Der US-Handykonzern Apple wollte sich im Frühjahr 2014 zusichern lassen, auf der Steueroase Jersey keinerlei Steuern zahlen zu müssen. "Ist es möglich, eine offizielle Bestätigung der Steuerbefreiung zu bekommen, und kostet das etwas?", ließ Apple über eine amerikanische Anwaltskanzlei bei dem Offshore-Dienstleister Appleby nachfragen, bevor Tochterfirmen Geschäftssitze auf die Insel verlagerten. Das geht aus den Paradise Papers hervor, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden.
Irland-Gesellschaften von Apple nutzten eine Lücke im irischen Steuerrecht. Diese ermöglichte es ihnen, in keinem Land der Welt Steuern zahlen zu müssen. Die Lücke wurde 2015 auf internationalen Druck hin geschlossen. Danach führte Appleby laut den Dokumenten zwei irische Apple-Firmen mit Geschäftssitz auf Jersey. Dort liegt der Steuersatz für Unternehmen bei null Prozent. Auf diese Weise drückte der Konzern seine Steuerquote auf Gewinne außerhalb der USA weiter auf nur drei bis sieben Prozent.
Neueste Zahlen zeigen, dass Apple im jetzt abgelaufenen Geschäftsjahr auf Gewinne von 44,7 Milliarden Dollar außerhalb der USA nur 1,7 Milliarden Dollar Steuern gezahlt hat. Das sind 3,7 Prozent. Apple betonte, sich an alle Gesetze zu halten. "Wir sind der größte Steuerzahler der Welt", sagte ein Sprecher.
Auch der Sportartikelhersteller Nike drückt sich vor Steuerzahlungen in Milliardenhöhe, wie die Paradise Papers zeigen. Der Konzern gründete zuerst zahlreiche Offshore-Firmen auf Bermuda, um dort die Lizenzrechte der Firma zu halten - etwa für das Firmenlogo, den weltberühmten "Swoosh". An diese Briefkastenfirmen mussten Nike-Niederlassungen Hunderte Millionen Euro bezahlen, um die Markenrechte nutzen zu dürfen. Durch die hohen Lizenzzahlungen wurden die weltweiten Gewinne drastisch gedrückt - und damit die Steuerlast.
Aus den geleakten Unterlagen ist außerdem ersichtlich, dass Nike 2014 diese Praxis in die europäische Steueroase Niederlande verlagerte - und seine globale Steuerrate damit von 35 Prozent um das Jahr 2002 auf nur mehr rund 13 Prozent drückte. So konnte Nike in Steueroasen Gewinne in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Dollar anhäufen, die kaum besteuert wurden.
Solche und ähnliche Steuertricks kosten alleine Deutschland jedes Jahr rund 17 Milliarden Euro an Steuern, das hat der renommierte französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman exklusiv für die SZ berechnet. Zucmans Rechenexempel basiert auf einer Reihe von öffentlich zugänglichen Daten.
Auch der britische Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton ist aktiver Nutzer von Steueroasen. Der Rennfahrer hat gleich etliche Briefkastenfirmen. Eine davon, auf der Isle of Man, nutzte Hamilton laut den Paradise Papers, um bei der Einfuhr seines neuen Privatjets mehr als vier Millionen Euro an Mehrwertsteuer zu sparen. Dafür genügte es, einmal morgens kurz auf der Insel zu landen und die Formalitäten zu erledigen.
Die Veröffentlichung der Paradise Papers rief am Montag weltweite Reaktionen hervor. In England kritisierte der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei konkret die Praktiken der Steueroase Isle of Man, außerdem verlangte er im Interview mit der SZ eine Spezialeinheit, die sich auf britische Offshore-Firmen konzentrieren müsse.
In den USA forderten mehrere Senatoren eine Untersuchung der Russland-Verbindungen von Handelsminister Wilbur Ross, speziell seiner Gewinne aus Geschäften mit einer Firma, die einem sanktionierten russischen Oligarchen und dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört. Der Minister sagte am Montag der Agentur Bloomberg, er werde seine Anteile an dieser Firma "wahrscheinlich nicht" behalten. Allerdings habe er die Aktien "ohnehin verkaufen" wollen, sagte Ross.
In Kanada erklärte die liberale Partei von Premier Justin Trudeau, dass Chefspendensammler Stephen Bronfman keinen Einfluss auf die Politik der Partei habe. Bronfman ist den Paradise Papers zufolge in Geschäfte in Steueroasen verwickelt.
Der deutsche Justizminister Heiko Maas erklärte, es brauche "mehr Transparenz und Vereinheitlichung von Steuerregeln" in der EU, der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi sprach derweil von "Staatsversagen", da viele der enthüllten Steuertricks noch immer legal seien. Er forderte Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen.