Parlamentarische Aufklärung der Neonazi-Morde:Auch Türkische Gemeinde will zweiten NSU-Ausschuss

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Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. (Foto: dpa)

Soll der nächste Bundestag die NSU-Morde weiter untersuchen? Einzig die Liberalen haben diese Idee bislang ins Spiel gebracht. Nun erhalten sie Unterstützung von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die Linke wiederum bringt eine ganz andere Variante ins Spiel.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die FDP hat für ihre Forderung, in der kommenden Legislaturperiode einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag einzusetzen, Unterstützung von der Türkischen Gemeinde in Deutschland bekommen. "Ich appelliere an die Bundeskanzlerin", sagte deren Vorsitzender Kenan Kolat am Dienstag in Berlin. "Die Arbeit ist noch nicht zu Ende. Wir sind in der Halbzeit."

Zu viele Fragen seien in der Kürze der Zeit vor Ablauf dieser Legislaturperiode nur angerissen, nicht aufgeklärt worden, sagte Kolat. Der bisherige NSU-Untersuchungsausschuss war aus rechtlichen Gründen gezwungen gewesen, mit Ablauf dieser Legislaturperiode zu einem Ende zu kommen; die Abgeordneten hatten am vergangenen Donnerstag ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Über eine Neu-Einsetzung kann erst der kommende Bundestag entscheiden - und bislang ist nur die FDP dazu bereit, sich in dieser Frage bereits jetzt zu positionieren. Ihr Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, der Bundestagsabgeordnete Hartfried Wolff, hatte am vergangenen Donnerstag keinen daran Zweifel gelassen, wie wenig er mit der eigenen Aufklärungsarbeit zufrieden sei. So sei der NSU-Ausschuss beispielsweise nicht bereit gewesen, Zeugen aus dem Ausland zu laden, obwohl aktenkundig sei, dass sich NSU-Mitglieder zeitweise in der Schweiz aufgehalten und dort auch eine Tatwaffe erhalten hätten.

"Keine Notwendigkeit" für eine Absichtserklärung

Auch hinter der Finanzierung der Neonazi-Terrorzelle stehe weiter ein Fragezeichen: Die bislang den NSU-Tätern zugerechneten Banküberfälle reichten rechnerisch als Erklärung nicht aus. "Entweder gab es mehr Überfälle oder andere Geldquellen." Im selben Sinne hatten auch die Anwälte der Opfer-Angehörigen eine Fortsetzung des Ausschusses gefordert. "Die Arbeit des Ausschusses ist nicht getan", hatte der Anwalt Mehmet Daimagüler gesagt, der Nebenkläger im Münchner NSU-Prozess vertritt. "Wir sind erst auf der Hälfte des Weges. Die halbe Wahrheit ist nicht die Hälfte der Wahrheit."

Die übrigen Parteien im Bundestag lehnen eine solche Absichtserklärung vor der Wahl bislang ab; aus Respekt vor der Souveränität des kommenden Bundestages, wie es der CDU-Obmann im Ausschuss, Clemens Binninger, ausdrückt, oder auch weil man nach dem Abschluss der Aufklärungsarbeit in dieser Legislaturperiode tatsächlich "keine Notwendigkeit" mehr dafür sehe, wie es in dem Sondervotum der SPD zum Abschlussbericht des Ausschusses heißt.

Der Auftrag, so sagte die Linkspartei-Obfrau Petra Pau am Dienstag der Süddeutschen Zeitung, gehe jetzt eher an die Bundesländer: "Mir erschließt sich nicht, warum man in Baden-Württemberg und Hessen nicht eigenständige Untersuchungen startet." Dort könnten die noch offenen Fragen, etwa nach Verbindungen von Polizeibeamten ins rechte Milieu, weit besser beantwortet werden.

© SZ vom 28.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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