Süddeutsche Zeitung

Attentat auf kurdisches Zentrum:Verdächtiger gibt "pathologischen Hass auf Ausländer" an

Zunächst war es eine friedliche Versammlung zum Gedenken an die drei am Freitag getöteten Kurden, doch dann errichteten Randalierer brennende Barrikaden. Der mutmaßliche Attentäter ist in die Psychiatrie eingeliefert worden.

In Paris ist es am Nachmittag bei einer Trauerkundgebung für die drei Menschen, die am Freitag bei einem Anschlag auf ein kurdisches Gemeindezentrum getötet wurden, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.

Die Gedenkveranstaltung, zu der der "Demokratische Rat der Kurden in Frankreich" aufgerufen hatte, begann gegen 12 Uhr auf der Place de la République zunächst friedlich. Viele Menschen waren gekommen, vor allem Mitglieder der kurdischen Gemeinde. Etliche hielten Transparente und Fahnen hoch und verlangten die Aufklärung der Tat. Alle drei Getöteten waren kurdische Aktivisten.

Etwa eine Stunde nach Beginn der Kundgebung, so berichten es französische Medien, kam es zum Ausbruch der Gewalt. Einige Dutzend Demonstranten, die zum Teil vermummt waren, begannen in der Rue du Temple, nur wenige Hundert Meter von der Place de la République entfernt, mit Gegenständen auf die Polizei zu werfen und brennende Barrikaden zu errichten. Später warfen sie auch mehrere Autos um. Die Beamten setzten daraufhin Tränengas ein. Erst am frühen Abend beruhigte sich die Lage.

Schon am Freitagnachmittag war es zu Zusammenstößen zwischen einer aufgebrachten Menge und der Polizei gekommen. Die kurdische Gemeinschaft sieht die Tat vom Freitag als gezielte terroristische Attacke gegen ihre Volksgruppe. "Es gibt für uns keinen Zweifel, dass das politische Tötungen waren", sagte Agit Polat, der Sprecher des Demokratischen Rats der Kurden in Frankreich. Für die Sicherheit der Kurden werde vom Staat nicht ausreichend gesorgt, sagte Polat nach einem Gespräch mit dem Pariser Polizeichef.

Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, gedachte der Opfer und ihrer Familien. Auf Twitter schrieb sie: "Die Kurden, wo auch immer sie leben, müssen in Frieden und Sicherheit leben können. Mehr denn je steht Paris in diesen dunklen Stunden an ihrer Seite."

Mutmaßlicher Täter bezeichnet sich als Rassist

Der mutmaßliche Täter, ein 69 Jahre alter Franzose, wurde nach der Tat bereits am Freitag festgenommen. Er hatte seine Schüsse nicht nur in dem kurdischen Gemeindezentrum in der Rue D'Enghien im zehnten Pariser Arrondissement, sondern auch in einem nahegelegenen Restaurant und in einem Friseursalon abgefeuert. Neben den drei Todesopfern gab es auch drei Verletzte infolge des Anschlags.

Das zehnte Arrondissement in der Innenstadt von Paris war 2015 auch einer der Schauplätze der vom Islamischen Staat gesteuerten terroristischen Attacken, bei denen insgesamt 130 Menschen getötet wurden. Mehrere der Restaurants und Cafés, in denen die IS-Terroristen damals um sich schossen, liegen nur etwas mehr als ein Kilometer vom Ort des jetzigen Anschlags entfernt.

Der 69-jährige Verdächtige bezeichnet sich Medienberichten zufolge als Rassist. Der Sender France Info berichtete am Samstag unter Verweis auf informierte Kreise, dass der Mann dies als Grund für seine Tat angegeben habe. Der Sender BFMTV meldete zudem, der Mann habe der Polizei gesagt, dass er gezielt die kurdische Gemeinde habe angreifen wollen. Auch soll er der Polizei nur eine Frage gestellt haben: "Wie viele habe ich getötet?"

Die Justiz ermittelt gegen ihn wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt mit rassistischem Motiv. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte über den Täter: "Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen."

Am Samstagabend melden mehrere französische Medien, dass der Verdächtige von einem Arzt untersucht worden sei. Dieser habe angeordnet, den Mann aus gesundheitlichen Gründen aus dem Polizeigewahrsam zu entlassen. Der 69-Jährige sei auf eine psychiatrische Krankenstation gebracht worden. Die Untersuchungen dauerten an, betonte der zuständige Staatsanwalt. Sobald dessen Zustand dies erlaube, solle der Verdächtige einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

Dort soll er sich laut Medienberichten zu einem "pathologisch gewordenen Hass auf Ausländer" bekannt haben. Laut Pariser Staatsanwaltschaft soll der Mann seit einem Einbruch vor sechs Jahren "immer Lust gehabt, Migranten beziehungsweise Ausländer zu töten". Laut Berichten wollte der Mann ursprünglich im stark von Migranten geprägten Pariser Vorort Saint-Denis Menschen angreifen. Er habe sich bewaffnet dorthin begeben, "um Morde an ausländischen Personen zu begehen", hieß es. Dann habe er von seinem Plan abgelassen, weil nur wenige Menschen vor Ort waren und er wegen seiner Kleidung seine Waffe nicht leicht nachladen konnte.

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