Parlamentswahl in Australien:Alles auf Wechsel

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Vom Hardliner zum Favoriten im Rennen um das Amt des Premiers: der Liberale Tony Abbott. (Foto: Lisa Maree Williams/Getty Images)

Die Australier wählen erst am Samstag ein neues Parlament. Doch die Chancen, dass der liberale Kandidat Abbott Premierminister Rudd stürzt, stehen so gut, dass ein Wettbüro schon jetzt die vermutlichen Gewinner ausbezahlt hat. Die Wechselstimmung ist schwer zu erklären, den meisten geht es unter der jetzigen Regierung gut.

Von Jan Bielicki

Geht es nach Australiens Buchmachern, ist längst alles klar. Zwar wählen die Australier erst an diesem Samstag ihr neues Parlament, aber ein Wettbüro hat die Gewinne bereits ausbezahlt: Es sei nur noch ein Pferd im Rennen, befanden die Buchmacher. Wer auf einen Wahlsieg des konservativ-liberalen Oppositionsführers Tony Abbott gesetzt hatte, bekam sein Geld schon jetzt, für jeden eingesetzten Dollar jedoch nur magere 1,03 Dollar. Wer dagegen noch mit einer Mehrheit für Premierminister Kevin Rudd rechnet, kann auf zwölf Dollar hoffen - eine Gewinnquote, die nur krasse Außenseiter erlaufen.

Nicht nur an den Wettschaltern deutet sich an, dass Australien vor einem Machtwechsel steht. Laut Umfragen muss die seit sechs Jahren regierende Labor Party befürchten, mindestens zwölf, womöglich gar mehr als 30 ihrer 71 Sitze im Repräsentantenhaus zu verlieren. Sogar der Premierminister selbst hat arg zu kämpfen, seinen eigenen Wahlkreis in Brisbane, der Hauptstadt des Bundesstaats Queensland, zu verteidigen. "Wir befinden uns in einem Kampf um unsere Leben", rief Rudd am Wochenende seinen Parteifreunden zu.

So redet der Premier seit Wochen gegen eine Wechselstimmung an, die mit den ökonomischen Daten des Landes nicht zu erklären ist. Denn den meisten Australiern geht es gut. Die Wirtschaft wächst dank der Nachfrage aus dem boomenden China nach den Rohstoffen des Kontinents seit 22 Jahren ununterbrochen, laut staatlichem Statistikamt in diesem Jahr um 2,6 Prozent. Die öffentliche Gesamtverschuldung ist trotz der von Labor in der globalen Finanzkrise aufgelegten Konjunkturprogramme im internationalen Vergleich sehr gering. Die Arbeitslosigkeit lag im Juli bei 5,7 Prozent. Allerdings stieg sie zuletzt leicht an, ebenso wie die Ungewissheit, wie es mit Australiens Wirtschaft weitergeht, wenn sich Chinas Boom abschwächen und der Preis für die Kohle aus dem Tal des Hunter River oder das Erz aus dem westaustralischen Pilbara fallen sollte.

Es ist auch nicht so, dass es Rudd mit einem in der Bevölkerung besonders beliebten Herausforderer zu tun hätte. Tony Abbott, der Chef der Liberalen, ehemaliger Priesterseminarist, Zeitungsjournalist und langjähriger Minister unter dem konservativen Premier John Howard, galt lange als rechter Hardliner mit einer Neigung zu scharfen Sprüchen über Frauen, Schwule, Flüchtlinge und Klimawandel. Im Wahlkampf wirbt er nun dafür, eine von Labor eingeführte Kohlendioxid-Steuer und eine Extra-Abgabe für die Bergbaukonzerne zu streichen. Zudem versprach er, "die Boote zu stoppen" - jene Nussschalen also, mit denen in diesem Jahr bereits 16.000 Flüchtlinge von Indonesien aus australisches Territorium erreichten, so viele wie noch nie zuvor. Doch auch Rudd hat im Wahlkampf die von ihm selbst einst abgeschaffte Praxis wiederbelebt, die Asylsuchenden in Lager in den armen Nachbarstaaten Papua-Neuguinea und Nauru zu verfrachten.

Vor allem aber verließ sich Abbott auf die Boulevardblätter des Medienriesen Rupert Murdoch, die seinem Konkurrenten auf der Titelseite schon mal eine SS-Uniform verpassten. Und auf die Labor Party.

Rudd als "Kontrollfreak" und "Psychopath"

Denn Labor leistet sich seit Jahren einen wüsten Dauerkonflikt um die Parteiführung. 2007 hatte der charismatische Rudd Labor mit einem Erdrutschsieg wieder an die Macht gebracht. Doch der Führungsstil des ehemaligen Diplomaten kam bei den eigenen Leuten gar nicht an. Von einem "Kontrollfreak", ja einem "Psychopathen", der Minister und Mitarbeiter schikaniere, sprachen Abgeordnete. Als seine Umfragewerte vor der Wahl 2010 sanken, stürzten sie ihn. Seine Stellvertreterin Julia Gillard übernahm als erste Frau die Regierung. Sie rettete Labor in der folgenden Parlamentswahl zwar ein Patt und mit Hilfe der Grünen und unabhängiger Abgeordneter noch einmal die Mehrheit. Populär wurde die fleißige, nüchterne, aber selten glänzende Frau aus dem Parteiapparat jedoch nie. Den Putsch gegen den gewählten Premier verziehen ihr viele Australier nicht. Zwar hielt sie ihre wackelige Ein-Stimmen-Mehrheit bis zuletzt zusammen, doch immer lauerte da einer, der kein Geheimnis daraus machte, dass er sich für den besseren Premierminister hält.

Als Außenminister von Gillard gefeuert, unterlag Rudd seiner Nachfolgerin zwar in einer Kampfabstimmung um die Parteiführung. Doch als sich in Umfragen ein Wahldesaster ankündigte, ließ eine Mehrheit der Labor-Abgeordneten ihre Premierministerin Ende Juni doch noch fallen - und sie holten, keine drei Monate vor der anstehenden Wahl, den bewährten Wahlkämpfer Rudd wieder zurück, um das erwartete Fiasko wenigstens in Grenzen zu halten.

In den Wettbüros geht es derweil nur noch um die Frage, wann der Premier am Wahltag seine Niederlage eingesteht - die Wetten stehen auf sehr früh am Abend.

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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