die Israelis, sondern auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sehen Indizien für die Existenz eines Militärprogramms. Israel plant deshalb einen Militärschlag, und auch die US-Regierung schließt einen Angriff auf das Netz von Nuklearfabriken und Forschungslaboren nicht mehr aus. Die Perser drohen im Gegenzug mit Raketenangriffen auf Tel Aviv und die arabischen US-Verbündeten am Golf oder mit der Sperre der Straße von Hormus.

Allerdings setzt Washington noch auf die Kraft immer neuer Sanktionen. Und diese Sanktionen, lange Zeit als folgenlos geschmäht, zeigen inzwischen Wirkung. Die Strafmaßnahmen gegen die iranische Zentralbank und gegen internationale Ölgeschäfte mit Teheran machen es Iran schwer, seine Rohstoffe auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Gleichzeitig treffen die Sanktionspakete der USA und der Europäer die Bevölkerung, besonders den Mittelstand. Der Rial, die persische Währung, ist im Verfall. Dafür steigt der Dollar, der Schwarzhandel mit Devisen blüht. Versorgungsengpässe gibt es bisher zwar noch keine. Wegen der Kriegsgefahr horten viele Iraner aber bereits Lebensmittel und Alltagsgüter - und treiben die Inflation hoch.

Der Unmut im Volk scheint allerdings noch nicht so groß zu sein, dass er die Macht des Regimes gefährden könnte. Bei der Parlamentswahl sind systemfeindliche Kandidaten ohnehin nicht zugelassen, und unabhängige Kontrollen von außen gibt es nicht. Der Einsatz ausländischer Wahlbeobachter sei überflüssig, so das Kontrollgremium "Wächterrat". Die Anwesenheit solcher Kontrolleure wäre, so heißt es, "eine Beleidigung des iranischen Volks".

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