Parallelen zwischen Breivik und Timothy McVeigh:Waffennarren mit krudem Weltbild

Die Lebensläufe des Attentäters von Oslo und des "Oklahoma-Bombers" Timothy McVeigh weisen erstaunlich viele Gemeinsamkeiten auf. Beide waren Waffennarren und planten ihre Taten monatelang. Ihr Hass richtete sich allerdings gegen unterschiedliche Gruppen - und McVeigh wollte nicht berühmt werden und in die Geschichtsbücher eingehen.

Hans Leyendecker

Das Attentat in Oslo weckt Erinnerungen an einen Bombenanschlag, der vor 16 Jahren die Welt erschüttert hat und die USA so schockte, wie heute das vorher so friedliche Norwegen geschockt ist. Es war der 19. April 1995, als ein hagerer, 27-jähriger Mann namens Timothy McVeigh einen gelben Lastwagen mit einer drei Tonnen schweren Bombe vor dem Murrah Building parkte, einem Regierungsgebäude in Oklahoma City. In dem Hochhaus befand sich auch ein Kindergarten. McVeigh zündete die Lunte, die Bombe ging hoch und tötete 168 Menschen, unter ihnen viele Kinder, die zerfetzt wurden. 680 Menschen erlitten Verletzungen. McVeigh wurde zum Tode verurteilt und 2001 hingerichtet. Er ging als "Oklahoma-Bomber" in die Geschichte ein und war bis zum Jahrhundert-Massaker von al-Qaida vor zehn Jahren einer der berüchtigtsten Terroristen Amerikas.

Parallelen zwischen Breivik und Timothy McVeigh: Am 21. April 1995 wird Timothy McVeigh von FBI-Agenten in einen Gerichtssaal in Oklahoma geführt. Sechs Jahre später wurde McVeigh hingerichtet.

Am 21. April 1995 wird Timothy McVeigh von FBI-Agenten in einen Gerichtssaal in Oklahoma geführt. Sechs Jahre später wurde McVeigh hingerichtet.

(Foto: AFP)

Es gibt Parallelen zwischen dem amerikanischen Massenmörder McVeigh und dem mutmaßlichen norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik, der 32 Jahre alt ist, also fünf Jahre älter als damals McVeigh. Beide stammen aus der rechten Szene, beide haben sich im Lauf der Jahre radikalisiert. McVeigh war ein paranoider Waffennarr, der Wälder und Schießgerät liebte und die Welt da draußen böse fand. Schwarze waren für ihn "Veranda-Affen", und nur ein toter Jude war für ihn ein guter Jude. Im Golfkrieg 1991 hatte er mit der Kanone seines Schützenpanzers Jagd auf Iraker gemacht und war hochdekoriert zurückgekommen. Er verdiente Geld mit dem Verkauf von Waffen und Nazi-Propaganda.

Nachdem das FBI den Sitz einer Sekte in Waco, Texas, erstürmt hatte und dabei 76 Personen zu Tode gekommen waren, hatte McVeigh, der die Belagerung miterlebt hatte, der Regierung den Krieg erklärt: "Blut wird fließen in den Straßen. Gut gegen Böse. Freie Menschen gegen sozialistische Pseudosklaven", schrieb er einem Schulfreund. In seiner Welt wurde Amerika von Juden, Katholiken, Perversen und Schwarzen beherrscht. Nur ein Massaker konnte, glaubte er, das Land von den Verrätern befreien. McVeighs Weltbild war das eines Faschisten. Er war Einzelgänger und zugleich Teil einer extremistischen, gewaltbereiten Subkultur in den USA. Sein krudes Weltbild war im Wesentlichen im Rassismus und in neonazistischen Schundromanen verwurzelt.

Breivik ist auch ein Waffennarr, wie sein mehr als 1500 Seiten dickes Manifest ausweist. Seine Suche nach dem richtigen Gerät für den Massenmord füllt in seinen Berichten viele Seiten. Intensiv hat er sich auch mit der Frage beschäftigt, welche Munition er verwenden müsse, um die junge Elite der norwegischen Sozialdemokraten auszulöschen. Er war kein Soldat im Krieg, aber er war in vielerlei Hinsicht ein Jäger. Waren für McVeigh Juden das Feindbild, nahm Breivik Muslime und Linke im Visier. Schundromane hat er offenbar nicht gelesen. Den Theorien des Herbert Marcuse beispielsweise, der in den sechziger Jahren die deutsche Studentenbewegung zu manchen Schrägheiten inspiriert hat, widmete er in seinem Manifest viel Platz. Angeblich schätzte er auch Franz Kafkas Werke, aber das muss wirklich ein Missverständnis gewesen sein.

McVeigh und auch Breivik hatten sich die Zutaten für ihre Bomben Monate vor den Anschlägen besorgt. Gemeinsam mit einem Gesinnungsgenossen, der später zu 161 Jahren Haft verurteilt worden war, hatte McVeigh auf einer Farm in Michigan aus vielen Tonnen Ammoniumnitrat und mehreren hundert Litern Diesel die Bombe gebaut. Breivik hatte sich eigens einen Landwirtschaftsbetrieb in Norwegen zugelegt, um unauffällig ähnliche Zutaten erwerben zu können. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er beim Bombenbau einen Helfer hatte.

Aber es gibt auch Unterschiede: McVeigh wollte nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Er wollte nur den Staat bekämpfen. Er war ein Killer, kein Pionier der Ultra-Rechten. Breivik hat die Planung des Verbrechens möglicherweise auch mit Blick auf die späteren Geschichtsbücher sorgfältig dokumentiert. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Männern liegt aber darin, dass sich McVeigh gleich absetzte und eher durch einen Zufall von der Polizei festgenommen wurde. Die Behörden brauchten nach seiner Inhaftierung zwei Tage, um ihn als Attentäter von Oklahoma zu identifizieren. Der Norweger hat möglicherweise die Bombe gebaut, um die Sicherheitsbehörden abzulenken und um der ersten Tat die eigentliche Tat, das Massaker, folgen zu lassen. Ein solcher Plan wäre selbst in der blutigen Welt des Terrorismus eine gewaltige Ungeheuerlichkeit.

Als McVeigh im Juni 2001 hingerichtet wurde, hinterließ er ein Gedicht, das der Brite William Ernest Henley 1875 verfasst hatte: "Mein Kopf ist blutig, aber ungebeugt", heißt es in dem Gedicht. Und: "Ich bin der Meister meines Schicksals, der Kapitän meiner Seele". Diese Zeilen könnten auch Breivik gefallen.

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