Papst trifft Missbrauchsopfer:Versöhnung für wenige

Benedikt XVI. wird auf seiner Deutschland-Reise Opfer sexueller Gewalt anhören. Um das geplante Treffen macht die Kirche aber ein großes Geheimnis. Nur nette, dankbare Missbrauchsopfer werden eingeladen, vermutet Matthias Katsch. Er nicht. Er hatte als einer der ersten erzählt, wie er in die Fänge eines Jesuitenpaters geraten war.

Matthias Drobinski

Niemand aus der Bischofskonferenz oder dem Vatikan hat Matthias Katsch angerufen, "bis jetzt jedenfalls nicht, und ich gehe davon aus, dass nun auch kein Anruf mehr kommt". So wird Katsch wohl nicht Papst Benedikt XVI. die Hand schütteln, wenn der Menschen trifft, denen Priester, Ordensleute, Kirchenmitarbeiter sexuelle Gewalt angetan haben.

Und das, obwohl es dazu einigen Anlass gäbe: Es war Matthias Katsch, der zusammen mit einigen ehemaligen Mitschülern Ende 2009 zu Klaus Mertes ging und dem Schulleiter des Berliner Canisius-Kollegs erzählte, wie er in den 80er Jahren in die Fänge eines Jesuitenpaters geriet. Er und seine Mitstreiter brachten ins Rollen, was dann im Frühjahr 2010 die katholische Kirche in Deutschland lawinenartig überrollte und in eine ihrer tiefsten Krisen der Nachkriegszeit trieb. "Ich denke, es ist den Planern der Reise zu heikel, jemanden einzuladen, der politisch so exponiert ist, wie ich das bin", sagt der Sprecher der Selbsthilfegruppe "Eckiger Tisch", der die Entschädigungszahlungen der katholischen Kirche an Missbrauchsopfer als zu niedrig kritisiert.

Papst Benedikt XVI. wird Opfer sexueller Gewalt treffen, das steht mittlerweile fest. Das ist keine Sensation - schon auf seinen Reisen in die Vereinigten Staaten, nach Australien, England und Malta hat er Missbrauchsopfer getroffen. Und doch ist die Begegnung politisch wie emotional von hoher Bedeutung. Der Papst will zeigen, wie wichtig es ihm ist, die Opfer sexueller Gewalt zu hören, Anteilnahme an ihrer Lebensgeschichte auszudrücken, zu zeigen, dass die katholische Kirche gelernt hat. In Malta soll Benedikt XVI. während des Gesprächs Tränen in den Augen gehabt haben.

Wann das Treffen stattfindet und wo, daraus machen die Bischofskonferenz und der Vatikan aber ein großes Geheimnis; die Diskretion solle gewahrt bleiben, die Würde der Opfer nicht verletzt werden, heißt es dort. Vom Zeitplan böten sich Termine am Samstag oder Sonntag in Freiburg an, doch auch am Freitag in Erfurt wäre Platz für ein kurzes Gespräch.

In Kirchenkreisen heißt es, die Gesprächspartner des Papstes würden unter jenen Opfern ausgewählt, die sich über die Hotline gemeldet haben, die der Trierer Bischof Stephan Ackermann vergangenes Jahr im Auftrag der Bischofskonferenz eingerichtet hat; auch würden Mitarbeiter dieser Hotline eingeladen. "Das hat für die Kirche natürlich den Vorteil, dass sie sich nette, dankbare Menschen aussuchen kann", sagt Katsch - ein bisschen bitter klingt es.

Eine kleine Gruppe Missbrauchsopfer wird sich vor der großen Demonstration gegen den Papstbesuch am Potsdamer Platz zum Protest versammeln, die meisten aber werden einfach daheim bleiben - "wir sind da immer noch eher Einzelkämpfer, die nicht so einfach ihre Geschichte an die Öffentlichkeit tragen", sagt Katsch. Er selber hat eigentlich nichts gegen den Papstbesuch und auch nichts gegen den Auftritt Benedikts XVI. im Bundestag, "wenn er sich dort zur Verantwortung der katholischen Kirche für die Opfer bekennt". Er wird das selber verfolgen können, die Fraktion der Grünen hat ihm einen Platz auf der Besuchertribüne des Parlaments besorgt. Mit welchen Gefühlen? Eine Pause entsteht. "Das weiß ich noch nicht", sagt Matthias Katsch dann.

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