Süddeutsche Zeitung

Parlament:Position: Rechtsaußen

Islamfeinde, Verschwörungstheoretiker und einer, den sogar das Fußballteam des Bundestags als Mitspieler ablehnt: Wen die AfD als Ausschussvorsitzende im Bundestag nominiert hat.

Von Oliver Das Gupta

Stephan Brandner soll neuer Vorsitzender des Rechtsausschusses werden. Der 1966 in Nordrhein-Westfalen geborene Rechtsanwalt war Spitzenkandidat der AfD in Thüringen bei der Bundestagswahl und zählt zu den politisch erfahrenen Parteimitgliedern. Bevor er zur AfD kam, war er abwechselnd Mitglied von CDU und CSU, er nennt sich einen Antikommunisten. Bevor er in den Bundestag gewählt wurde, saß Brandner im Thüringer Landtag. Dort schmähte er aus Sicht des Ältestenrates die politischen Gegner, weil er sie mit den Begriffen "Kinderschänder" und "Koksnasen" in Verbindung gebracht hatte. Dafür hat er Ordnungsrufe kassiert. Brandner wettert gegen den Islam, Rentenkürzungen und den Atomausstieg. Die Spitzenkandidatur seines Landesverbandes für die Bundestagswahl trat Brandner nur an, weil Björn Höcke nicht in den Bundestag wechseln wollte. Sein neues Amt als Ausschussvorsitzender will der stramme Rechte professionell ausüben, ohne zum "politischen Eunuchen" zu werden.

Peter Boehringer ist voraussichtlich neuer Vorsitzender des Haushaltsausschusses, weil die AfD als größte Oppositionsfraktion das Zugriffsrecht auf diesen Posten hat. Der gebürtige Schwabe kam über die Landesliste Bayern in den Bundestag. Bevor er in die Politik ging, machte sich der 48-Jährige als Finanzfachmann einen Namen, im Internet forderte er, die deutschen Goldreserven in die Bundesrepublik zu holen. Boehringer ist über die Hayek-Gesellschaft mit wirtschaftskonservativen Unternehmern vernetzt. Allerdings hat der AfD-Mann auch eine andere Seite: Der Ökonom hängt Verschwörungstheorien an, nach denen ein geheimes Netzwerk daran arbeitet, die Weltherrschaft zu übernehmen: Stichwort New World Order (NWO). Vor allem über Facebook breitet Boehringer aus, wer seiner Meinung nach in Deutschland von den NWO-Oberen gesteuert wird: Unter anderem die evangelische Kirche, die Feuerwehr-Gewerkschaft, die Bundesregierung sowieso und die "fast gleichgeschalteten" Medien - und viele andere Gruppen und Institutionen, die nicht auf AfD-Linie liegen. Boehringer mag weder Euro noch Bundesbank, als deren "Fußtruppen" er die "rotgrüne Antifa" bezeichnet. In Emails formuliert er noch drastischer, einmal nannte er die Kanzlerin "Merkelnutte". Die Flüchtlingskrise 2015 bezeichnete er im rechtsextremen Jargon "Umvolkung", angeordnet von einer "kreditgeldfinanzierten Bestechungsfaust" und ausgeführt von einer gelenkten "BRD-Führungsclique", die schlimmer als die DDR sei. Boehringer hoffte auf einen "plötzlichen Zusammenbruch des höchst kriminellen und für unsere Nation suizidalen Systems". Nun, als möglicher Vorsitzender, gibt sich Boehringer gemäßigt. Der Job sei "eine Riesenaufgabe", sagte er und sieht sich nun in einer "moderierenden Rolle", für die Diplomatie vonnöten sei.

Sebastian Münzenmaier, Jahrgang 1989, sitzt wohl dem Tourismusausschuss vor. Vor der Bundestagswahl war er Fraktionsgeschäftsführer im Mainzer Landtag. Politisch war Münzenmaier rechtsaußen gestartet. Bevor er in die AfD eintrat, war der gebürtige Darmstädter Mitglied bei der islamfeindlichen Partei "Die Freiheit", die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Münzenmaier war im Oktober 2017 zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10 000 Euro verurteilt worden. Er hatte 2012 mit Mitgliedern der Hooliganszene des 1. FC Kaiserslautern geholfen, Fans von Mainz 05 zu verprügeln. Rechtskräftig ist das Urteil nicht, sowohl Münzenmaier als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung ein. Konsequenzen allerdings gab es in Berlin: Das Fußballteam des Bundestags verweigerte Sebastian Münzenmaier als einzigem von sechs AfD-Kickern die Mitgliedschaft.

