Parlamentswahl in Dänemark:Wunsch nach Wechsel

It's the economy, stupid: Wirtschaftsthemen beherrschen den dänischen Wahlkampf - und für die liberalkonservative Regierung sieht es schlecht aus. Erstmals könnte mit Helle Thorning-Schmidt eine Frau das skandinavische Land regieren - doch die strengen Ausländergesetze will die Sozialdemokratin nicht ändern.

Gunnar Herrmann, Kopenhagen

Für einen kurzen Moment wirkt Lars Løkke Rasmussen etwas hilflos. Gerade hat der dänische Ministerpräsident ausländischen Journalisten in markigen Worten erklärt, was er alles besser machen würde als die Opposition, sollte er an diesem Donnerstag die Wahl doch noch gewinnen. Dass er die Staatsverschuldung senken möchte und die Sozialreformen vollenden, hat er gesagt.

Electoral Round Up Ahead Of Danish Elections

Kopf an Kopf: Wahlplakate des konservativen Premiers Lars Løkke Rasmussen und seiner sozialdemokratischen Herausforderin Helle Thorning-Schmidt in Kopenhagen.

(Foto: Bloomberg)

Da fragt ihn ein Reporter, warum er damit nicht schon früher angefangen habe. Rasmussens liberalkonservative Koalition regiere doch bereits seit zehn Jahren. Der Ministerpräsident muss kurz überlegen. "Wir haben es ja probiert", sagt er schließlich. Es sei eben nicht möglich gewesen. Doch jetzt habe sich "die politische Agenda in Dänemark verändert". Dass es ihm nützt, ist unwahrscheinlich: Den Umfragen zufolge wird die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt bald in seine Staatskanzlei einziehen.

Seit drei Wochen tobt in Dänemark der Wahlkampf, und es geht dabei fast ausschließlich um Wirtschaftsthemen. Das ist neu, da hat Rasmussen recht. Einwanderung, Kulturkampf, Kopftuchdebatten - all die Themen, die in den vergangenen Jahren unter dem Einfluss der rechtspopulistischen Volkspartei die Debatte bestimmten, scheinen vergessen. Meinungsforscher sagen, die Wähler interessieren sich kaum noch für diese Dinge. Diesmal beschäftigen die Dänen andere Problemen: die Krise vor allem, die Folgen der überwundenen Rezession, die Arbeitslosigkeit, das Haushaltsdefizit.

Es sind Themen, die Rasmussen eigentlich liegen. Er war früher Finanzminister. Umfragen zeigen, dass die Leute seine Wirtschaftkompetenz hoch einschätzen. Trotzdem erlebten die Dänen in den vergangenen Wochen einen Regierungschef in der Defensive. Denn seine Gegnerin Thorning-Schmidt verspricht etwas, wonach sich offenbar viele sehnen: den Wechsel nach zehn Jahren bürgerlicher Macht. Der Wechsel sei überhaupt das wichtigste Thema der Wahl, erklärt die Sozialdemokratin. "Unsere Botschaft ist kurz und simpel: Dänemark muss sich wieder bewegen." Sie klingt dabei zuversichtlich und darf das auch sein.

"Ihre Mehrheit ist seit Monaten stabil. Es wäre sehr überraschend, wenn die Regierung es am Donnerstag noch einmal schaffen sollte", sagt Kasper Møller Hansen, Wahlforscher der Universität Kopenhagen. Die Sozialdemokraten haben vor der Wahl ein Bündnis mit der Sozialistischen Volkspartei geschmiedet. Sie wollen die öffentlichen Ausgaben erhöhen und zusätzliche Steuern auf Zigaretten, Süßigkeiten und von Millionären erheben.

Das zentrale Versprechen lautet: "12 Minuten mehr". Alle Dänen sollen diesem Vorschlag zufolge 38 statt bisher 37 Stunden die Woche arbeiten, um das Land aus der Krise zu schuften. Die Regierung möchte dagegen lieber Renten kürzen und die Lebensarbeitszeit verlängern, aber das ist unpopulär. Rasmussen verspricht außerdem, zu sparen, statt neue Steuern zu erheben.

Aufwind für die Kleinen

Um die Einheit mit ihren Bündnispartnern zu sichern, mussten Rasmussen und Thorning-Schmidt vor der Wahl viele Kompromisse schließen. Das hat ihr Profil verwässert, und davon profitierten nun vor allem kleinere Parteien. Von denen gibt es eine Menge - acht Gruppierungen dürfen auf Sitze im Folketing hoffen.

Besonders erfolgreich sind derzeit die linksliberalen Radikalen und die sozialistische Einheitsliste, die ihre Mandate verdoppeln oder gar verdreifachen könnten. Beide wollen Thorning-Schmidt als Ministerpräsidentin unterstützen, obwohl sie sehr verschieden sind: Während Radikalen-Chefin Margrethe Vestager einen liberalen Umbau der Sozialsysteme wünscht, findet Johanne Schmidt-Nielsen, 26-jährige Vorsitzende der Einheitsliste, Kapitalismus "zutiefst problematisch". Beide betonen, dass sie trotzdem gut miteinander auskommen. Gemeinsam wollen sie die harten Ausländergesetze nach der Wahl entschärfen. Das wiederum lehnen die Sozialdemokraten ab. Die Regierungsverhandlungen werden nicht einfach.

Größte Verliererin könnte die rechtspopulistische Volkspartei sein. Sie liegt in den Umfragen zwar bei zwölf bis 13 Prozent, etwa auf dem Niveau von 2007. Aber härter als Stimmeinbußen dürfte sie der Verlust ihrer Schlüsselposition treffen. Die liberalkonservative Minderheitsregierung war im Parlament auf die Rechtspopulisten angewiesen und musste ihnen viele Wünsche erfüllen, zuletzt die Verschärfung der Grenzkontrollen. Nach einem Regierungswechsel wären Kopftuch- und Einwanderungsdebatten nicht mehr so wichtig. Und die politische Agenda hätte sich nachhaltig verändert.

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