Papst und Missbrauchsdebatte:Entschlossenes Schweigen

Viele warten darauf, dass sich Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen, die seine Kirche erschüttern, äußert. Doch das Oberhaupt der katholischen Kirche schweigt weiter. Der Vatikan meint: Für eine Stellungnahme des Papstes ist es noch viel früh.

Andrea Bachstein

Immer wieder findet der Papst vor dem wöchentlichen Angelus-Gebet auf dem Petersplatz Worte zu aktuellen Ereignissen. An diesem kühlen Fastensonntag hat Benedikt XVI. über das Gleichnis vom verlorenen Sohn gesprochen. Auf die Missbrauchsfälle, die seine Kirche erschüttern, ist er nicht eingegangen. Auch wenn viele darauf warten. Dieses Verhalten des Papstes sei klug, sagt einer, der den Vatikan von Innen kennt.

Längst ist nicht alles aufgeklärt

Jesuitenpater Bernd Hagenkord leitet das deutsche Programm von Radio Vatikan. Derzeit, so sagt er, sei das Bild der Vorgänge in Deutschland ja noch gar nicht vollständig. Würde der Papst nun als höchste Instanz Stellung nehmen, wäre dies zu früh.

Es würde als eine Art Schlusswort aufgenommen werden, das die Jagd beendet - obwohl längst nicht alles aufgeklärt ist. Das Thema Missbrauch beschäftige die Kurie aber stark, sagt Hagenkord. Er ist überzeugt, dass der Vatikan die völlige Aufklärung wünsche. Es werde keine Umkehr von dieser Linie geben. Der entschlossene Umgang des Papstes mit den Skandalen in den USA und in Irland habe das bewiesen.

Als die irischen Bischöfe Rom von den Fällen in ihren Diözesen berichtet hatten, bestand Benedikt XVI. darauf, dass alle wichtigen Amtsträger des Vatikans anwesend sind, damit jeder erfährt, was passiert war. Die Untersuchungen in Irland sind inzwischen abgeschlossen, und es wird erwartet, dass der Papst in den nächsten Tagen in einem Brief an die Bischöfe dort nochmals das Wort ergreift.

Der Vatikan sei aber der Auffassung, erläutert Pater Hagenkord, dass die Aufklärung der Misshandlungs- und Missbrauchsfälle Aufgabe der Kirchen in den jeweiligen Ländern ist. Auch, um die Nähe zu den Opfern zu wahren. So lehnt der Vatikan auch eine Stellungnahme zu dem von der Süddeutschen Zeitung berichteten Missbrauchsfall im Erzbistum München-Freising ab. Das päpstliche Presseamt verweist auf das Erzbistum München. Das passt zu dem, was der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, am Freitag in Rom gesagt hat: Die deutschen Bischöfe haben den Vatikan nicht um Hilfe bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gebeten. Sie schafften dies aus eigener Kraft und seien dazu auch entschlossen.

Zollitsch: Papst ist tief betroffen

Der Papst, so hat Zollitsch von seinem Gespräch mit Benedikt XVI. berichtet, sei tief betroffen von den Taten. Er habe den Weg der deutschen Bischofskonferenz, aufzuklären, Opfern zu helfen und mit der Justiz in vollem Umfang zu kooperieren, ausdrücklich unterstützt und ermutigt, ihn weiterzugehen.

Auch wenn der Papst öffentlich schweigt, äußert sich doch sein Sprecher, Pater Federico Lombardi. Der Chef der vatikanischen Presse teilt mit, die Bischöfe in Deutschland hätten ihren Willen zur Transparenz bewiesen. Sie hätten die Opfer eingeladen zu reden, auch wenn die Fälle sehr lange zurückliegen. Es sei der richtige Ansatzpunkt "anzuerkennen, was geschehen ist, die Sorge um die Opfer und die Folgen dessen, was ihnen angetan wurde".

Es gilt, die Person des Papstes zu schützen

Am Samstag hat Lombardi unter anderem auch mitgeteilt, "die Kirche sieht trotz dieses Sturms klar die Linie, der sie unter der sicheren und entschlossenen Führung des Heiligen Vaters folgen muss". Der Vatikan hoffe, dass das "Leid am Ende der ganzen Gesellschaft helfe, mehr Sorge zu zeigen für den Schutz und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen".

In dem Münchner Fall, der in italienischen Medien stark aufgegriffen wurde und bei dem laut Corriere della Sera der Vatikan vorgewarnt gewesen sei, hat Lombardi aber nicht nur auf das Kommuniqué des Bistums verwiesen. Denn natürlich gilt es nun, die Person des Papstes zu schützen, der seinerzeit Erzbischof von München und Freising war.

Es gab, so der Vatikansprecher, "in den vergangen Tagen einige, die verbissen in Regensburg und München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen hineinzuziehen. Es ist offensichtlich, dass diese Bemühungen gescheitert sind."

Zu Wort gemeldet hat sich auch der Justiz-Verantwortliche der Glaubenskongregation, Monsignore Charles Scicluna, die seit 2001 zuständig ist für die kirchlichen Ermittlungen bei Sexualdelikten. In L'Avvenire, der Zeitung der italienischen Bischöfe, sagte Scicluna, als damaliger Chef der Glaubenskongregation habe sich Kardinal Ratzinger entschlossen und mutig gezeigt im Umgang mit solchen Fällen.

Es sei lügnerisch und verleumderisch zu behaupten, Ratzinger habe eine Politik der Verschleierung betrieben. In den vergangenen neun Jahren habe die Glaubenskongregation Beschuldigungen in 3000 Fällen zu beurteilen gehabt. Sie reichten bis zu 50 Jahre zurück. Einen großen Teil hätten die Missbrauchsdelikte in den USA ausgemacht. Seit 2007 seien im Jahr rund 250 Fälle weltweit eingegangen. Dabei wird es 2010 kaum bleiben.

Mit Opfern von Missbrauch in der Kirche hatte sich Papst Benedikt XVI. in den USA und in Australien getroffen. Vielleicht wiederholt er diese Geste eines Tages in Deutschland.

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