Die Ausschüsse und die beschränkte Macht der Vorsitzenden

In der vergangenen Woche wurden die Ausschüsse im Deutschen Bundestag eingesetzt, in der kommenden Woche sollen sie sich konstituieren. Normalerweise spiegelt sich der Zuschnitt des Kabinetts in den Ausschüssen wider: jedem Ministerium steht ein Ausschuss gegenüber. Da sich die Regierungsbildung verzögert, hat der Bundestag beschlossen, die Ausschüsse trotzdem einzusetzen.

Es bleibt bei 23 ständige Ausschüssen. Um sich intensiver mit speziellen Themen auseinanderzusetzen zu können, setzen die ständigen Ausschüsse manchmal noch Unterausschüsse ein. Zusätzlich können Sonderausschüsse gebildet werden, in denen über weitere Angelegenheiten einzelner Politikbereiche beraten werden kann.

Welcher Abgeordnete in welchem Ausschuss landet, entscheiden die Fraktionsführungen - möglichst unter Berücksichtigung der Wünsche der Abgeordneten. Über die Verteilung der Ausschussvorsitzenden entscheiden die Fraktionsspitzen nach einem einvernehmlichen Verfahren, das seit 1949 angewandt wird.

Alle Ausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und den Mitgliedern, die selbst Stellvertreter haben. Die Aufgabe der Ausschüsse besteht darin, über Gesetzesvorlagen zu beraten und Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. Im Ausschuss verfügen alle Mitglieder oder ihre Stellvertreter über eine Stimme. Ausgenommen davon sind Abgeordnete, die keiner Fraktion angehören. Diesen kann der Bundestagspräsident nach Befragung einen Platz im Ausschuss zuteilen. Ihre Teilnahme beschränkt sich nur auf ein Rede- und Antragsrecht.

Schon im Vorfeld hatte es Diskussionen über die Frage gegeben, ob eine rechtspopulistische Partei den Vorsitz über den Haushaltsausschuss, er gilt als "Königsausschuss des Parlaments", bekommen solle. Der Ausschussvorsitzende besitzt zwar keine große Machtposition, aber durchaus öffentliche Aufmerksamkeit. Den Vorsitz des Haushaltsausschusses bekommt in der Regel immer die stärkste Oppositionsfraktion.

Die Vorsitzenden der jeweiligen Ausschüsse bereiten jede Sitzung vor, berufen sie ein und leiten sie. Dafür müssen sie sich aber eng mit den anderen Fraktionen abstimmen. Neben den Vorsitzenden spielen die Obleute in den Ausschüssen eine Schlüsselrolle. Sie sind der Hauptansprechpartner für die Fraktionsführungen und bestimmen über den Kurs ihrer Fraktion federführend mit.

Welche Fraktion in welchem Ausschuss den Vorsitz erhält - auch das handeln die Fraktionen untereinander aus. Kommt es darüber zum Streit, wird ein festgelegtes mathematisches Verfahren eingesetzt. Dabei wird das Stärkeverhältnis der Fraktionen in eine Reihenfolge umgerechnet, in der die Fraktionen ihre Besetzungswünsche angeben können. Gibt es Widerstand gegen eine Entscheidung, soll darüber der Ältestenrat beraten.

Nicht gewählt, sondern bestimmt werden auch die Vorsitzenden der Ausschüsse. Was geschieht, wenn es über einzelne Namen zum Streit kommt, ist aber - absichtlich oder nicht - schwammig gehalten. Wie zu hören ist, gibt es einige Parlamentarische Geschäftsführer, die diese Frage derzeit juristisch noch mal prüfen. Tahir Chaudhry

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SZ vom 25.01.2018
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