Süddeutsche Zeitung

Papst und der Holocaust:Benedikt preist Pius als "heroisch"

Der Papst treibt die Selig- und Heiligsprechung seiner Vorgänger Johannes Paul II. und des umstrittenen Pius XII. voran - und erntet wütenden Widerspruch.

Papst Benedikt XVI. hat zwei seiner Vorgänger der Heiligsprechung einen Schritt näher gebracht: Den wegen seiner Haltung zur Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg umstrittenen Papst Pius XII. sowie seinen direkten Vorgänger Johannes Paul II.

Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche erließ an diesem Samstag Dekrete, die bei beiden ehemaligen Päpsten "heroische Tugenden" anerkennen. Vor einer Heiligsprechung müssen beide zunächst noch seliggesprochen werden.

Zentralrat spricht von Umkehr der historischen Fakten

Papst Benedikt war sowohl von Juden als auch von Katholiken mit Nachdruck aufgefordert worden, die Heiligsprechung Pius' auszusetzen. Zunächst sollten sämtliche Archive zum Zweiten Weltkrieg ausgewertet werden, so die Forderung der Pius-Kritiker.

Auf den nun erfolgten Schritt des Heiligen Stuhls zur Heiligsprechung reagierten die Spitzenvertreter der italienischen Juden sofort: Falls die Entscheidung Benedikts ein definitives Urteil über die Leistung des Pacelli-Papstes darstelle, "bleibt unsere Bewertung kritisch", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des italienischen Oberrabbiners und den Präsidenten der jüdischen Gemeinden Italiens und Roms.

Noch deutlichere Kritik kam vom Zentralrat der Juden in Deutschland. "Ich bin traurig und wütend", sagte Generalsekretär Stephan Kramer. "Es ist eine deutliche Umkehrung der historischen Fakten der NS-Zeit".

Die katholische Kirche versuche "eine andere Geschichte zu schreiben". Wütend mache ihn, dass Papst Benedikt XVI. keine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion zulasse.

Vatikan weist alle Vorwürfe zurück

Benedikt hatte das Dekret über die "heroischen Tugenden" 2007 erhalten und es zunächst nicht unterzeichnet. Vielmehr ordnete er eine "Zeit der Reflexion" an. Mit seinem jüngsten Erlass brachte er Pius zurück auf den Weg zur Heiligsprechung.

Pius, der bürgerlich Eugenio Pacelli hieß, war von 1939 bis 1958 Oberhaupt der katholischen Kirche. Kritiker werfen dem Italiener seit langem dessen Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus vor: Er habe als päpstlicher Nuntius in Deutschland mit dem Reichskonkordat dem Dritten Reich zur ersten und für Diktator Hitler so wichtigen internationalen Anerkennung verholfen.

Während des Krieges habe er den Holocaust wissentlich ignoriert und Verfolgten nicht genug geholfen. Pius habe Parallelen im Herrschaftsdenken von Kirche und NS-Staat gesehen, so der Theologe Hans Küng in einem sueddeutsche.de-Interview.

Das Bühnenstück "Der Stellvertreter" des deutschen Dramatikers Rolf Hochhuth über den umstrittenen Papst geriet in den sechziger Jahren zum Welterfolg.

Der Vatikan weist alle Vorwürfe zurück. Pius XII. habe mit stiller Diplomatie versucht, Juden zu helfen - auch dies mit ein Grund, ihn zum Heiligen zu machen.

Benedikt forcierte die Heiligsprechung seines direkten Vorgängers Johannes Paul II. auf bemerkenswerte Weise. Nur einen Monat nach dem Tod des Papstes aus Polen im Jahr 2005 setzte Benedikt die sonst übliche Wartezeit von fünf Jahren aus, bevor der Prozess der Heiligsprechung beginnen kann.

Damit kam er dem Wunsch vieler frommer Katholiken nach: Anhänger Johannes Pauls hatten bei dessen Trauerfeier skandiert: "Santo Subito" ("Mach ihn sofort zum Heiligen").

Bericht über wundersame Heilung

Im vergangenen Jahr hatte der Vatikan ein 2000 Seiten langes Dokument vollendet, in dem Gründe für eine Heiligsprechung aufgelistet werden.

Jetzt muss Benedikt noch je ein Wunder anerkennen, um Johannes Paul II. zunächst selig und dann heilig sprechen zu können. Umfragen zufolge sind viele Katholiken der Meinung, dass Johannes Paul direkt heiliggesprochen werden sollte.

Kirchenvertreter teilten unterdessen mit, ein Wunder könne bereits Johannes Paul II. zugeschrieben werden: Eine wie der frühere Papst an Parkinson erkrankte Nonne aus Frankreich sei genau zwei Monate nach Johannes Pauls Tod nach Gebeten geheilt worden. Ärzte konnten dies medizinisch nicht erklären.

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