Süddeutsche Zeitung

Paradise Papers:Trump-Minister verdient an Russland-Geschäften

Lesezeit: 3 min

Geheime Dokumente aus Steueroasen zeigen: US-Handelsminister Ross profitiert von einer Firma, die mit der Familie von Kreml-Chef Putin verbunden ist. Die Paradise Papers enthüllen auch, wie Apple und Nike Steuern sparen - und die Queen Geld anlegt.

Von Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Nicolas Richter, München

Der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross profitiert als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kreml-nahen Geschäftsleuten gehört. Das ergibt sich aus Daten und Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden. Die Recherche-Ergebnisse werden in den kommenden Tagen weltweit unter dem Titel "Paradise Papers" veröffentlicht. Die Enthüllung könnte die Regierung von US-Präsident Donald Trump weiter in Bedrängnis bringen; ein Sonderermittler untersucht seit Monaten die Kontakte zwischen Trumps Team und Moskau.

In den 13,4 Millionen Dokumenten, die Unterlagen aus Steuerparadiesen weltweit enthalten, tauchen die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern auf, dazu Superreiche, Sportler und Unternehmer - sowie 14 Berater, Spender und Kabinettsmitglieder von US-Präsident Trump. Auch über die Steuervermeidungspraktiken einiger der bekanntesten Konzerne der Welt, etwa Nike oder Apple, findet sich Entlarvendes in den Dokumenten.

Im Fall des US-Ministers und Milliardärs Ross geht es um eine Beteiligung an der Reederei Navigator, zu deren Großkunden der russische Energiekonzern Sibur gehört. Dieser ist in der Hand von Vertrauensleuten Putins sowie von dessen Schwiegersohn Kirill Schamalow. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, hat Navigator seit 2014 mit Sibur Geschäfte im Wert von mehr als 68 Millionen Dollar abgewickelt. Über eine Kette von Briefkastenfirmen ist Ross an Navigator beteiligt. Fonds von ihm halten laut US-Börsenaufsicht knapp ein Drittel der Anteile. Wie groß der persönliche Anteil des Ministers an diesen Fonds genau ist, ist allerdings unklar.

Konfrontiert mit diesen Recherche-Ergebnissen, verlangt der demokratische US-Senator Richard Blumenthal eine Untersuchung. Er wirft Ross vor, den Senat und das amerikanische Volk getäuscht zu haben. Ross bestreitet, dass seine Geldanlage Einfluss auf seine Amtsführung habe. Das Thema ist politisch heikel, weil das Verhältnis von Trump zu Moskau gerade von dem Sonderermittler und früheren FBI-Chef Robert Mueller untersucht wird. Vergangene Woche hat dieser einen Ex-Wahlkampfmanager Trumps angeklagt.

Die Paradise Papers zeigen auch, dass der russische Star-Investor Juri Milner bei seinem Einstieg in die Social-Media-Unternehmen Twitter und Facebook vor einigen Jahren offenbar mit Hunderten Millionen Dollar aus dem Kreml ausgestattet wurde. Der Ankauf der Aktien des Kurznachrichtendienstes Twitter wurde demnach von der russischen Staatsbank VTB mitfinanziert, das Investment bei Facebook von der Gazprom Investholding. Das Kreml-gestützte Investment ist besonders brisant, da Facebook und Twitter derzeit in der Kritik stehen, nicht genug gegen eine Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfs durch Russland unternommen zu haben. VTB und Gazprom erklärten, die Investitionen in Twitter und Facebook seien nicht politisch motiviert gewesen. Milner hat die Anteile mittlerweile verkauft.

Die SZ hat die Daten, wie bei den 2016 veröffentlichten Panama Papers, mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington geteilt, sowie mit mehr als 380 Journalisten aus rund 70 Ländern. Insgesamt beteiligten sich Recherche-Teams von rund 100 Medienhäusern, darunter die New York Times, der Guardian, die BBC und Le Monde.

An der Recherche waren auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) beteiligt. In den Dokumenten findet sich indirekt unter anderem auch Queen Elizabeth II. Ihre Vermögensverwalter investierten demnach in eine Firma, die Haushaltsgüter auf Raten verkauft - bei Zinssätzen von bis zu 99,9 Prozent. Auf Anfrage erklärten Beamte der Queen, den Vermögensverwaltern sei "nicht bewusst" gewesen, über einen Fonds auf den Kaimaninseln an der umstrittenen Firma beteiligt gewesen zu sein.

Neben mehreren kanadischen Ex-Regierungschefs ist den Paradise Papers zufolge auch einer der engsten Vertrauten des amtierenden Premiers Justin Trudeau in Geschäfte in Steueroasen verwickelt. Dem kanadischen Staat sind durch ein kompliziertes Konstrukt von Briefkastenfirmen womöglich Millionen Dollar an Steuern entgangen. Weder Trudeau noch sein Berater wollten sich auf Anfrage dazu äußern.

Das neue Leak belegt im Detail, wie multinationale Konzerne Steueroasen nutzen, um Steuern zu vermeiden. Der Sportartikelhersteller Nike baute erst auf den Bermudas und später in den Niederlanden ein System auf, das dem Konzern außerhalb der USA Milliarden Euro an Steuern ersparte. Die Computerfirma Apple, der wertvollste Konzern der Welt, verlangte laut bislang geheimen E-Mails, einen Geschäftssitz in einem Land zu finden, an dem offiziell garantiert keine Steuern anfallen. Nike und Apple betonten auf Anfrage, sich an Recht und Gesetz zu halten.

Die Veröffentlichungen basieren auf 1,4 Terabyte interner Daten zweier Finanzdienstleister sowie den Unternehmensregistern von 19 Steueroasen. Der wichtigste Teil des Leaks stammt von der Kanzlei Appleby, einem der führenden Anbieter sogenannter Offshore-Firmen. Ausgewertet wurden aber auch Daten des Treuhand-Unternehmens Asiaciti Trust mit Sitz in Singapur sowie Unternehmensregister aus 19 der intransparentesten Steueroasen, darunter Isle of Man, Malta und die Bermudas.

Appleby erklärte, es gebe "keinen Beweis für Fehlverhalten" der Kanzlei selbst oder ihrer Kunden. Asiaciti Trust ließ eine Anfrage unbeantwortet.

In Deutschland führen die Unterlagen zur Milliardärsfamilie Engelhorn und damit zu einem der größten Steuerfälle der deutschen Geschichte. Außerdem zeigen sie, wie der Glücksspiel-Unternehmer Paul Gauselmann die laxen Gesetze auf der Isle of Man nutzt, um an dem hierzulande überwiegend verbotenen Online-Glücksspiel zu verdienen.

Eine Reihe von Papieren in den Daten legen den Verdacht nahe, dass bei einem Rohstoffdeal des Schweizer Konzerns Glencore in Afrika Schmiergelder geflossen sein könnten. Der Demokratischen Republik Kongo sollen bei Minengeschäften Hunderte Millionen Dollar entgangen sein. Glencore und ein beteiligter israelischer Geschäftsmann wiesen dies zurück.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2017
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