Parlament:Lobbyisten bekommen immer noch leicht Zugang zum Bundestag

Reichstag am Abend

Der Reichstag, Sitz des Deutschen Bundestags. Lobbyisten haben hier weiterhin leichten Zugang.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Schärfere Regeln sollten die Vergabe von Hausausweisen für den Bundestag an Lobbyisten eigentlich begrenzen.
  • Doch eine erste Bilanz zeigt jetzt: Es gibt immer noch 910 Ausweise.
  • 536 von ihnen wurden sogar ohne ausreichende Begründung der Antragsteller vergeben.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es sind nur unscheinbare Plastikkarten, aber sie gehören zu den begehrtesten Dokumenten im politischen Berlin: die Hausausweise für den Bundestag. Wer im Besitz einer solchen Karte ist, kann die Bundestagsgebäude betreten, wann immer er will. Einen bequemeren Zugang zu den Abgeordneten kann man kaum haben. Und so ist es kein Wunder, dass die Ausweise für Lobbyisten besondere Bedeutung haben - Nähe zur Macht ist deren Kapital.

An den Vergaberichtlinien für die Karten lässt sich aber auch gut erkennen, wie es der Bundestag mit dem Gebot der Transparenz hält. Als Ende 2015 durch Klagen des Internetportals abgeordnetenwatch.de bekannt wurde, dass 1103 Hausausweise über einen eher dunklen Weg ausgestellt worden waren, war die Aufregung deshalb groß.

Eigentlich können nur Verbände, die sich auf der öffentlichen Lobbyisten-Liste des Parlaments registrieren lassen, Ausweise beantragen. Es liegt dann im Ermessen der Bundestagsverwaltung, ob sie die Anträge akzeptiert. 2015 wurde dann aber einer breiteren Öffentlichkeit erstmals bekannt, dass es noch einen zweiten Weg zu den Karten gab: Lobbyisten konnten sich damals auch über die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen Zugang verschaffen, ohne jede öffentliche Kontrolle. Erst durch den Druck von abgeordnetenwatch.de wurde bekannt, dass und für wen auf diesem Weg 1103 Hausausweise ausgestellt worden waren - neben den gut tausend Karten, die auf die eigentlich vorgesehene Weise vergeben worden waren.

Angesichts des Unmuts über den dunklen Kanal sah sich der Ältestenrat des Bundestags am 18. Februar 2016 gezwungen, den Karten-Zugang über die parlamentarischen Geschäftsführer einzustellen. Seitdem gibt es nur noch den Weg direkt über die Bundestagsverwaltung. Und auch dieser wurde erschwert. Unter anderem werden seitdem nur noch maximal zwei statt zuvor fünf Ausweise je Verband vergeben. Doch wer dachte, damit sei das Problem gelöst, wird jetzt eines Besseren belehrt.

Im Dezember 2016 bat abgeordnetenwatch.de die Bundestagsverwaltung um eine erste Bilanz. Erst nach mehreren Beschwerden und sechs Monaten Wartezeit hat die Verwaltung jetzt geantwortet - und das Ergebnis ist ziemlich überraschend.

"Vom 18. Februar bis zum 1. Dezember 2016 wurden durch die Bundestagsverwaltung insgesamt 910 Bundestagsausweise" für Interessenverbände ausgestellt, heißt es in der Antwort. 536 von ihnen wurden jedoch vergeben, ohne dass die Antragsteller begründet haben, warum sie die Karten brauchen. Dabei sieht die Hausordnung des Bundestages vor, dass Verbandsvertreter nur "aus berechtigtem Anlass" einen Ausweis bekommen dürfen. Im Antragsformular müssen sie deshalb angeben, "warum und wie oft" sie die Bundestagsgebäude betreten müssen.

Die Verwaltung verweist darauf, die begründungslosen Anträge seien zwar nach dem 18. Februar 2016 bearbeitet, aber bereits vor der Verschärfung der Regeln gestellt worden. Seit der Umstellung würden nur noch "Anträge mit vollständig gemachten Angaben akzeptiert". Der Zwang, den Antrag für einen Hausausweis zu begründen, galt allerdings schon seit vielen Jahren, er wurde nicht erst mit der Verschärfung der Regeln im Februar 2016 eingeführt.

Die parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen und der Linken, Britta Haßelmann und Petra Sitte, wollen den Fall deshalb jetzt prüfen lassen. Für Martin Reyher von abgeordnetenwatch.de ist aber schon jetzt klar: "Anstatt die Anträge gewissenhaft zu prüfen, hat sich die Bundestagsverwaltung zum Türöffner für Lobbyisten gemacht."

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