Papst in Polen:Kritiker mit hohem Ansehen

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Der Papst gilt als weit entfernt von der Ideologie der polnischen Regierungspartei Pis. Gleichzeitig genießt er im katholischen Polen hohes Ansehen. Sollte er die Regierung rügen, könnte ihr das gefährlich werden.

Von Florian Hassel, Warschau

Es waren schlechte Nachrichten, die der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko 1979 dem damals in Polen regierenden Kommunistenchef Edward Gierek nach einem Besuch im Vatikan überbringen musste: Der kürzlich zum Papst gewählte Krakauer Erzbischof Karol Wojtyła sei ein entschiedener Anti-Kommunist, er könnte "viele Probleme bereiten". Und so kam es: Bei drei Besuchen in der Heimat machte der polnische Papst Johannes Paul II. Millionen seiner Landsleute Mut im Kampf für Demokratie und Menschenrechte. Historikern zufolge trug er stark zur Schwächung des Regimes bei.

Franziskus soll mit dem polnischen Präsidenten das Kaczyński-Grab besuchen

Der Papst ist inzwischen ein anderer, die Regierung in Warschau auch. Doch auch der heutige Amtsinhaber im Vatikan ist für Jarosław Kaczyński und seine Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) in erster Linie ein Problem, wie der katholische Priester Kazimierz Sowa feststellte: "Es ist schwierig, sich jemanden vorzustellen, der weiter von der Ideologie der Pis entfernt ist als Papst Franziskus." Das gilt für dessen Plädoyers für ein stärkeres Europa, für mehr Umweltschutz oder für des Papstes Mahnungen, Flüchtlinge aufzunehmen - was Polen gerade unter der Pis-Regierung entschieden ablehnt. Dass Franziskus kein Blatt vor den Mund nimmt, stellte auch Ministerpräsidentin Beata Szydło fest, die im Mai beim Papst zur Audienz vorsprach und bereits damals auf das Flüchtlingsthema angesprochen wurde.

Gewiss, Franziskus wird in Polen für prestigefördernde Bilder im Regierungsfernsehen sorgen. Direkt nach seiner Ankunft am Mittwoch trifft der Papst in Krakau Regierungsmitglieder und Polens Präsidenten Andrzej Duda. Am Donnerstag, wenn Franziskus in Jasna Góra eine Messe zum 1050. Jahrestag des Christentums in Polen liest, will sich wohl die gesamte Regierung im Papstglanz sonnen. Auch beim Abschlussgottesdienst am Sonntag dürften sich Regierungsvertreter kamerawirksam postieren.

Polnischen Medien zufolge soll die Regierung zudem darauf gedrungen haben, dass Franziskus mit Präsident Duda das Grab von Lech Kaczyński besucht, Zwillingsbruder von Jarosław und einstiger polnischer Präsident, der 2010 bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk umgekommen ist. Seit Jahren pflegt die Pis einen an einen religiösen Kult erinnernden Mythos von Smolensk als angeblicher Verschwörung Russlands und politischer Gegner in Polen. Mit einem Besuch am Grab Kaczyńskis würde Franziskus Teil "der Adelung der Smolensk-Religion", warnte ein Krakauer Dominikaner-Pater.

Doch was tut, was sagt Franziskus bei anderen Terminen - etwa bei den Messen, bei denen neben Hunderttausenden jungen Katholiken aus aller Welt auch Hunderttausende Polen erwartet werden? Wirbt er für die Aufnahme von Flüchtlingen, für ein stärkeres, politisch vereintes Europa, spielt er gar auf eine gefährdete Demokratie an? Während die Warschauer Regierung und Jarosław Kaczyński Mahnungen der EU leicht abtun, taten sie sich mit einem öffentlichen Rüffel von Präsident Barack Obama gegenüber Präsident Duda am Rande des Nato-Gipfels Anfang Juli schon schwerer. Der Papst ist als Oberhaupt der katholischen Kirche einer CBS-Umfrage zufolge für 87 Prozent der fast ausschließlich katholischen Polen eine noch höhere, unangefochtene Autorität. Auch Jarosław Kaczyński hat schon verkündet, es gebe "in Polen keine andere moralische Lehre als die, die die Kirche verkündet".

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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